Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 12.11.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Kristina Dunz, Gabor Steingart, Anja Kohl, Wolfgang Ischinger
Die Gäste (v.l.n.r.): Kristina Dunz, Gabor Steingart, Anja Kohl, Wolfgang Ischinger | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Welche Maßnahmen aus dem Wachstumspaket der Ampel sind bereits beschlossen?

Welche Maßnahmen aus dem Wachstumspaket der Ampel sind bereits beschlossen?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Julia Klöckner diskutierten in der Sendung über den Bruch der Ampel-Koalition. Dabei ging es auch um die Frage, ob die Union bereit ist, gewisse Gesetzesvorhaben der rot-grünen Minderheitsregierung im Bundestag zu unterstützen. Klöckner verneinte dies in vielen Punkten und warf der Bundesregierung vor, geplante Vorhaben nicht konsequent verfolgt zu haben. Beispielhaft verwies sie auf das Wachstumspaket der Ampel, von dem bislang keine einzige Maßnahme umgesetzt worden sei, so Klöckner.

Wachstumsinitiative der Ampel: Welche Maßnahmen sind bereits beschlossen?

Heil: "Die Frage, ob wir zum Beispiel zu Steuerentlastungen für die arbeitende Mitte kommen, ist etwas, worüber wir reden sollten."

Maischberger: "Das ist die kalte Progression."

Heil: "Das ist die kalte Progression. Ob wir das Kindergeld zum 1. Januar erhöhen, ist für viele Familien in Deutschland eine zentrale Frage, für den Geldbeutel von Menschen."

Maischberger: "Fünf Euro."

Heil: "Und die Frage – das Deutschlandticket ist eine Erfolgsgeschichte, dafür hat Herr Wüst [gemeint ist Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Anm. d. Red.] heute geworben, dass wir da zu Lösungen kommen. Und bei der Frage, was zu tun ist, um das Verfassungsgericht [zu stärken], da bin ich froh und dankbar, dass wir das gemeinsam machen."

Maischberger: "So, die haben wir abgeräumt. Die anderen drei –"

Heil: "Aber der Bundestag ist nicht entlassen. Da sind Abgeordnete gewählt, und wir werden miteinander reden. Ich werbe für Vernunft, weil die Bürgerinnen und Bürger nicht auf den Wahltermin warten bei den Dingen, die ich Ihnen vorhin beschrieben habe."

Maischberger: "So, bei den Dingen, die er jetzt genannt hat. Darf ich das einfach trotzdem versuchen, in der Sachebene doch noch mal zu fragen? Also, bei den Dingen, die jetzt Herr Heil genannt hat."

Heil: "Die unstrittig sind."

Maischberger: "Kindergeld [um] fünf Euro [erhöhen]?"

Klöckner: "Also, der Punkt ist noch mal, es sind einzelne Bruchsteine. Seit Juli hat diese Regierung versucht, zum Beispiel diese 49 Punkte aus dem Wachstumspaket umzusetzen. Es ist nichts passiert."

Hintergrund: Welche Maßnahmen aus dem Wachstumspaket der Ampel sind bereits beschlossen?

Die sogenannte Wachstumsinitiative wurde am 17. Juli 2024 vom Bundeskabinett beschlossen. Dabei handelt es sich um ein Maßnahmenpaket mit insgesamt 49 Einzelpunkten, die zum wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland beitragen sollen. Ein Gesetzespaket ist diese Initiative aber nicht. Jede der 49 Maßnahmen muss gesondert umgesetzt werden. Dies geschieht durch ein entsprechendes Gesetz, in manchen Fällen (z.B. beim Thema Bürokratieabbau) reichen geänderte Arbeitsabläufe in den Ministerien oder Behörden aus, für die keine Zustimmung des Parlaments notwendig ist.

Die Maßnahmen reichen von steuerlichen Vereinfachungen über Anreize zur Erwerbsaufnahme bis hin zu energie- und klimapolitischen Vorstößen. Den vollständigen 49-Punkte-Plan finden Sie hier.

