Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 25.09.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Wolfram Weimer, Kristina Dunz, René Obermann, Bettina Tietjen
Die Gäste (v.l.n.r.): Wolfram Weimer, Kristina Dunz, René Obermann, Bettina Tietjen | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie erfolgreich sind die Kontrollen an den deutschen Grenzen?

Wie erfolgreich sind die Kontrollen an den deutschen Grenzen?

Wolfram Weimer äußerte sich in der Sendung zu den Kontrollen, die seit kurzem an allen deutschen Landgrenzen durchgeführt werden. Während die Gewerkschaft der Polizei den Erfolg dieser Kontrollen in einer ersten Zwischenbilanz als eher gering einschätzt, seien zahlreiche Innenminister von der Wirksamkeit überzeugt, so Weimer. Er verwies insbesondere auf die Grenzkontrollen während der Fußball-Europameisterschaft, die zu zahlreichen Festnahmen geführt hätten.

Kontrollen an deutschen Grenzen: Wie wirksam sind die verschärften Maßnahmen? | Video verfügbar bis 25.09.2025

Maischberger: "Die Gewerkschaft der Polizei, Herr Weimer, ist das, die eine erste Bilanz nach einer Woche Grenzkontrollen gezogen hat und einfach feststellt, die Aufgriffe von unerlaubten Menschen sowie Schleusern sind relativ gering. Also alles nur 'for show' und am Ende dann Populismus?"

Weimer: "Also, ich habe mich mit mehreren Innenministern der Bundesländer darüber unterhalten, die sehen das anders. Und zwar weil sie schon die Erfahrung der Grenzkontrollen wegen der Europameisterschaft hatten. Und da sind ja hunderte von Haftbefehlen vollstreckt worden, muss man sich mal vorstellen. Also Menschen, die wirklich dringend gesucht wurden, Kriminelle, die sind dort gefunden worden, viele Zurückweisungen und anderes mehr. Also, da waren die Innenminister – egal übrigens, welcher Partei – der Meinung, die Erfahrung aus dieser Europameisterschaft hat dazu geführt – das sollten wir bitte weitermachen, um Sicherheit in Deutschland zu gewährleisten."

Hintergrund: Wie erfolgreich sind die Kontrollen an den deutschen Grenzen?

Seit dem 16.9.2024 werden an sämtlichen deutschen Grenzen Kontrollen durchgeführt, um die Zahl unerlaubt Einreisender einzudämmen. Neu sind die Kontrollen an den Landgrenzen zu Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. An den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz wird schon länger kontrolliert, auch an der Grenze zu Frankreich gab es wegen der Olympischen Spiele bereits Kontrollen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begründete den Schritt mit den zunehmenden Flüchtlingszahlen in Deutschland. In einem Brief an die EU-Kommission beschrieb Faeser das Migrationsgeschehen hierzulande als besorgniserregend, es gebe zu wenige Unterkünfte für die Menschen. Die ohnehin angespannte Situation habe sich weiter verschärft. Mit den Grenzkontrollen wolle man vor allem auch effektiver gegen Schleuserkriminalität vorgehen.

Polizeigewerkschaft zieht ernüchternde Bilanz

Doch wie wirkungsvoll die Kontrollen tatsächlich sind, darüber besteht Uneinigkeit. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zieht nach der ersten Woche eine eher ernüchternde Bilanz. Sie sieht wenige Fortschritte durch die schärferen Maßnahmen. Die Aufgriffe von unerlaubten Menschen sowie Schleusern sei relativ gering, sagte der GdP-Vorsitzende Andreas Roßkopf dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Eine abschreckende Wirkung der Maßnahmen sei bisher ebenfalls nicht zu erkennen. Die Weiterleitungen von Schutz- und Asylsuchenden an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Landesinneren sei weiterhin hoch, so Roßkopf.

Tatsächlich ist die Zahl der Asylanträge nach Einführung der Grenzkontrollen nicht gesunken. In den ersten vier Tagen seien nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 3.626 Asylgesuche gestellt worden. In den gleichen Zeiträumen der beiden Vorwochen waren es 3.581 bzw. 3.063.

Bundespolizeipräsident: Maßnahmen an den Grenzen wirken

Die Bundespolizei zieht eine positivere Zwischenbilanz und verweist auf insgesamt 898 unerlaubte Einreisen, die in den ersten fünf Tagen festgestellt worden seien. 540 Menschen habe man sofort wieder zurückgewiesen. Zudem habe man zehn mutmaßliche Schleuser festgenommen und 114 offene Haftbefehle vollstreckt, heißt es seitens der Bundespolizei. "Dank der guten Arbeit der vielen Beamtinnen und Beamten wirken unsere Maßnahmen an den Grenzen", erklärte Bundespolizeipräsident Dieter Romann.

Auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hält die Kontrollen für wirksam, besonders im Kampf gegen Schleuserkriminalität. "Die Anzahl der Feststellungen ist mit den Kontrollen in die Höhe gegangen", sagte er dem RND. Allerdings brauche es bei Ermittlungen gegen Schleuser-Netzwerke auch starke internationale Zusammenarbeit. "Das kann sehr erfolgreich sein, und gerade die Bundespolizei ist hier sehr aktiv", so Münch weiter.

Wie Wolfram Weimer bereits in der Sendung sagte, befürworten die meisten Innenminister der Bundesländer die Grenzkontrollen. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) etwa wertet die Kontrollen, insbesondere an der Grenze zu Tschechien, schon jetzt als Erfolg. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) begrüßt die Maßnahmen ebenfalls und stützt sich dabei auch auf die Erfahrungen, die man während der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2024 gemacht habe. Im Zeitraum vom 7. Juni bis zum 19. Juli hatten umfassende Grenzkontrollen zur Feststellung von insgesamt 9.172 unerlaubten Einreisen geführt. Von diesen Einreisenden ohne Erlaubnis seien laut Bundespolizei 6.401 Menschen zurückgewiesen worden. Zudem seien 1.198 Haftbefehle an den Grenzen vollstreckt worden. 275 mutmaßliche Schleuser wurden vorläufig festgenommen. Die Bundespolizei zog damals ein positives Fazit: "Die Feststellungszahlen sind Ergebnis eines lageangepassten, flexiblen und umsichtigen Einsatzes." Innenminister Strobl sehe kein baldiges Ende der Kontrollen. Man brauche sie zumindest, bis die geplante europäische Asylreform wirke. "Das wird nicht vor dem Jahr 2026 sein. Und vorher wird es auch nicht gelingen, dass wir wirksam an den EU-Außengrenzen einen Grenzschutz aufbauen."

Rheinland-pfälzischer Innenminister: Sorge um Freizügigkeit Europas

Kritik an der Ausweitung der Kontrollen kommt indes vom rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebling (SPD). Er sitze "nicht in der Fankurve derer, die Grenzkontrollen zwischen Rheinland-Pfalz und Luxemburg oder Belgien begrüßen." Die Fluchtrouten seien im Süden oder im Osten deutlich massiver als im Westen. Insofern seien Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, Tschechien oder auch Polen sinnvoll. Anders verhalte es sich mit den Grenzen zu Luxemburg oder Frankreich. Ebling befürchtet, dass zu sehr in den freien Verkehr von Wirtschaft und Fachkräften eingegriffen werde. "Und ich habe die noch viel größere Sorge, dass wir damit eine Dynamik beschleunigen, die uns in der Freizügigkeit Europas deutlich zurückwirft", sagte Ebling dem SWR. "Deswegen müssen wir alle Kraft dafür einsetzen, dass an den europäischen Außengrenzen die Grenze so sicher ist, dass wir damit illegale Migration wirklich verhindern."

Die Grenzkontrollen sind zunächst auf sechs Monate befristet. Eine etwaige Verlängerung müsste von Bundesinnenministerin Faeser gegenüber der EU-Kommission begründet werden. Laut dem Schengen-Abkommen sind Kontrollen zwischen den Mitgliedstaaten nur "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung ihrer öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" möglich, und zwar maximal drei Jahre am Stück.

Fazit: Wie wirkungsvoll die Grenzkontrollen tatsächlich sind, darüber herrscht knapp eine Woche nach ihrer Einführung noch Uneinigkeit. Während die Gewerkschaft der Polizei eine eher ernüchternde Bilanz zieht, bewerten Bundespolizei und Bundeskriminalamt die Maßnahmen als deutlich wirksam. Auch die Innenminister der Bundesländer begrüßen die Kontrollen mehrheitlich – insbesondere vor dem Hintergrund der erfolgreichen Grenzkontrollen während der Fußball-EM. Kritik kommt indes vor allem aus Rheinland-Pfalz. Für eine klare Bilanz ist es aktuell aber wohl noch zu früh. Fest steht, dass die Grenzkontrollen zunächst auf sechs Monate befristet sind. Weitere Verlängerungen (laut Schengen-Abkommen maximal drei Jahre am Stück) müssten gegenüber der EU-Kommission begründet werden.

Stand: 26.09.2024

Autor: Tim Berressem