Faktencheck zur Sendung vom 13.04.2025

Bei „Caren Miosga“ finden lebhafte Diskussionen statt, in denen die Gäste oft in schneller Abfolge verschiedenste Argumente, Statistiken und Zitate heranziehen. Es bleibt in einer Live-Talkshow nicht immer die Zeit und Möglichkeit, alle Wortbeiträge und Sachverhalte umfassend und abschließend zu klären. Die Redaktion bietet daher an dieser Stelle einen Faktencheck. Dieser dient nicht allein der Prüfung der Aussagen, sondern soll auch Hintergrundinformationen, aktuelle Entwicklungen und zusätzliche Perspektiven vermitteln.
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Schuldenbremse
Friedrich Merz sagte in der Sendung (in Minute 9:15):
„Was wir mit der Schuldenbremse, was wir mit den Verteidigungsausgaben machen, das ist auch den Umständen geschuldet gewesen. Wir haben das noch mit dem alten Bundestag entschieden, das hätten wir mit dem neuen Bundestag nicht hinbekommen. Das Verfassungsgericht hat uns auf ganzer Linie bestätigt, dass das möglich war, dass das auch unserem Grundgesetz entspricht.“
Wie hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt?
Das Bundesverfassungsgericht hat am 13. März entscheiden, dass es verfassungskonform ist, die Schuldenbremsenregelung noch mit dem bisherigen Bundestag zu ändern. Mehrere Abgeordnete von Linken, FDP und BSW sowie die Fraktion der AfD hatten die Sondersitzung des 20. Bundestages verhindern wollen und jeweils einzelne Eilanträge in Karlsruhe gestellt. Sie kritisierten unter anderem das beschleunigte Gesetzgebungsverfahren und die damit verbundene unzureichende Beratungszeit für die Abgeordneten. Das Gericht wies die Anträge zurück und argumentierte, dass die geplanten Änderungen des Grundgesetzes durch den alten Bundestag in seiner bisherigen Zusammensetzung weder das Demokratieprinzip noch die Rechte der Abgeordneten verletzen würden. Die Richterinnen und Richter verwiesen auf Artikel 39 des Grundgesetzes, wonach der bisherige Bundestag handlungsfähig bleibt, bis sich der neue Bundestag konstituiert hat.
Wörtlich heißt es dazu im Grundgesetz: „Die Wahlperiode des Bundestages endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages“ (Art 39). Bis zur ersten Sitzung des neuen Bundestages habe der bisherige dementsprechend noch alle Kompetenzen. Dies gelte auch dann, wenn der Bundestag vorzeitig aufgelöst wurde.
Des Weiteren heißt es in der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes: „Erginge eine einstweilige Anordnung und bliebe den Anträgen in der Hauptsache der Erfolg versagt, käme es zu einem erheblichen Eingriff in die Autonomie des Parlaments und damit in die originäre Zuständigkeit eines anderen obersten Verfassungsorgans. Hiervon ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich abzusehen“ (Bundesverfassungsgericht, 13. März 2025).
Die Reform der Schuldenbremse war am 18. März 2025 vom alten Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen worden. Diese Abstimmung im Bundestag in seiner bisherigen Zusammensetzung war aus Sicht von Union und SPD notwendig, da im neu gewählten Parlament eine Sperrminorität durch AfD und Linke existiert, die solche Änderungen blockieren könnten.
Weitere Informationen zum Thema auf tagesschau.de
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Zurückweisungen an den Grenzen
Friedrich Merz sagte in der Sendung (Minute 18:31):
„Im Oktober 2017 hat es aus dem Innenministerium und aus dem Justizministerium einen entsprechenden Vermerk gegeben, das zu tun, was wir jetzt im Koalitionsvertrag verabredet haben, nämlich Zurückweisungen. Und das ist damals vom Kanzleramt harsch abgelehnt worden (…) Horst Seehofer hat es damals gewollt, er war Innenminister, ich kann Ihnen sogar das Datum sagen: Es war ein Vermerk vom 15.Oktober 2017, da stand genau das drin und das Kanzleramt hat es abgelehnt. Ich freue mich, wenn Angela Merkel das aus der Rückschau etwas positiver sieht als es tatsächlich war.“
Wir stellen fest: Horst Seehofer war erst ab dem 14.März 2018 Bundesinnenminister im Kabinett Merkel IV.
