Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 11.02.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Gordon Repinski, Susanne Gaschke, Jürgen Becker, Hubert Aiwanger, Gregor Gysi
Die Gäste (v.l.n.r.): Gordon Repinski, Susanne Gaschke, Jürgen Becker, Hubert Aiwanger, Gregor Gysi | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie geht das Steuerrecht in der Schweiz und in den USA mit hohen Vermögen um?

Wie geht das Steuerrecht in der Schweiz und in den USA mit hohen Vermögen um?

Gregor Gysi (Die Linke) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) diskutierten in der Sendung u.a. über die Besteuerung überdurchschnittlich wohlhabender Bürger. Aiwanger warnte davor, die Steuerlast für Milliardäre zu erhöhen, weil diese dann aus Deutschland abwandern könnten. Gysi hingegen machte zwei Vorschläge, wie man das deutsche Steuerrecht effektiv reformieren könne. Dabei verwies er auf bereits bestehende Regelungen in der Schweiz und in den USA.

Vermögensungleichheit in Deutschland: Was können wir von der Schweiz lernen?

Aiwanger: "Wenn Sie meinen, die Milliardäre müssten Sie abschaffen – ja, die würden Sie dadurch abschaffen, wenn Sie denen die Steuerschraube so andrehen, dass es wehtut, dann gehen die ins Ausland. Dann sind die abgeschafft, aber die werden nicht ihre Milliarden unters kleine Volk verteilen, und dann ist das kleine Volk plötzlich reich und der Reiche ist genauso arm wie der Durchschnitt, sondern dann ist der Reiche weg."

(...)

Gysi: "In der Schweiz gibt es zum Beispiel eine Vermögenssteuer. Wenn wir nur die Schweizer Vermögenssteuer erheben würden, hätten wir dieses Jahr eine Mehreinnahme von 72 Milliarden Euro. Und kein Reicher hat die Schweiz verlassen. Zweitens könnten wir US-Recht einführen. US-Recht – sagt Ihnen ein Linker! Die USA haben Folgendes eingeführt: Alle US-Bürgerinnen und US-Bürger, die im Ausland leben, sind verpflichtet, einmal im Jahr einem bestimmten Finanzamt in den USA ihr Welteinkommen mitzuteilen und den Steuerbescheid, was sie dafür bezahlen müssen, aus dem Land, in dem sie leben, also Seychellen, Monaco oder sonst was. Und wenn sie in den USA mehr zu bezahlen haben, kriegen sie hinsichtlich der Differenz einen Steuerbescheid. Und deshalb ist Steuerflucht dort kein Thema mehr. Warum können wir das nicht einführen? Ich frage mich das schon seit Jahren. Das haben wir immer vorgeschlagen. Dann wäre dieses ganze Argument, die ziehen um, weg, weil wir ja trotzdem die uns zustehenden Steuern bekämen."

Hintergrund: Wie geht das Steuerrecht in der Schweiz und in den USA mit hohen Vermögen um?

Die Vermögensungleichheit in Deutschland ist seit vielen Jahren ein zentraler Streitpunkt zwischen den Parteien. Und tatsächlich geht hierzulande die sprichwörtliche Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander als in den meisten anderen EU-Ländern, wie der Global Wealth Report 2024 zeigt. In Deutschland leben demnach etwa 3.300 Menschen mit mehr als 100 Millionen Dollar Finanzvermögen – damit liegt Deutschland weltweit auf Platz 3. Jene 3.300 Menschen besitzen knapp ein Viertel des gesamten Finanzvermögens in Deutschland.

Gleichzeitig erhebt Deutschland eine der weltweit höchsten Steuerlasten auf Arbeitseinkommen. Die Abgaben reichen von 14 bis zu 45 Prozent. Wer viel Einkommen erzielt, muss also auch viel Steuern zahlen. Doch Unternehmensgewinne und andere Vermögenseinkommen sind oft steuerlich begünstigt, was nicht selten zur Folge hat, dass Multimillionäre prozentual weniger an das Finanzamt abgeben müssen als z.B. ein gut verdienender Arbeitnehmer.

