Mehr Plastik als angenommen
Unsere Flüsse und Gewässer sind mit Plastikmüll verschmutzt, das ist bekannt. Jedoch zeigen jüngere Forschungsergebnisse, dass die bis zu 90% höher sein als gedacht.
Ein Forschungsteam um Dr. Daniel Valero am Karlsruher Institut für Technologie hat den Transport von Plastik in Flüssen überprüft. „Aktuelle Daten zeigen, dass etwa 31 Prozent des Kunststoffes, der in die Umwelt gelangt, in Flüssen oder Küstengebieten endet und davon 28 Prozent den Ozean erreicht."
Dr. Daniel Valero Valero, forscht heute am Imperial College London
Meist werde nur schwimmendes Plastik gezählt
Die herkömmliche Art der Plastikbeobachtung in Flüssen würde sich nur auf die Flussoberfläche konzentrieren. Mit anderen Worten: Forscher stellen sich auf eine Brücke und zählen die Kunststoffteilchen an der Wasseroberfläche oder beobachten den Fluss durch Kameraaufnahmen.
Diese Methode übersehe, „dass je nach Plastik und den Strömungsbedingungen es durchaus vorkommen kann, dass sie nur ein Plastikteil entdecken, aber in den Wassersäulen mehrere vorhanden sind. Also, tiefer im Wasser können bis zu 10 Plastikteile sein. Und das sind die 90 Prozent, von denen wir sprechen.
Dr. Daniel Valero Valero, forscht heute am Imperial College London
Plastik zersetzt sich im Wasser
Das Forschungsteam habe sich nur auf große und mit dem Auge klar erkennbare Plastikteile konzentriert, jedoch seien die Flüsse auch durch Mikro- und Nanoplastik verschmutzt. „Die großen Plastikteile, wie diejenigen, die wir untersucht haben, können auch zerfallen, sich in Millionen, sogar Billionen von Mikro- und Nanoplastikteilen auflösen, während sie im Fluss reisen.
Auch Autos tragen zu mehr Mikroplastik in Flüssen bei
Laut Bundesanstalt für Straßenwesen fallen jährlich 100.000 Tonnen Mikroplastik an, der hauptsächlich durch Reifenabrieb entsteht. Die Partikel der Reifen können auch in Gewässern landen. Natalie Orlowski hat bereits vor einigen Jahren mit ihren Studierenden eine Untersuchung am Freiburger Dreisam durchgeführt, wo sie Reifenabrieb in Mikroplastik nachweisen konnten.
Dr. Natalie Orlowski. Professor for Forest Sites and Hydrology, TU Dresden
Wo endet die Reise eines Plastikteilchens im Fluss?
„In gewissem Maße wissen wir nicht vollständig, was passiert, sobald das Plastik in den Fluss gelangt. Viele Leute behaupten, dass Flüsse zu Reservoiren für Kunststoffe werden, sodass viele Kunststoffe, die kontinuierlich in den Fluss gelangen, in der Vegetation hängen bleiben oder sich im Sediment absetzen.
Aber wir wissen auch, dass bei großen Überschwemmungen Kunststoff mobilisiert wird. Die Transportkapazität des Flusses kann sich um das Hundertfache erhöhen und dann können potenziell all diese Kunststoffe, die wir lange Zeit angesammelt haben, plötzlich freigesetzt und in die Ozeane geleitet werden.
Kunststoffe landen letztendlich im Ozean
Einige bleiben aber auch in den Flüssen oder in den Binnenökosystemen. Und dann sammeln sich immer mehr Kunststoffe an. Wir haben Gebiete wie den großen Müllteppich, wo man etwa 100 Kilogramm Kunststoff pro Quadratkilometer finden kann. Also füttern wir diese Gebiete kontinuierlich mit mehr und mehr Kunststoff, weil die Emissionen von Kunststoffen zunehmen,“ so Dr. Daniel Valero.
Besonders gefährlich seien kleine Partikel, da diese längere Transportwege zurücklegen können. „Also ein sehr kleiner Partikel kann viel weiter transportiert werden als ein größeres Teil. Das heißt, da ist das Gefahrpotenzial durch die Transportwege einfach größer, zum Beispiel Reifenabrieb kann auch eben atmosphärisch weiter verteilt werden.
Wie Plastik in der Arktis landete
Das Gefährdungspotenzial liegt eben hauptsächlich darin, dass Plastikpartikel sich zerkleinern zu Mikroplastik und dadurch eben die Transportwege sich vergrößern können und die Transportwege eben auch verlängert werden können“, so Orlowski
Eine Gefährdung für Mensch und Umwelt
Dr. Natalie Orlowski warnt, dass Mikroplastikpartikel sowohl über tierische als auch pflanzliche Aufnahme in die Nahrungskette gelangen können. Es wurde nachgewiesen, dass Pflanzen zum Beispiel Nanopartikel aufnehmen können, die wir dann unter Umständen auch verzehren.
Mikroplastik verändert auch die Eigenschaften von Ökosystemen, beispielsweise Bodenfunktionen. Die Böden dienen hauptsächlich als Filter, wenn wir an Trinkwassergewinnung denken“, erklärt Orlowski.
Ein Lösungsansatz: Reduce, Reuse und Recycle
Experten sind sich einig: Plastikkonsum reduzieren und vermehrt auf Mehrwegprodukte greifen. Daher schlägt Daniel Valero eine Methode aus drei Stufen vor: „Ich denke, es gibt drei Dinge, die wir tun können. Erstens, den Einsatz von Kunststoffen oder Abfall reduzieren - Reduce. Je weniger wir verwenden, desto weniger wird schlecht verwaltet und landet möglicherweise in der Umwelt.
Dann die Wiederverwendung - Reuse. Anstatt neue Dinge zu kaufen, können wir Dinge, die wir bereits haben, verwenden, was auch die Menge an Kunststoff oder Abfall reduzieren, den wir produzieren. Und wenn nicht, dann zumindest recyceln - Recycle. Aber es sollte in dieser Reihenfolge sein: Reduzieren, Wiederverwenden und dann Recyclen.“