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Abschreibungen und Körperschaftssteuer
Friedrich Merz sagte in der Sendung (bei Minute 24:57)
„Ich will mal zur Steuerpolitik sagen: 3 x 30 Prozent Abschreibungen auf Investitionsgüter hat es in Deutschland noch nie gegeben. Sie können in Deutschland in den nächsten drei Jahren in einem Umfang steuerbegünstigt investieren, wie wir es noch nie gehabt haben und dann danach geht die Körperschaftssteuer schrittweise auf 10 Prozent runter. Das Wichtigste vor allem für die Unternehmen jetzt ist, dass wir jetzt Verlässlichkeit schaffen. Wir werden es auch für die Personengesellschaften, also für den Mittelstand gut machen.“
Hat es Abschreibungen in dieser Höhe tatsächlich noch nie gegeben?
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher hat unserer Redaktion auf Anfrage bestätigt, dass es Abschreibungen in dieser Größenordnung noch nie gegeben hat. Unternehmen hätten zwar immer wieder die Möglichkeit schneller Abschreibungen bekommen, in einer Höhe von 30 Prozent allerdings bisher nicht. Auch Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln erklärt auf Anfrage unserer Redaktion, dass es Abschreibungen in Höhe von 30 Prozent bisher nicht gegeben habe. Zwar habe es auch in den vergangenen Jahren bereits Abschreibungen gegeben, der Satz sei aber jetzt höher. Die Frage sei allerdings noch, worauf sich die 30 Prozent beziehen würden. Im Koalitionsvertrag steht dazu auf Seite 45: „Wir werden einen Investitions-Booster in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 Prozent in den Jahren 2025, 2026 und 2027 einführen.“ Für Tobias Henze wird an dieser Stelle nicht deutlich, ob tatsächlich jedes Jahr 30 Prozent abgeschrieben werden dürfen oder ob der Satz in den Folgejahren sinken wird. Der Koalitionsvertrag lasse das seiner Meinung nach noch offen.
Soll die Körperschaftssteuer auf 10 Prozent gesenkt werden?
Im Wahlkampf hatte Friedrich Merz eine „große Steuerreform“ versprochen und unter anderem geplant, die Unternehmenssteuer bis zum Jahr 2029 auf 25 Prozent abzusenken. Jetzt wird es ab 2028 eine schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer um jeweils 1 Prozent geben. Im Koalitionsvertrag steht dazu auf Seite 45 wörtlich: „Wir werden die Körperschaftssteuer in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt senken, beginnend mit dem 1.1.2028. Beiden Entscheidungen werden in einem Gesetzgebungsverfahren gemeinsam beschlossen.“ Die Körperschaftssteuer wird in Deutschland auf das Einkommen juristischer Personen mit einem Steuersatz von 15 Prozent erhoben (bundesfinanzministerium.de). Bei einer Senkung in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt würde die Körperschaftssteuer den Plänen zufolge 2032 auf 10 Prozent sinken. Die effektive Belastung ist allerdings noch höher. Kapitalgesellschaften müssen in Deutschland neben der Körperschaftssteuer zusätzlich auch noch den Solidaritätszuschlag und die Gewerbesteuer zahlen. Der kombinierte Körperschaftssteuersatz lag 2024 bei 29,39 Prozent und damit über dem OECD-Durchschnitt von 23,6 Prozent (Statista, 17.2.25).
In Minute 26:26 sagte Friedrich Merz:
„Das, was wir machen, ist wirklich eine große Unternehmenssteuerreform. Mit den Abschreibungen zuerst, dann die Absenkung der Körperschaftssteuer, dann die Einbeziehung der Personengesellschaften in die Körperschaftssteuer, automatisch in die Körperschaftssteuer mit einer Option zurück, wenn sie es unbedingt wollen. Damit werden die Personengesellschaften in Deutschland so stark entlastet, wie nie zuvor.“
Werden Personengesellschaften tatsächlich so entlastet wie noch nie?
