Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 23.01.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Martin Machowecz, Sonja Zekri, Olaf Sundermeyer, Walter Sittler, Tino Chrupalla
Die Gäste (v.l.n.r.): Martin Machowecz, Sonja Zekri, Olaf Sundermeyer, Walter Sittler, Tino Chrupalla | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie finanziert sich das Recherchezentrum Correctiv?
  • Wurde auf einer Demo in Aachen ein Transparent mit der Aufschrift "AfDler töten" gezeigt?
  • Hat die Tagesschau von "Deportationen" gesprochen?

Wie finanziert sich das Recherchezentrum Correctiv?

AfD-Chef Tino Chrupalla äußerte sich in der Sendung zu den Investigativrecherchen von Correctiv über ein Treffen rechtsextremer Aktivisten mit Unternehmern und Politikern, an dem Mitglieder der AfD teilgenommen haben. Chrupalla kritisierte die Recherche und sagte in diesem Zusammenhang, dass Correctiv durch SPD-nahe Stiftungen und Staatsgelder finanziert werde. Sandra Maischberger entgegnete, das Recherchezentrum werde aus vielen unterschiedlichen Bereichen finanziell unterstützt. Wie sich Correctiv genau finanziert, schauen wir uns hier noch einmal näher an.

Correctiv: Wie finanziert sich das Recherchenetzwerk?

Chrupalla: "Es waren keine Journalisten, die das im Übrigen aufgedeckt haben. Das sind für mich ganz klar Aktivisten. Wir wissen, wie sie finanziert werden, auch das sollte man ja vielleicht mal hinterfragen, von SPD-nahen Stiftungen, von Staatsgeldern."

(…)

Maischberger: "Die Finanzierung von Correctiv können wir gerne ins Netz stellen. Das sind sehr viele unterschiedliche [Stiftungen], die Mercator-Stiftung, andere Stiftungen, die überhaupt nichts mit Parteien zu tun haben. Es ist tatsächlich vom BKM auch ein Beitrag dabei. Es sind Privatspenden. Können Sie gerne bei uns im Faktencheck dann nachlesen."

Hintergrund: Wie finanziert sich das Recherchezentrum Correctiv?

Correctiv ist im Handelsregister Essen als gemeinnützige GmbH eingetragen und finanziert sich nach eigenen Angaben aus drei verschiedenen Säulen: Private Spenden, institutionelle Unterstützung (z.B. durch Stiftungen) sowie eigene Einnahmen (z.B. durch den Verkauf von Büchern). Eine Liste über die erhaltenen Zuwendungen veröffentlicht Correctiv jährlich auf seiner Website.

Im Jahr 2023 machten Spenden von Unterstützerinnen und Unterstützern mit knapp 1,9 Millionen Euro den größten Teil aus. Etwas mehr als 660.000 Euro kamen zudem von der Stiftung Luminate, die weltweit Projekte zur Stärkung der Demokratie unterstützt und in London, Washington und Nairobi ansässig ist.

Zuwendungen in Höhe von 431.059,85 Euro erhielt Correctiv von der Bundeskasse, sowie 145.338 Euro von der Landeshauptkasse NRW. Dies sind in der Tat staatliche Gelder, die aus unterschiedlichen öffentlichen Töpfen an Correctiv geflossen sind.

Correctiv erklärt auf seiner Website jedoch ausdrücklich, dass staatliche Förderungen ausschließlich zur Finanzierung "klar abgegrenzter Projekte" eingesetzt werden. Diese Projekte beziehen sich vor allem auf den Bereich Medienbildung und den strukturellen Ausbau des Journalismus. Beispielsweise habe die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) verschiedene von Correctiv organisierte Workshop-Reihen gefördert. Gelder der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei seien für die Entwicklung einer Software für Community-basierten Journalismus sowie zum Aufbau der Correctiv-Jugendredaktion Salon 5 eingesetzt worden. Staatliche Fördergelder für investigative Recherchen, Faktenchecks oder die inhaltliche redaktionelle Arbeit im Allgemeinen nehme man ausdrücklich nicht an, betont Correctiv. In den hauseigenen Redaktionsstatuten wird festgestellt: "Geldgeberinnen und Geldgeber haben ausnahmslos keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte, Recherchen oder jedwede anderen Entscheidungen der CORRECTIV-Redaktion und ihrer Autorinnen und Autoren."

