Besser Bahnfahren – eine Wissenschaft für sich
Prof. Dr. Jochen Eckart - der Wissenschaftler hinter #besserBahnfahren - erzählte im Mai 2023 im Interview, was er sich von der ARD Crowd-Science-Aktion erhofft und wie sein Bild von der Mobilität der Zukunft aussieht.
An was denken Sie, wenn Sie den Begriff „Verkehrswende“ hören?
Ich denke an den Begriff „Mobilitätswende“, denn das ist für mich der Kern: Den Menschen Mobilität zu ermöglichen. Mobilität heißt, die Möglichkeit zu haben, unterwegs zu sein und jede Aktivität - egal ob Sie zur Arbeit fahren, abends in eine Kneipe gehen oder am Wochenende im Schwarzwald wandern gehen möchten - wahrzunehmen. Der Verkehr, der dabei entsteht ist eigentlich nur Mittel zum Zweck, eventuell sogar nur das lästige Übel.
Und wie sollte die Mobilität der Zukunft Ihrer Meinung nach aussehen?
Anstelle des Autos steht uns bereits heute ein ganzes Repertoire an Möglichkeiten zur Verfügung: Ich kann zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren, mir ein Auto über Car-Sharing ausleihen, Bus und Bahn nutzen. Ziel wird es sein, das alles mit dem Smartphone zu organisieren und mir für meinen Zweck das passende Verkehrsmittel wählen zu können.
Da werden Einige jetzt entgegen: Das ist mir viel zu kompliziert. Da steige ich lieber morgens in mein Auto und fahre los. Was sagen Sie denen?
Natürlich würden wir nicht jeden Tag neu wählen. Verkehr ist etwas, das findet im Alltag statt und ist sehr stark durch Gewohnheit geprägt. Es würde uns überfordern, wenn wir uns jeden Tag aufs Neue überlegen: Wie komme ich denn zur Arbeit? Aber wir müssen verstehen lernen, dass wir nicht nur auf ein einziges Verkehrsmittel angewiesen sind. Wir haben die Flexibilität. Ich möchte am Ende des Tages nicht, dass die Menschen weniger mobil sind. Ich möchte, dass die negativen Folgen des Verkehrs weniger werden.
Steht dem Umstieg auf Bus, Bahn & Co. oftmals die Gewohnheit im Weg?
Gewohnheiten haben erstmal was Positives, sie machen uns den Alltag einfacher. Wir haben eine Entscheidung getroffen, sie hat sich bewährt, wir haben sie mehrfach wiederholt, dann müssen wir nicht erneut darüber nachdenken und machen es einfach. Wenn wir uns aber entschieden haben, zum Beispiel morgens mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, kriegen wir häufig gar nicht mit, dass sich das Angebot an Bussen und Bahnen verbessert hat. Die Menschen sollten bereit sein, eine Alternative auszuprobieren. Das ist nicht immer ganz einfach. Dazu braucht es einen Anlass. Ein typisches Beispiel, ist der Umzug an einen anderen Ort. Dadurch wird der Weg zur Arbeit dann plötzlich mit dem Fahrrad anstatt mit dem Auto bewältigt.
Kann das Deutschlandticket auch ein Anlass sein, Alternativen zum Privatauto auszuprobieren?
Das Deutschlandticket ist in aller Munde. Alle, die bisher nicht darüber nachgedacht haben, ob der öffentliche Nahverkehr eine Alternative ist, werden jetzt auf das Thema gestoßen und werden sich womöglich fragen: Kommt das vielleicht auch für mich in Frage? Interessant ist auch, dass das Deutschlandticket als ein Abonnement gedacht ist. Das macht das Wiederholen leichter. Es erhöht die Chance, dass die Nutzung des ÖPNVs zu einer neuen Gewohnheit wird.
Aber wird das Deutschlandticket ausreichen, dass die Menschen ihr Mobilitätsverhalten tatsächlich ändern? Ungeachtet aller Diskussionen um die Verkehrswende ist das Auto immer noch das beliebteste Verkehrsmittel.
Wieviele Menschen ihr Verhalten ändern werden, das kann ich nicht vorhersagen. Aber eines kann ich vorweg nehmen: Allein der Preis ist nicht entscheidend für den Umstieg auf Bus und Bahn. Es gibt noch viele andere Gründe, die da mit reinspielen. Wie zum Beispiel der Komfort, die Bequemlichkeit oder die Zeit, die ich brauche: Wie sehr muss ich meinen Zeitplan anpassen an die Fahrpläne? Das Deutschlandticket wird eine Wirkung haben, aber meiner Prognose nach, braucht es Weiteres darüber hinaus, um die Menschen zu bewegen, umzusteigen. Da bin ich gespannt, welche Punkten den Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Mitmachaktion wichtig sind. Lassen sich Prioritäten rauslesen? Was steht in Ballungsräumen ganz oben und was auf dem Land?
Angesichts der Klimakrise leuchtet ein: Je mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen, desto besser. Aber im Allgemeinen hat der ÖPNV kein gutes Image: Zu wenig, zu spät und zu umständlich. Wie kann das funktionieren?
Die Spannbreite zwischen Gegenwart und Zukunft könnte größer nicht sein. Einerseits ist der öffentliche Nahverkehr ein zentraler Baustein unserer zukünftigen, klimafreundlichen Mobilität. Gleichzeitig ist die Kritik hoch: Könnte pünktlicher sein, öfter fahren. Aber ich vermute, in vielen Bereichen ist der ÖPNV gar nicht so schlecht wie sein Ruf. Beispielsweise wurden in den vergangenen Jahren viel mehr Busse in den Tagesrandzeiten, das heißt frühmorgens und spätabends, eingesetzt. Trotzdem muss noch viel passieren. Doch welche Schwerpunkte müssen wir setzen, damit der ÖPNV seiner Rolle in der Zukunft gerecht werden kann? Da bin ich gespannt auf die Ergebnisse der ARD-Mitmachaktion.