Vor diesem Hintergrund forderte Gregor Gysi in unserer Sendung die Einführung einer Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild. Aber wie genau funktioniert die dortige Regelung?

Vermögenssteuer: So funktioniert das Schweizer Modell

Die Vermögenssteuer wird in der Schweiz zusätzlich zur Einkommensteuer erhoben. Dies geschieht ausdrücklich unabhängig von der Höhe des Einkommens. Ausschlaggebend ist dabei das reine Nettovermögen, das in unterschiedlicher Form vorhanden sein kann. So zählen Bargeld, Wertpapiere, Immobilien und Grundstücke genauso zum steuerpflichtigen Vermögen wie Fahrzeuge, Schmuck und Kunstwerke.

Eine allgemeine Formel zur Berechnung der Vermögenssteuer gibt es in der Schweiz nicht, da sie regional variiert. Über die genaue Berechnung entscheiden die jeweiligen Kantone und Gemeinden selbst. In den meisten Kantonen ist die Vermögenssteuer progressiv gestaltet, d.h. je höher das Vermögen, desto höher ist der Steuersatz. Zudem gibt es Freibeträge, die nicht steuerpflichtig sind. Diese variieren aber ebenfalls stark je nach Kanton. Im Kanton Zürich z.B. sind die ersten 77.000 Franken (bei Alleinstehenden) bzw. 154.000 Franken (bei Verheirateten) steuerfrei. Hier wird also nur der Anteil des Vermögens besteuert, der 77.000 bzw. 154.000 Franken übersteigt. Anders ist es z.B. im Kanton Bern, wo nach Überschreiten des Freibetrags das gesamte Vermögen – beginnend beim ersten Franken – besteuert wird.

Im Jahr 2022 nahmen die Kantone insgesamt rund 9,5 Milliarden Euro durch die Vermögenssteuer ein. Aktuelle Schätzungen gehen von etwa 11 Milliarden Euro aus.

In Deutschland ist Vermögenssteuer umstritten

Durch das Zusammenspiel von Einkommensteuer und Vermögenssteuer werden Milliardäre in der Schweiz stärker besteuert als in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam. In Deutschland liegen die effektiven Steuersätze für Milliardäre demnach im Schnitt bei 26 Prozent bei einem möglichen Höchststeuersatz von 47,5 Prozent. In der Schweiz hingegen, in der es die Vermögenssteuer gibt, zahlen Milliardäre durchschnittlich 32 Prozent Steuern bei einem Höchstsatz von bis zu 41,5 Prozent. Wie die Studienautoren errechnet haben, würde eine Vermögenssteuer nach Schweizer Modell in Deutschland zu Mehreinnahmen von 73 Milliarden Euro führen. Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam, fordert daher eine Besteuerung hoher Vermögen auch hierzulande, "damit auch die Superreichen ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten".

Christina Schildmann von der Hans-Böckler-Stiftung unterstützt die Forderung und argumentiert, dass eine solche Steuer nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ein wirksames Instrument zur Herstellung von Steuergerechtigkeit sei.

Kritiker wie Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnen dagegen vor möglichen volkswirtschaftlichen Nachteilen: Eine Vermögenssteuer könnte Vermögende zur Abwanderung bewegen und letztendlich zu Steuermindereinnahmen führen, so Hentze. Zudem sei der bürokratische Aufwand enorm. "Im Vergleich zu anderen Steuern hat die Vermögenssteuer die höchsten Erhebungskosten. Bei Umsatzsteuer, Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer ist die Erhebung viel einfacher", erklärte der Ökonom gegenüber dem ZDF. Außerdem seien rund 60 Prozent des Vermögens der Menschen, die als oberes ein Prozent in der Vermögensverteilung bezeichnet werden, in Betriebsvermögen gebunden. Eine Vermögenssteuer würde Unternehmen belasten und ihre Investitionsfähigkeit schwächen, so Hentze.

