Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 17.12.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Gregor Peter Schmitz, Theo Koll, Ann-Kathrin Hipp, Sebastian Kurz
Die Gäste (v.l.n.r.): Gregor Peter Schmitz, Theo Koll, Ann-Kathrin Hipp, Sebastian Kurz | Bild: WDR / Melanie Grande

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Warum erhält Österreich kein Gas mehr aus Russland?

Warum erhält Österreich kein Gas mehr aus Russland?

Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach in der Sendung u.a. über die dortige Energiepolitik. Speziell ging es um die Gaslieferungen, die Österreich bis vor kurzem noch aus Russland bezog. Die Gründe für den Lieferstopp seien komplex, sagte Kurz. Hier schauen wir uns die Hintergründe noch einmal genauer an.

Streit um russisches Gas: Warum kündigte Österreich den Vertrag mit Gazprom? | Video verfügbar bis 17.12.2025

Maischberger: "Österreich hat jetzt gerade erst den Gashahn zugedreht bekommen. Also die sind nicht aus dem Vertrag ausgestiegen mit Russland, haben russisches Gas –"

Kurz: "Es ist ein bisschen komplexer."

Maischberger: "Ich weiß, es ist sehr komplex. Aber sie haben, das sind die Zahlen, einfach noch in diesem Jahr, die Gaslieferungen haben sich noch gesteigert nach dem Angriff auf die Ukraine. Wir sind bei zwischen 81 und 97 Prozent Gaslieferungen aus Russland. Und dann hat eben jetzt das Abdrehen der russischen Seite dazu geführt, dass man jetzt ausgestiegen ist. Aber die Frage bleibt ja. Die grundsätzliche Frage ist die –"

Kurz: "Die Russen haben es abgedreht, weil die Österreicher sozusagen eine rechtlich andere Sicht hatten, was die Zahlungen betrifft, aber egal."

Maischberger: "Genau, und die Österreicher haben einen Vertrag –"

Kurz: "Aufgekündigt."

Maischberger: "Ja, aber sie haben einen Vertrag abgeschlossen, der eben heißt, egal ob wir liefern oder nicht, ihr zahlt trotzdem."

Hintergrund: Warum erhält Österreich kein Gas mehr aus Russland?

Wie am 12. Dezember 2024 bekannt wurde, hat der österreichische Energieversorger OMV (Österreichische Mineralölverwaltung) seine langjährige Geschäftsbeziehung mit der russischen Gazprom beendet. Eigentlich wäre der Gas-Liefervertrag erst im Jahr 2040 ausgelaufen, doch "aufgrund mehrerer grundlegender Vertragsverletzungen" habe man die Vereinbarung vorzeitig und mit sofortiger Wirkung aufgekündigt, erklärte das Unternehmen, das zu 31 Prozent dem österreichischen Staat gehört.

Österreich hatte Gasvertrag bis 2040 verlängert

Die OMV war eine der letzten großen Abnehmerinnen von russischem Pipeline-Gas in Europa. In Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hatte ein Großteil der europäischen Staaten – darunter auch Deutschland – beschlossen, sich unabhängig von russischer Energie zu machen. Österreich ging einen anderen Weg. Erst 2018 hatte man den Vertrag mit Gazprom bis 2040 verlängert. In dem Vertrag war u.a. vereinbart, dass die OMV das Gas auch dann hätte bezahlen müssen, wenn sie es nicht mehr abnehmen würde. Diese sogenannte "Take or Pay"-Klausel hätte nur durch ein EU-weites Embargo gegen russisches Gas aufgelöst werden können. Das Problem: Eine so strikte Einfuhrsperre bedarf der Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten. Doch insbesondere Ungarns Präsident Viktor Orbán stellt sich hier quer. Noch im Frühjahr 2024 hat Orbán zusätzliche Lieferverträge mit Russland abgeschlossen.

Und so bezog auch Österreich bis vor kurzem noch große Mengen Erdgas aus Russland. Nach Informationen des österreichischen Klimaschutzministeriums machte russisches Gas im Oktober 2024 89 Prozent der gesamten Gas-Importe aus. Damit lag der Wert sogar zehn Prozent höher als zu Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022. Der Spitzenwert von 98 Prozent wurde im Dezember 2023 erreicht.

