»Monatelange Recherchen und Gespräche lagen hinter mir, als ich im Herbst 2018 zum ersten Mal mit meinem Team die letzten Kilometer auf einer staubigen Schotterpiste zur "Villa Baviera" fuhr. Die hügelige Landschaft und die gelben Rapsfelder erinnerten mich an das Allgäu, doch Stacheldrähte und Zäune störten das Bild. Das war sie also, die heile Fassade, hinter der Menschen jahrzehntelang Zwangsarbeit leisteten, missbraucht und gefoltert wurden.
Binnen weniger Stunden sprach sich unsere Ankunft unter den 80 Bewohnern der Villa Baviera herum. Während sich uns die junge Generation offen, bereitwillig und hilfsbereit zuwandte, standen uns viele ältere Bewohner misstrauisch oder gar feindselig gegenüber. Schon am ersten Abend im Gasthaus der Villa Baviera wurde ich in Diskussionen mit den ehemaligen Sektenmitgliedern verwickelt. Mir wurde klar, wie schwierig in vielen Fällen die Einteilung in Täter und Opfer ist, und dass die Geschichte einer Gruppe bislang kaum erzählt worden ist, nämlich die der Frauen.
Je länger ich in der Villa Baviera blieb, desto mehr öffneten sich die Menschen. Ich begriff, wie schwer das Gewicht des Erlittenen auf den Schultern der jungen Bewohner lastet und wie schwierig es für sie ist, jahrzehntelang von den deutschen und chilenischen Politikern ignoriert worden zu sein und nun von denselben Menschen mit guten Ratschlägen zur Vergangenheitsbewältigung konfrontiert zu werden. Ihre Probleme und Forderungen bleiben dabei völlig ungehört.
Die Doku-Serie soll mit dem gängigen Klischee der roboterhaften, gesichtslosen Kolonisten brechen und sie als Menschen mit Namen, Gefühlen und Träumen zeigen. Das Genre des Doku-Thrillers, die intensiven und offenen Interviews und die reichhaltigen Archivmaterialien gaben die Möglichkeit, die Welt der Colonia Dignidad für Außenstehende erlebbar und nachfühlbar zu machen. Bewusst wird in der Serie das Filmmaterial roh, so wie es gedreht wurde, gelassen: unscharf, verwackelt, unsicher und brüchig – so wie das Leben in der Kolonie auch war.«
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