Bis 1997 hatte Deutschland übrigens schon mal eine Vermögenssteuer. Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts wurde sie damals ausgesetzt. Die Karlsruher Richter erklärten die Steuer für verfassungswidrig, weil die Bewertung von Vermögenswerten ihrer Auffassung nach nicht gleichmäßig und gerecht erfolgte. Das Vorgehen des Fiskus hätte laut Gericht angepasst werden sollen, was jedoch bis heute nicht geschehen ist. Deshalb wird die Steuer seit 1997 nicht mehr erhoben. Formal aufgehoben ist das Vermögenssteuergesetz bislang aber nicht.

USA knüpfen Steuerpflicht an Staatsbürgerschaft

Gregor Gysi verwies in der Sendung außerdem auf die Vereinigten Staaten, wo jeder US-Staatsbürger, auch wenn er im Ausland lebe, eine Steuererklärung abgeben müsse. Das stimmt. In den USA gilt eine wohnsitzunabhängige Steuerpflicht aller Staatsangehöriger. Konkret bedeutet das: Ein Amerikaner, der z.B. in Deutschland lebt und hier seinen Lebensunterhalt bestreitet, ist sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten steuerpflichtig. Um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden, haben die USA mit zahlreichen Staaten (darunter auch Deutschland) entsprechende Abkommen geschlossen, sodass die bereits im Ausland gezahlten Steuern von den amerikanischen Finanzämtern berücksichtigt werden können.

Dass das Thema Steuerflucht für die USA dank dieser Regelung kein Problem sei, wie Gysi in der Sendung sagte, stimmt in dieser Absolutheit jedoch nicht. Einer 2021 erschienenen Studie der US-Bundessteuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) zufolge melden jene Amerikaner, die zum einen Prozent der Superreichen gehören, mehr als 20 Prozent ihrer Einkünfte nicht. Vermögen, das auf Offshore-Konten und in anderen komplizierten Finanzstrukturen verborgen sei, werde demnach leicht übersehen. Die Erhebung aller nicht gezahlten Einkommensteuern der Superreichen würde die Einnahmen des US-Finanzministeriums um 175 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhöhen, heißt es in der Studie.

Um dem entgegenzuwirken, erließ die Regierung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2010 den sogenannten Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA). Dieses Gesetz erweitert den Informationsaustausch und die Berichtspflichten zwischen den US-Steuerbehörden und ausländischen Banken bzw. Finanzinstitutionen.

Manche Kritiker bewerten das amerikanische System als willkürlich, weil es die Steuerpflicht allein an die US-Staatsbürgerschaft knüpft, die automatisch jeder Mensch erhält, der in den USA geboren wird. So ist es keine Seltenheit, dass Menschen der amerikanischen Steuerpflicht unterliegen, obwohl sie dort weder leben noch arbeiten. Wer beispielsweise zufällig durch einen Urlaubsaufenthalt der Eltern in den USA geboren wurde, aber nie dort gelebt hat, muss für den Rest seines Lebens eine jährliche Steuererklärung in den Vereinigten Staaten abgeben. Europarechtlich ist dieses Prinzip umstritten. Dass Deutschland dem amerikanischen Modell folgt, wie Gysi in der Sendung forderte, ist deshalb eher unwahrscheinlich.

Fazit: Gregor Gysi forderte in der Sendung die Einführung einer Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild. Dort werden Vermögenswerte zusätzlich zum Einkommen besteuert, was dem Staat zuletzt Einnahmen zwischen 9 Milliarden und 11 Milliarden Euro bescherte. Ob dieses Modell auf Deutschland übertragbar wäre, ist umstritten. Bis 1997 wurde hierzulande bereits eine Vermögenssteuer erhoben, doch das Bundesverfassungsgericht erklärte die Steuer für verfassungswidrig, weil die Bewertung von Vermögenswerten ihrer Auffassung nach nicht gerecht erfolgte. Auch das amerikanische System, die Steuerpflicht ausschließlich an die Staatsbürgerschaft zu knüpfen, ist umstritten.

Stand: 12.02.2025

Autor: Tim Berressem