So., 08.12.24 | 21:55 Uhr
Das Erste
1000 Tage Krieg gegen die Ukraine – wird jetzt verhandelt?
Seit mehr als 1000 Tagen führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zuletzt hat der Druck an der Front deutlich zugenommen, Russland vermeldet militärische Fortschritte und greift im ganzen Land weiter die zivile Infrastruktur an. Anfang dieser Woche besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) überraschend die ukrainische Hauptstadt Kiew und verkündete Details zu einem Waffenpaket, das bis Ende des Jahres an die Ukraine geliefert werden soll.
Wie groß ist der Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, jetzt in Verhandlungen einzusteigen? Ist Putin dazu überhaupt bereit und zu welchen Bedingungen? Welche Rolle wird der künftige US-Präsident Donald Trump dabei spielen? Und wäre Deutschland bereit, zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstandes Soldaten in die Ukraine zu schicken?
Armin Laschet
Als überzeugter Europäer entwickelte sich der NRW-Ministerpräsident a. D. zunehmend zum Außenpolitiker. Seit 2023 ist der CDU-Politiker Vorsitzender des Abraham Accords Institute, welches versucht die Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn in der Region zu verbessern. Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag spricht sich Laschet klar für die Unterstützung der Ukraine aus und befürwortet das außenpolitische Agieren des Bundeskanzlers: „Ich hätte manches gemacht wie er. Er hat immer darauf geachtet, Deutschland nicht in den Krieg zu ziehen.“ Mit Blick auf Verhandlungen hält Laschet einen Waffenstillstand entlang der aktuellen Frontlinie für eine „nicht unwahrscheinliche Lösung“.
Claudia Major
Die Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin konzentriert sich in ihrer Forschungs- und Beratungstätigkeit auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas. Major äußert Zweifel, ob aktuell ein Zeitfenster für Verhandlungen im Ukraine-Krieg bestehe. Denn Frieden hieße für sie, dass Putin seine Ziele verändert hat, was weder seine öffentlichen Äußerungen noch Taten erkennen ließen. Sie plädiert für eine einheitliche europäische Strategie zur Unterstützung der Ukraine, um die europäischen Werte und Freiheiten zu verteidigen.
Moritz Gathmann
Der freie Journalist und langjährige Russland-Korrespondent berichtet seit mehr als zehn Jahren regelmäßig aus der Ukraine. Insbesondere seit Beginn des russischen Überfalls im Februar 2022 begleitet er die Geschehnisse dort mit Reportagen für den „Stern”. Gathmann sieht keine Chance mehr auf einen militärischen Sieg der Ukraine und Verhandlungen als einzigen Ausweg, um weitere Opfer zu vermeiden. Aus Gesprächen mit Ukrainern berichtet er: „Die Hoffnung darauf, dass nach knapp drei Jahren Krieg zumindest ein Einfrieren des Konflikts, ein sogenannter ‚schlechter Frieden' zustande kommt, ist groß.“ Unabhängig von einem Waffenstillstand müsse Deutschland die Ukraine weiter stark unterstützen, denn ohne westliche Hilfe sei sie laut Gathmann nicht überlebensfähig.