Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 04.09.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Lars Sänger, Melanie Amann, Ulrich Wickert, Armin Laschet, Kevin Kühnert
Die Gäste (v.l.n.r.): Lars Sänger, Melanie Amann, Ulrich Wickert, Armin Laschet, Kevin Kühnert | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Welchen Einfluss hatte das BSW auf das AfD-Ergebnis bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen?

Welchen Einfluss hatte das BSW auf das AfD-Ergebnis bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen?

Die Co-Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Amira Mohamed Ali, äußerte sich in der Sendung zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Sie sagte, dass ihre Partei dazu beigetragen habe, die Zustimmung der AfD in diesen Bundesländern zu abzuschwächen. Dabei bezog sie sich auf unterschiedliche Statistiken, die wir uns hier noch einmal näher anschauen wollen.

Erste Landtagswahlen für Wagenknecht-Partei: Wie groß war der Effekt auf das AfD-Ergebnis? | Video verfügbar bis 04.09.2025

Maischberger: "Frau Mohamed Ali, Sie haben den BSW gegründet und Sie haben gesagt – auch mit Blick auf die Wahlen, die jetzt eben gerade waren –, dass sozusagen auch ein Ziel ist eben, die AfD zu schwächen. Wenn man sich jetzt mal die Zuwächse ansieht (…), das BSW hat mehr Zuwächse bekommen eben von der CDU und von der SPD, erst dann kommt die AfD. Am meisten haben Sie natürlich von den Linken bekommen. Und es bleibt festzuhalten, die AfD ist nicht geschwächt, sondern sie hat in beiden Bundesländern noch mal zugelegt. Also sind Sie damit gescheitert, die AfD in irgendeiner Form einzudämmen, haben aber die Linke, Ihre alte Partei, einfach, sage ich jetzt mal, aus dem Rennen geschubst."

Mohamed Ali: "Nein, das sehe ich nicht so. Also tatsächlich ist es ja nun schwierig, die letzten Wahlen zu vergleichen mit jetzt, sondern man muss sich mal angucken, wie die Umfragen waren, bevor das BSW sich gegründet hat. Da war die AfD in Thüringen bei 40 Prozent. Wenn man mal anschaut auch, was Wähler gesagt haben, auch die uns gewählt haben – ein Drittel sagt, wenn es das BSW nicht gäbe, hätten wir sonst die AfD gewählt. Und ich denke, da haben wir einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, das Ergebnis der AfD zu schmälern. Es ist immer noch viel zu hoch, also das Ziel ist nicht erreicht, das ist keine Frage, aber ich glaube, wir haben da einen positiven Beitrag geleistet."

Hintergrund: Welchen Einfluss hatte das BSW auf das AfD-Ergebnis bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich zunächst ein Blick auf die sogenannte Wählerwanderung. Diese statistische Größe zeigt konkret, wie viele der Wähler, die bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2019 für die AfD stimmten, diesmal ihr Kreuz beim BSW gemacht haben. Laut Umfrageinstitut Infratest dimap belief sich diese Zahl bei der diesjährigen Landtagswahl in Thüringen auf 11.000 Wähler. Die mit Abstand meisten Stimmen (84.000) erhielt das BSW, das sich erst im Januar 2024 gründete und somit bei der vorigen Landtagswahl 2019 noch nicht vertreten war, aus dem Lager der Linken. Den zweitgrößten Anteil machen mit 27.000 Stimmen diejenigen Wähler aus, die bei der letzten Wahl überhaupt nicht abgestimmt haben. Dahinter folgen CDU (18.000 Stimmen) und SPD (12.000). Insgesamt betrachtet erhielt das BSW in Thüringen also nur einen relativ kleinen Teil (6,7 Prozent) seiner Gesamtstimmen aus dem Lager der früheren AfD-Wähler. Gleichzeitig ist festzustellen, dass es in Thüringen keiner anderen Partei gelungen ist, frühere AfD-Wähler von sich zu überzeugen.

