SENDETERMIN Mi., 21.07.10 | 22:45 Uhr | Das Erste

Ulrich Tukur

Folge 15

Ulrich Tukur
Fühlt sich manchmal wie ein "Hamster in Laufrad": Schauspieler und Musiker Ulrich Tukur. | Bild: HR

Er ist einer der ganz Großen auf der Bühne und auch vor der Kamera: Ulrich Tukur, vielfach ausgezeichneter Schauspieler, begabter Musiker, geistreicher Entertainer und mittlerweile auch Schriftsteller.

Als Schauspieler liebt Tukur abgründige, zerrissene Figuren, und geht dabei immer auch an seine eigenen Grenzen. Er gab Nazi-Offiziere und Kindermörder, er brillierte als Kirchenmann im Widerstand in "Bonhoeffer – Die letzte Stunde" oder als RAF-Terrorist Andreas Baader in Reinhard Hauffs Film "Stammheim". Er war Kurt Gerstein, der zwiespältige Held in SS-Uniform in Costa-Gavras Spielfilm "Amen" nach Rolf Hochhuths Theaterstück "Der Stellvertreter".

In Hollywood spielte er an der Seite von George Clooney im Science-Fiction-Drama "Solaris". Grandios sah man ihn als Stasi-Kader im Oscar-prämierten Film "Das Leben der anderen". Für die Titelrolle des Spielfilms "John Rabe" erhielt er den Deutschen Filmpreis.

Wen immer er verkörpert, seien es Nazioffiziere, Kindermörder oder positive Heldenfiguren: Er tut es niemals mit didaktischem Impetus. Er will keine Botschaften verkaufen, sondern agiert als Vollblut-Schauspieler mit einem leidenschaftlichen Interesse an menschlichen Abgründen. Er ist eine Ausnahmefigur in seinem Metier: ein intellektueller Bauchschauspieler!

Darüber hinaus ist er ein fantastischer Entertainer mit einer geradezu anarchischen Spielfreude, wenn er etwa mit seiner Band, den "Rhythmus Boys", Schmonzetten singt und auf Tour geht. Er ist Gaukler und Workaholic, "ein Hamster im Laufrad", wie er sich selbst bezeichnet – und damit ein wenig mit seiner Rastlosigkeit kokettiert. Dem Ins-Leben-Geworfen-Sein müsse man etwas entgegensetzen, das größer sei als man selbst, sagt Ulrich Tukur, der manchmal zum melancholischen Philosophieren neigt.

In dieser Dokumentation erzählt er, wie und warum er Schauspieler wurde, und dass Kunst und Kreativität seine Überlebensmittel sind.
Ulrich Tukur wurde am 29. Juli 1957 im hessischen Viernheim geboren. Nach einem abgebrochenen Studium landete er an der Stuttgarter Schauspielschule, wo er als der Schlechteste seines Jahrgangs galt. Kurz darauf feierte man ihn als größtes schauspielerisches Talent seit Gründgens – als er in Peter Zadeks legendärer "Ghetto"- Inszenierung an der Freien Volksbühne Berlin in der Rolle des SS-Sturmbannführers Kittel zu sehen war.

Er spielte Hamlet und Peer Gynt, wurde Protagonist am Hamburger Schauspielhaus, aber ebenso spielfreudig sieht man ihn als Mackie Messer auf der kleinen Bühne des St.-Pauli-Theaters agieren. Als Filmschauspieler wurde er erstmals 1982 von Michael Verhoeven für die Rolle des Willi Graf in "Die weiße Rose" engagiert. Es war der Anfang einer rasanten Filmkarriere, der viele Rollen folgten. Dafür wurde er vielfach mit Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem O.-E.-Hasse-Preis, dem Adolf-Grimme-Preis, der Goldenen Kamera und zuletzt dem Friedenspreis des Deutschen Films.

Für dieses Filmporträt durfte hr-Autorin Stefanie Appel und ihr Kamerateam den Schauspieler über viele Monate hinweg begleiten, und Ulrich Tukur erlaubte ungewöhnlich tiefe Einblicke in sein persönliches und sein künstlerisches Leben: Der Alltag mit seiner Frau in Venedig, wo beide seit einigen Jahren leben; die stillen Tage in seinem Rückzugsdomizil in der Toskana nach wochenlangem beruflichem Stress; auf Tour mit seiner Musiker-Truppe "Rhythmus-Boys".

Die Dokumentation zeigt Tukur bei Dreharbeiten für eine Internationale Filmproduktion, am Set für einen neuen "Tatort", in dem er den Ermittler spielt, und bei Bühnen-Proben an einem Hamburger Theater. Dabei reflektiert Tukur immer wieder über seine persönlichen und beruflichen Ambitionen, erzählt von seiner persönlichen Sicht auf die Kunst, das Leben und den Tod: ein Artist und Genussmensch, ein Komödiant und manchmal auch ein Melancholiker.

Die Autorin sprach mit Theaterkollegen und Jugendfreunden, mit seiner Frau und einer seiner Töchter. In einem seiner letzten Interviews, das Peter Zadek der Autorin kurz vor seinem Tod im vergangenen Jahr gab, äußert sich der "Tukur-Entdecker" noch einmal über das schauspielerische Ausnahmetalent seines einstigen Eleven.

Film von Stefanie Appel

Sendetermin

Mi., 21.07.10 | 22:45 Uhr
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