Sollten die Pläne zur Körperschaftssteuer tatsächlich so umgesetzt werden, wie es im Koalitionsvertrag steht, würde Deutschland nach Ansicht von Marcel Fratzscher einen der niedrigsten Sätze seit dem Zweiten Weltkrieg bekommen. Die kombinierte Körperschaftssteuer liege bei knapp unter 30 Prozent, abzüglich der geplanten 5-Prozent-Senkung lande man am Ende bei 25 Prozent und das wäre der niedrigste Satz. Tobias Hentze weist darauf hin, dass die Steuersätze für Kapitalgesellschaften vor 15/20 Jahren noch viel höher als heute gewesen seien. Mit Hilfe der geplanten Maßnahmen könnten die Sätze auf 25 Prozent gesenkt werden: „So eine niedrige Besteuerung für Kapitalgesellschaften hätten wir dann noch nie in Deutschland gehabt.“ Das liege aber auch am internationalen Wettbewerb. Nach Ansicht von Hentze würde Deutschland mit diesem Schritt anderen Ländern folgen, die in diesem Bereich bereits viel mehr gemacht hätten.
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Gebäudeenergiegesetz
Friedrich Merz sagte in der Sendung (Minute 38:59 - 39:17):
„Wir werden dann auch Stück für Stück, wenn wir das Heizungsgesetz abgeschafft haben, und ein vernünftiges Gebäudeenergiegesetz gemacht haben, auch dafür sorgen, dass es entsprechende Förderungen gibt für den Umbau von Heizungen. Wir werden es aber nicht mehr so machen, wie das Robert Habeck gemacht hat, mit dem Zwang jetzt überall die Wärmepumpe einzubauen.“
Gab es mit der GEG-Reform einen Zwang zum Einbau einer Wärmepumpe?
Das Ziel des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ist der Umstieg auf klimafreundliche Heizungen. Demnach dürfen seit dem 1. Januar 2024 in Neubauten innerhalb von Neubaugebieten nur Heizungen installiert werden, die auf 65 Prozent erneuerbaren Energien basieren. Bestehende Heizungen können weiter betrieben werden. Sollte eine Gas- oder Ölheizung kaputtgehen, darf sie repariert werden. Sollte sie irreparabel defekt sein, gibt es Übergangslösungen und mehrjährige Übergangsfristen. In Härtefällen können Eigentümer von der Pflicht zum Heizen mit Erneuerbaren Energien befreit werden.
Hauseigentümer, Vermietende, Unternehmen, gemeinnützige Vereine und Kommunen, die alte fossile Heizungen austauschen, werden vom Staat finanziell unterstützt. Wer eine Heizung mit 65 Prozent erneuerbarer Energie einbaut, hat neben der elektrischen Wärmepumpe verschiedene technologische Möglichkeiten. Unter anderem: Anschluss an ein Wärmenetz, Hybridheizung (Kombination aus hauptsächlich Erneuerbaren Energien plus anteilig Gas- oder Ölheizung), Heizung auf der Basis von Solarthermie, wenn sie den Wärmebedarf vollständig deckt, und unter bestimmten Bedingungen sogenannte „H2-Ready“-Gasheizungen (Heizungen, die auf 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar sind) sowie Biomasseheizung, eine Gasheizung, die nachweislich erneuerbare Gase nutzt. (bundesregierung.de, 27.8.24)
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Adoptionsrecht und Abstammungsrechts
Caren Miosga fragte in der Sendung (in Minute 47:27)
„Können homosexuelle Ehepaare also damit rechnen, unter einem Kanzler Merz beim Adoptionsrecht gleichgestellt zu werden
Die Thematik und die Fragestellung in der Sendung betrifft zwei Aspekte, das Adoptionsrecht und das Abstammungsrecht.
Seit dem 1. Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland Kinder adoptieren, sofern sie die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie verschiedengeschlechtliche Paare. Dennoch sind sie nicht in allen Aspekten vollkommen gleichgestellt.
Das Abstammungsrecht bestimmt, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind und ist – anders als das Adoptionsrecht – nach Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe 2017 nicht angepasst worden. Es sieht bisher keine gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare vor. Nach derzeit geltender Rechtslage ist daher für gleichgeschlechtliche Eheleute und eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner zur Erlangung gemeinsamer rechtlicher Elternschaft stets eine (Stiefkind-)Adoption erforderlich.
Stand: 16.04.2025