In Sachsen zeigt sich ein ähnliches Bild, auch wenn das BSW hier mit rund 11 Prozent (23.000 Stimmen) einen größeren Teil seiner Wähler aus dem AfD-Lager beziehen konnte als in Thüringen. Wie auch im Nachbarbundesland kam in Sachsen der größte Teil der BSW-Stimmen (73.000) von früheren Linken-Wählern. Bisherige Nichtwähler machten 45.000 Stimmen aus, gefolgt von ehemaligen CDU-Anhängern (43.000). Auch in Sachsen ist das BSW die einzige Partei, die der AfD Wählerstimmen abnehmen konnte.

Amira Mohamed Ali sagte in der Sendung, dass die Zustimmungswerte der AfD in Thüringen und Sachsen vor der BSW-Gründung zwischenzeitig deutlich höher lagen, als es bei den Wahlen am Ende der Fall war. Das stimmt. Im Juli 2023 erreichte die AfD im sogenannten ThüringenTREND von Infratest dimap 34 Prozent und lag damit mehr als 10 Prozent vor CDU und Linke. In Sachsen kam die AfD im Januar 2024 auf 35 Prozent und wäre so mit großem Abstand stärkste Kraft gewesen. Dass die Gründung des BSW ein Faktor war, der dazu beigetragen hat, dass die AfD bei den beiden Landtagswahlen am Ende weniger stark abgeschnitten hat als in diesen Umfragen, erscheint plausibel. Ein eindeutiger, monokausaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhang lässt sich aber nicht beweisen.

Amira Mohamed Ali sagte außerdem, ein Drittel der BSW-Wähler hätte in einer Umfrage angegeben, dass sie sich für die AfD entschieden hätten, wenn das BSW nicht auf dem Wahlzettel gestanden hätte. Das stimmt. In einer Umfrage von Infratest dimap bejahten 33 Prozent der sächsischen BSW-Wähler die Aussage "Wenn es das BSW nicht gäbe, würde ich derzeit AfD wählen." In Thüringen zeigt sich ein ähnlicher Trend, auch wenn der Anteil hier mit 26 Prozent etwas geringer ist.

Zum Einfluss des BSW auf das Abschneiden der AfD äußerte sich in einem WDR-Interview kürzlich der Politikwissenschaftler Daniel Seikel. Er geht davon aus, dass ohne das BSW der Anteil der AfD wahrscheinlich höher gewesen wäre. "Einerseits, weil das Bündnis Sahra Wagenknecht die einzige Partei war, die der AfD Stimmen abnehmen konnte, und andererseits, weil sich wahrscheinlich auch viele Menschen für das BSW entschieden, die zwar 2019 noch nicht die AfD gewählt haben, es aber zwischenzeitlich vor hatten", so Seikel. Gleichzeitig betont er jedoch, dass es hierzu noch keine konkreten Zahlen gebe.

Fazit: Wie groß der Effekt des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf das Ergebnis der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen war, lässt sich aktuell nicht eindeutig beantworten. Fest steht: Das BSW ist in beiden Bundesländern die einzige Partei, der es gelungen ist, der AfD im Vergleich zu den letzten Wahlen 2019 Wählerstimmen abzunehmen. Und doch machen die Stimmen früherer AfD-Wähler nur einen vergleichsweise geringen Teil am Gesamtergebnis des BSW aus. Die meisten Stimmen kamen in beiden Ländern aus dem Lager ehemaliger Linken-Wähler. Dass das AfD-Ergebnis ohne das BSW höher ausgefallen wäre, erscheint jedoch plausibel, da knapp ein Drittel der BSW-Wähler in Umfragen angibt, man hätte, wenn das BSW nicht zur Wahl gestanden hätte, für die AfD gestimmt. Konkrete wissenschaftliche Erkenntnisse zum Effekt des BSW gibt es bislang aber noch nicht.

Stand: 05.09.2024

Autor: Tim Berressem