Diese grundsätzliche Trennung zwischen den inhaltlichen und strukturellen Aspekten bestätigt uns auf Nachfrage auch ein Sprecher der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (B’90/Grüne). 2022 unterstützte ihr Haus ein Correctiv-Projekt zur Vernetzung und Weiterbildung von Lokaljournalisten in Höhe von einmalig 198.500 Euro. Solche Fördermittel seien streng projektbezogen, betont der Sprecher der Staatsministerin. "Eine Förderung journalistischer Inhalte, egal welcher Art, ist explizit ausgeschlossen. Die hier geförderte wichtige Weiterbildungsarbeit von Correctiv im journalistischen Bereich ist streng zu unterscheiden von der (ausdrücklich nicht geförderten!) investigativen Recherche- und Publikationstätigkeit von Correctiv." Die Bundesregierung finanziere grundsätzlich keine journalistischen Inhalte der unabhängigen Presse. Dies gebiete allein schon der Respekt vor der verfassungsrechtlich verankerten Pressefreiheit.

Unter den Correctiv-Unterstützern finden sich darüber hinaus zahlreiche nicht-staatliche Stiftungen ohne spezielle Parteinähe: Schöpflin Stiftung (Fördersumme: 286.000 Euro), Mercator Stiftung (140.000 Euro), Ebelin und Gerd Bucerius Stiftung (50.000 Euro), Buhck Stiftung (16.980 Euro), Madsack Stiftung (15.000 Euro) und Alfred Toepfer Stiftung (12.500 Euro). 

Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die dem Bundesfamilienministerium, Bundesinnenministerium und dem Bundeslandwirtschaftsministerium untersteht, förderte Correctiv im Jahr 2023 mit 98.100,80 Euro.

Die gesamte Liste der Zuwendungen, die Correctiv im Jahr 2023 erhalten hat, kann hier eingesehen werden.

Fazit: Das Recherchezentrum Correctiv ist als gemeinnützige GmbH eingetragen und finanziert sich zu großen Teilen aus privaten Spenden und institutionellen Zuwendungen, z.B. durch Stiftungen. Correctiv erhält auch staatliche Förderungen, die aber projektbezogen eingesetzt werden müssen. In der Vergangenheit wurden z.B. Correctiv-Projekte im Bereich Medienbildung oder zum strukturellen Ausbau des Lokaljournalismus durch öffentliche Gelder unterstützt. Investigativrecherchen oder sonstige redaktionelle Inhalte werden aber ausdrücklich nicht von staatlicher Seite gefördert.

Wurde auf einer Demo in Aachen ein Transparent mit der Aufschrift "AfDler töten" gezeigt?

AfD-Chef Tino Chrupalla kritisierte in der Sendung die Demonstrationen gegen seine Partei, die zuletzt in verschiedenen deutschen Städten stattgefunden haben. In Aachen sei auf einer solchen Demonstration ein Transparent mit der Aufschrift "AfDler töten" zu sehen gewesen.

Nach Antifa-Demo in Aachen: Ermittelt der Staatsanwalt wegen eines Plakats?

Chrupalla: "Ich hab’s gesehen, ich hab’s in eigenen Bildern gesehen, und habe natürlich auch Aufrufe zur Gewalt gesehen. Auch Aufrufe zum Beispiel wie in Aachen, wo man mit Transparenten vorab gegangen ist 'AfDler töten'. Und ich denke, das sollte eigentlich so bei Demonstrationen nicht der Fall sein."

Maischberger: "Absolut nicht."

Chrupalla: "Und das sollte auch juristisch geahndet werden."

Maischberger: "Haben wir nicht gesehen, können wir nachreichen."

Stimmt das? Wurde auf einer Demo in Aachen ein Transparent mit der Aufschrift "AfDler töten" gezeigt?

Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft Aachen die Ermittlungen aufgenommen, nachdem auf einer Antifa-Demo am vergangenen Samstag (20.1.2024) ein Plakat mit der Aufschrift "AfDler töten. Nazis abschieben!" gezeigt wurde. Wie der Oberstaatsanwalt Georg Blank am Dienstag (23.1.2024) der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, besteht der Anfangsverdacht einer Straftat, nämlich des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten. Die Ermittlungen richteten sich zunächst noch gegen Unbekannt. Mehrere Personen hätten das Plakat offenbar hochgehalten.

Zu der Demonstration, die am Samstagnachmittag in der Aachener Innenstadt stattfand, waren ursprünglich 150 Teilnehmer angemeldet gewesen. Letztendlich versammelten sich aber etwa 10.000 Menschen, wie die Aachener Zeitung unter Bezugnahme auf die örtliche Polizei berichtete. Zur Demo aufgerufen hatte die "Antifa Jugend Aachen".

Im Anschluss seien laut Polizei mehrere Anzeigen wegen des Plakats eingegangen, sodass die Staatsanwaltschaft aktiv wurde.

Ein Sprecher der Antifa-Jugend sagte gegenüber der Aachener Zeitung, die Formulierung "AfDler töten" sei nicht als "Appell zur Gewalt", sondern als "Feststellung" gemeint gewesen. In einer anschließenden schriftlichen Stellungnahme hieß es, man sähe in der Aussage des Banners "eine reale Bedrohung, ausgehend von AfD-Anhängern und ihren Gleichgesinnten." Gewalt und andere kriminelle Handlungen lehne die Antifa ab.

Weitere Erkenntnisse aus der staatsanwaltlichen Ermittlung stehen noch aus.

Fazit: Tatsächlich wurde auf einer Demo in Aachen am vergangenen Samstag (20.1.2024) ein Plakat mit der Aufschrift "AfDler töten" gezeigt. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts zum Aufruf von Straftaten aufgenommen. Derzeit wird noch gegen Unbekannt ermittelt. Veranstalter der Demonstration, an der etwa 10.000 Menschen teilnahmen, ist die "Antifa Jugend Aachen". Ihre Stellungnahme zum Vorgang kann aus Sicht der Redaktion nicht deutlich machen, wie der Inhalt dieses Plakates gerechtfertigt werden soll.

Hat die Tagesschau von "Deportationen" gesprochen?

AfD-Chef Tino Chrupalla kritisierte in der Sendung die öffentliche Berichterstattung über das vom Recherchenetzwerk Correctiv offengelegte Treffen rechtsextremer Aktivisten mit AfD-Mitgliedern. Chrupalla sagte, in der Tagesschau vom 22.1.2024 sei von "Deportationen" gesprochen worden. Dieser Begriff sei nicht angemessen, so Chrupalla, denn er sei auf dem Treffen so nicht verwandt worden.

Nach Correctiv-Recherchen: Sprach die Tagesschau von "Deportationen"?

Chrupalla: "Ich habe gestern die Tagesschau mir angeguckt. Und da wird in den Tagesschau-Nachrichten von Deportationen gesprochen. Und dieses Wort ist mit den Beteiligten, mit denen ich dort gesprochen habe, nicht ein einziges Mal gefallen. Und das finde ich ein Stück weit eine Lüge der Tagesschau, dass man hier dieses Treffen mit Deportationen gleichsetzt und dieses Wort auch noch benutzt."

Maischberger: "Gut, wie würden Sie es denn nennen, wenn man darüber redet, dass man millionenfach Menschen aus diesem Land bringt, in drei Gruppen. Das eine sind Asylbewerber, das andere sind Ausländer mit Bleiberecht, und dann – die schwierigste Gruppe – nichtassimilierte Staatsbürger. Letztere sind 'das größte Problem', das ist so gefallen, sagt dieses Recherchenetzwerk. Es wird gesprochen von einem Musterstaat in Nordafrika, wo 2 Millionen Menschen untergebracht werden können. Und bis dahin muss man mit 'hohem Anpassungsdruck', mit 'maßgeschneiderten Gesetzen' dafür sorgen, dass die Menschen verschwinden."

Stimmt das? Hat die Tagesschau von "Deportationen" gesprochen?

