Zur Rolle der Einsatzkräfte
Das Polizeidesaster
Aus heutiger Sicht muten die Pannen und Fehler beim Polizeieinsatz in München und Fürstenfeldbruck teilweise grotesk an: verkleidete Polizisten mit Trainingsanzügen und Weltkriegs-Stahlhelmen, die unbeabsichtigte Live-Übertragung der Polizeiaktionen ins Apartment der Geiselnehmer, Fehler bei der Übermittlung der Zahl der Terroristen und dilettantische Versuche, sie zu überwältigen. Hätte das Blutbad verhindert werden können, wenn Politik und Polizei professioneller gehandelt hätten?
Der Zeit- und Entscheidungsdruck auf die deutschen Sicherheitsbehörden war groß, eine Blaupause, wie einem solchen Anschlag zu begegnen sei, gab es nicht. 1972 existierten in Deutschland keine zu Antiterroraktionen fähigen Spezialkommandos.
Der Einsatz der Bundeswehr war laut Grundgesetz ausgeschlossen. Gerüchte, dass eine "Stay-Behind"-Kampfeinheit des Bundesnachrichtendienstes einsatzbereit war, aber nicht angefordert wurde, sind nicht zu erhärten. Auch die Frage, wie weit das Einfliegen der israelischen Antiterroreinheit "Sayeret Matkal" erwogen wurde, ist bis heute umstritten. Verantwortliche wie Bundesinnenminister Genscher haben stets verneint, dass ein solches Angebot der Israelis vorlag. Vertreter des israelischen Geheimdienstes behaupten dagegen, es sei von den Deutschen abgelehnt worden.
In dieser prekären Lage bildete man keine Befehlskette, sondern konsensbeflissen einen Krisenstab aus Politikern, Polizeibeamten und Sportfunktionären. Das Schicksal der israelischen Sportler lag in den Händen der Münchner Stadtpolizei und von Männern, die mit Geiselbefreiungen keinerlei Erfahrungen besaßen.
Das Polizeidesaster von München legte die Lücken in der Sicherheitsarchitektur des Landes bloß. Auffälligste Reaktion war die Gründung der Spezialeinheit GSG 9 wenige Wochen danach. Auch der föderale Polizeiapparat war an seine Grenzen gestoßen. So wurden in Bayern bald sämtliche Stadtpolizeien von der Landespolizei übernommen.