Rechtsstreit sorgte für Lieferstopp

Reibungslos lief das Vertragsverhältnis aber nicht. So hatte Gazprom im September 2022 die Lieferung an OMV-Kunden in Deutschland verweigert. Bei diesen Kunden handelte es sich um verschiedene Industrie- und Gewerbebetriebe. Wegen der ausgebliebenen Lieferungen klagte die OMV auf Schadenersatz – mit Erfolg. Das Gericht sprach dem österreichischen Unternehmen 230 Millionen Euro zu. Gazprom verweigerte die Zahlung jedoch, woraufhin die OMV ankündigte, keine Rechnungen mehr zu begleichen, bis dieser Betrag erreicht sei. Gazprom widersprach auch diesem Vorgehen und stellte seine Gaslieferungen nach Österreich Mitte November 2024 schließlich ein. Knapp einen Monat später kündigte die OMV den Vertrag vollständig auf.

Sowohl das Unternehmen als auch die österreichische Bundesregierung betonten, dass die Energieversorgung trotz des Lieferstopps nicht gefährdet sei. "Niemand wird bei uns aufgrund einer Gasmangellage frieren. Keine Wohnung wird in unserem Land kalt bleiben. Mir war es stets besonders wichtig, dass die Versorgungssicherheit gegeben ist", so Bundeskanzler Karl Nehammer in einem Pressestatement. Auf der Plattform X schrieb er außerdem: "Russland wollte Energie als Waffe gegen uns einsetzen – das hat nicht funktioniert. Gazprom hat sich nicht an die Verträge gehalten, deshalb beendet die OMV den Vertrag, der bis 2040 laufen sollte, sofort." OMV-Chef Alfred Stern verwies auf eine Vielzahl alternativer Energiequellen: "Wir können heute auf ein diversifiziertes Portfolio alternativer Gasquellen zurückgreifen und damit die Versorgungssicherheit unserer Kunden gewährleisten." Der Energiekonzern könne nach eigenen Angaben auf Gas aus eigener Produktion, auf externe Gasproduzenten, wie z.B. Norwegen, sowie auf Flüssiggas zurückgreifen. Zudem seien die Gasspeicher des Unternehmens derzeit zu rund 85 Prozent gefüllt.

Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler betonte, dass mit diesem Schritt die jahrzehntelange Abhängigkeit des Landes von russischer Energie ende. "Die Beendigung des langfristigen Gazprom-Vertrags durch die OMV ist ein notwendiger Schritt in Richtung Energieunabhängigkeit unseres Landes", schrieb sie auf X. "Und es ist die logische Konsequenz aus der Einstellung der Lieferungen durch Gazprom im Herbst dieses Jahres".

Österreich wegen russischem Gas in der Kritik

Die österreichische Bundesregierung wurde in den vergangenen Jahren immer wieder dafür kritisiert, trotz des Ukraine-Krieges Gas aus Russland zu beziehen. Im September 2023 bezeichnete der damalige EU-Botschafter in Wien, Martin Selmayr, die österreichischen Zahlungen an das kriegsführende Russland für Gaslieferungen als "Blutgeld". Die scheidende Energiekommissarin der EU, Kadri Simson, erklärte kürzlich: "Es gibt keinerlei Notwendigkeit, russisches Gas zu kaufen. Das ist eine politische Entscheidung, eine gefährliche Entscheidung, auch auf Kosten von Leben in der Ukraine."

Fazit: Der österreichische Energieversorger OMV kündigte unlängst seinen Vertrag mit Gazprom und verzichtet fortan auf entsprechende Gaslieferungen aus Russland. Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen den beiden Unternehmen. Gazprom war wegen nicht geleisteter Lieferungen an OMV-Kunden zu einem Schadenersatz in Höhe von 230 Millionen Euro verurteilt worden. Das russische Energieunternehmen verweigerte die Zahlung jedoch und stoppte seine Gaslieferungen nach Österreich. Daraufhin kündigte die OMV den Vertrag fristlos. Dabei hatte Österreich bis zuletzt erhebliche Mengen Erdgas aus Russland bezogen. Die Energiesicherheit sei durch die Vertragskündigung aber nicht gefährdet, wie sowohl die OMV als auch die österreichische Bundesregierung betonten.

Stand: 18.12.2024

Autor: Tim Berressem