Die Tagesschau berichtete am 22.1.2024 über die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, die am zurückliegenden Wochenende in vielen deutschen Städten stattfanden. Als Grund für die Proteste wurden in der Tagesschau-Moderation die Investigativrecherchen von Correctiv angeführt. In der Tagesschau-Ausgabe um 17:00 Uhr hieß es in der Anmoderation zum Filmbeitrag wörtlich:

"Die Berichte über Deportationspläne, die auf einem Treffen mit AfD-Politikern besprochen worden sein sollen, haben Hunderttausende mobilisiert."

Die Tagesschau-Moderation bezieht sich auf "Berichte über Deportationspläne" und diese Berichte, so der Text in der Tagesschau, waren Ausgangspunkt für die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Das Recherchenetzwerk Correctiv, das zuerst über das Potsdamer Treffen berichtete, spricht in seinem Text nicht wörtlich von "Deportationsplänen". Es wird jedoch der Gedanke formuliert, dass der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner mit seinen Plänen möglicherweise dem Vorbild der NS-Deportationspläne folgen wollen könnte: "Was Sellner entwirft, erinnert an eine alte Idee: 1940 planten die Nationalsozialisten, vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Unklar ist, ob Sellner die historische Parallele im Kopf hat", heißt es im Correctiv-Text. In der medialen Berichterstattung, die sich an die Correctiv-Recherche anschloss, wird der Begriff "Deportation" häufig gebraucht.

Die Tagesschau-Moderation übernimmt aber nicht den Gedanken der "Deportation", sondern weist distanzierend aus, dass in diesem Sinne auf dem Treffen gesprochen "worden sein soll".

Der Begriff "Deportation" beschreibt die zwangsweise Aus- oder Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen und ist ein aus zahlreichen historischen Kontexten belasteter Begriff. Weiterführende Hintergrundinformationen dazu finden Sie hier.

Völkerrechtlich gelten Deportationen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bzw. Kriegsverbrechen.

Eine Umsetzung der Pläne, die auf dem von Correctiv aufgedeckten Treffen diskutiert worden sein sollen, insbesondere die massenhafte Ausweisung von Ausländern mit Bleiberecht und "nicht assimilierten Staatsbürgern", widerspräche dem Grundgesetz.

Es ist für die Redaktion nicht nachprüfbar, ob die Darstellung von Tino Chrupalla korrekt ist, dass auf dem Treffen keine Rede von dem Gedanken der Deportation gewesen sein soll, oder ob die Darstellung von Correctiv korrekt ist, dass Gedanken, die einer Deportation gleichkommen, dort diskutiert worden sein sollen.

Nachfolgend zum Treffen, über das Correctiv berichtete, wurde aber auch direkt aus der AfD bestätigt, dass dieses Gedankengut in der Partei vorhanden ist. René Springer, Bundestagsabgeordneter der AfD, schreibt am 10.1.24 in seinem Post auf X: "Wir wollen Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen."

Schon die hier angeführte Größenordnung zeigt, dass es nicht nur um Ausländer ohne Aufenthaltsrecht geht, die nach bereits bestehendem Recht abgeschoben werden sollen – das betrifft nach Zahlen des Statistischen Bundesamts vom 31.12.2022 ca. 700.000 Menschen. Die Größenordnung "Millionenfach" legt nahe, dass auch Ausländer mit Aufenthaltsrecht gegen ihren Willen außer Landes gebracht werden sollen.

In einem solchen Zusammenhang ist die Anwendung von Begriffen aus der Wortfamilie "Deportation" nicht falsch.

Fazit: In der Tagesschau-Sendung vom 22.1.2024 um 17:00 Uhr wurde in der Anmoderation zu einem Filmbeitrag im Zusammenhang mit den Correctiv-Recherchen tatsächlich von "Deportationsplänen" gesprochen, die auf dem Treffen in Potsdam diskutiert worden sein sollen. Die Tagesschau-Moderation bezieht sich dabei aber nachvollziehbar auf den Bericht der Correctiv-Recherche und weist weiter distanzierend aus, dass in diesem Sinne auf dem Treffen gesprochen "worden sein soll". Grundsätzlich ist in einem Zusammenhang, in dem z.B. davon die Rede ist, dass "millionenfach" Menschen außer Landes gebracht werden sollen, die Anwendung eines Begriffs aus der Wortfamilie "Deportation" nicht falsch.

Stand: 24.01.2024

Autor: Tim Berressem