Wie weit die Umsetzung dieser Maßnahmen fortgeschritten ist, darüber gibt die Bundesregierung auf ihrer Website Auskunft. Demnach hat sich das Kabinett bereits in vielen zentralen Bereichen der Wachstumsinitiative auf entsprechende Gesetzesänderungen geeinigt. Das betrifft etwa die steuerlichen Entlastungen. So wurde von der Bundesregierung schon der Ausgleich der kalten Progression beschlossen, sowie eine Erhöhung der Grund- und Kinderfreibeträge, steigende Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag, Anpassungen des Einkommensteuertarifs an die Inflation, die Erhöhung des Kindergeldes um monatlich 5 Euro und eine Erhöhung des Sofortzuschlags für bedürftige Familien. Gleichzeitig sollen auch die Unternehmen durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten profitieren – jedenfalls wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht. Doch um dies umsetzen zu können, ist die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich. Ob sich nach dem Bruch der Ampel-Koalition eine Mehrheit für all diese Vorhaben findet, ist allerdings fraglich.

Das gilt auch für viele weitere Punkte aus dem Wachstumspaket. So einigte sich die Regierung Anfang Oktober auf ein Gesetz, das durch mehrere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen die Erwerbsanreize für Bürgergeldempfänger stärken soll. Auch ein Gesetzentwurf, der das Arbeiten im Rentenalter attraktiver machen sollen (z.B. durch Einführung einer Prämie), ist im Kabinett bereits beschlossen worden. Eine Abstimmung im Bundestag steht jedoch auch hier noch aus. Gleiches gilt für die geplante Novelle des Baugesetzbuches zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, für Entlastungen der Unternehmen beim Strompreis, sowie die steuerliche Förderung von E-Fahrzeugen in Unternehmen.

In all diesen Fällen ist die rot-grüne Minderheitsregierung auf die Zustimmung des Bundestages angewiesen. Angenommen, alle oben beschriebenen Gesetzesänderungen würden tatsächlich verabschiedet werden, wäre damit etwa ein Fünftel der Wachstumsinitiative umgesetzt. Angesichts des Koalitionsbruchs und der bevorstehenden Neuwahlen gilt dieser Fall aber als eher unwahrscheinlich.

Ein Vorhaben konnte die Regierung bereits ohne Zustimmung des Parlaments durchsetzen. Dabei geht es um den sogenannten Rohstoff-Fonds, mit dem Projekte gefördert werden sollen, die zur stärkeren energiepolitischen Unabhängigkeit Deutschlands beitragen. Der Fonds ist am 2. Oktober 2024 gestartet. Seitdem können interessierte Unternehmen ihre Projekte bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einreichen. Pro Projekt wird das Finanzierungsbudget in der Regel zwischen 50 und 150 Millionen Euro liegen. Der Fonds hat zunächst ein Gesamtvolumen von ca. 1 Milliarde Euro.

Über diejenigen Punkte der Initiative, die bislang noch nicht auf den Weg gebracht wurden, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website: "Alle weiteren Maßnahmen sind in den jeweiligen Ministerien in Vorbereitung. Sie sollen möglichst noch in diesem Jahr beschlossen, umgesetzt oder entsprechende Prozesse aufgesetzt werden."

Fazit: Etwa ein Fünftel der in der Wachstumsinitiative beschriebenen Maßnahmen wurde bislang durch die Bundesregierung auf den Weg gebracht. Die allermeisten davon befinden sich aber noch im parlamentarischen Prozess. Das bedeutet: Erst wenn Bundestag und Bundesrat mehrheitlich dafür stimmen, können sie tatsächlich in Kraft treten. Ob sich nach dem Bruch der Ampel-Koalition eine Mehrheit für all diese Vorhaben findet, die von steuerlichen Entlastungen bis hin zu klimapolitischen Förderungen reichen, ist allerdings fraglich.

Stand: 13.11.2024

Autor: Tim Berressem