»Der chilenische Regisseur Christián Leighton kam 2016 zu LOOKSfilm und berichtete uns von seinen Erlebnissen in der Colonia Dignidad: Mehrere Jahre hatte er dort die Siedler gefilmt und dabei auch den Leiter des Filmdepartments der Kolonie, Wolfgang Müller, kennengelernt. Unerwartet stand dieser eines Tages mit einem Mini-Van voller Filmrollen und Tapes vor Cristián Leightons Tür und meinte: "Die Geschichte der Colonia Dignidad muss aufgearbeitet werden. Hier ist das Material." Wir beschlossen, dieses deutsch-chilenische Drama gemeinsam in einer Serie zu erzählen.
Der Materialberg war über Jahre unterirdisch versteckt worden und daher in einem erbärmlichen Zustand, feucht, verschimmelt, kaputt. 400 Stunden Film, 100 zusätzliche Stunden Ton und 9.000 Fotos aus über vier Jahrzehnten mussten entgiftet, repariert, digitalisiert, restauriert, transkribiert und verschlagwortet werden – um daraus eine Geschichte zu erzählen, die so unglaublich wie vielschichtig ist, so grausam wie geheim. Eine Geschichte von Hoffnung auf eine bessere Welt, liebevoller Gemeinschaft und dem Dienst an den Armen, die endet in massenhafter Vergewaltigung, Folter und Mord. Ein Prediger, der sich auf die Bibel beruft, dann aber jedes einzelne Wort von Liebe in der Bibel überklebt; der versucht, jede Regung von Liebe in seiner Kommune zu unterdrücken, indem er Kinder von Eltern, Frauen von Männern trennt und jeglichen Kontakt verbietet; der selber täglich missbraucht und vergewaltigt, mit dem Wissen seiner Gemeinde, der chilenischen, der deutschen und der Weltöffentlichkeit.
Sektenführer Paul Schäfer hat sich gleich einem Diktator kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit 300 Deutschen sein Reich in Chile erschaffen und bald den Diktatoren Pinochet zum Freund gehabt, einen Freund, für den er foltert, mordet, Waffen aus Deutschland besorgt und chemische Kampfstoffe produziert.
In drei Jahren haben über 40 Menschen, die in der Kolonie gelebt haben oder eng mit ihr verbunden waren, ihre Erinnerungen mit uns geteilt. Wir haben mit Siedlern, Geheimdienst- und Justizmitarbeitern, Gefolterten, Geflohenen und Angehörigen der in der Kolonie Verschwundenen gesprochen, teilweise gingen die Interviews über mehrere Tage. Ihre Zeugnisse erzählen aus den unterschiedlichsten Perspektiven über 40 Jahre die Schicksale der Colonia Dignidad. Sie verleihen den filmischen Zeugnissen ihres Lebens, die jahrelang im Archiv der Colonia Dignidad verschwunden waren, ihre Stimme und erzählen auch die Seiten ihres Lebens, die niemand gefilmt hat.
Die Serie ist – über die Geschichte der Colonia Dignidad hinaus – eine Geschichte über uns als Gesellschaft. Sie fragt, warum wir eigentlich nur zusehen, obwohl wir wissen, dass etwas Schreckliches passiert? Warum wir glauben, wenn es sich doch wie eine Lüge anfühlt? Warum wir nicht sofort aufstehen, obwohl doch klar ist, dass wir es müssten?«
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