Mi., 26.06.19 | 22:55 Uhr
Das Erste
Die Story im Ersten: Lügde – Die Kinder, die keiner schützte
Er lebt auf einem Campingplatz in Lügde-Elbrinxen im Weserbergland. Ein kleiner Ort, man kennt sich, für Freunde ist er der "Addy". Er schart Kinder um sich, macht mit ihnen Ausflüge, gibt Nachhilfe, Schwimmunterricht, kauft ein Pony. Seine einfache Behausung gleicht einem Abenteuerspielplatz, Übernachtungsgäste im Kindesalter willkommen.
Aber immer wieder wird die Parzelle vom Spielplatz zum Tatort. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll der Dauercamper mehr als 20 Kindern jahrelang sexuelle Gewalt angetan haben. Regelmäßig soll er das gefilmt haben, zum Teil als Livestream. Das jüngste Opfer ist drei Jahre alt.
Überzeugende Rolle als hilfsbereiter Nachbar
Doch seine Rolle als hilfsbereiter und kinderlieber Nachbar spielt Andreas V. wohl überzeugend: Vom Jugendamt wird dem arbeitslosen, alleinstehenden Dauercamper ein kleines Mädchen als Pflegetochter zugesprochen. Ihr soll er nicht nur sexuelle Gewalt angetan haben, sondern sie auch als Lockvogel für andere Kinder benutzt haben.
Es gab Hinweise, dass der Mann pädophil sein könnte – sowohl im Jugendamt als auch sehr früh schon an die Polizei. Warum geschah nichts? Und warum reiht sich, als er und zwei weitere Verdächtige endlich angezeigt und festgenommen werden, Polizeifehler an Polizeifehler? Ein Koffer mit Datenträgern verschwindet spurlos. Mehrfach wird die ganze Behausung von Andreas V. durchsucht und immer wieder werden dabei neue Beweismittel entdeckt. Der Innenminister von NRW verspricht lückenlose Aufklärung – doch viele Fragen bleiben offen.
Ermittlungen und Rücktrittsforderungen
Der Prozess gegen Andreas V. und zwei weitere Beschuldigte soll Ende Juni beginnen. Gegen Mitarbeiter von Polizei und Jugendamt wird ermittelt. Der Innenminister steht unter Rechtfertigungsdruck. Er und der Landrat, Chef des zuständigen Jugendamtes in Hameln, werden zum Rücktritt aufgefordert.
Der Tatort auf dem Campingplatz im Weserbergland wurde dem Erdboden gleichgemacht. Die Polizei war nicht immer dabei – der Abrissunternehmer fand in den Trümmern der Behausung von Andreas V. weitere Datenträger.
In der "Story im Ersten" erlebt man die Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen; es kommen Menschen zu Wort, die Andreas V. kannten und vertrauten; einer, der schon früh Verdacht schöpfte und doch nicht gehört wurde; es äußern sich ein Minister, ein Landrat und Anwälte; der Abrissunternehmer; Vertreter von Jugendamt und Polizei – und Menschen, die das Ganze ratlos macht.
Ein Film von Marko Rösseler, Nina Reckemeyer und Britta von der Heide
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