Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 12.02.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Ulrike Herrmann, Mariam Lau, Theo Koll, Sebastian Ebel, Bernd Baumann, Philipp Amthor
Die Gäste (v.l.n.r.): Ulrike Herrmann, Mariam Lau, Theo Koll, Sebastian Ebel, Bernd Baumann, Philipp Amthor | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Hat sich die AfD von ihren europäischen Schwesterparteien isoliert?

Hat sich die AfD von ihren europäischen Schwesterparteien isoliert?

Philipp Amthor (CDU) und Bernd Baumann (AfD) diskutierten in der Sendung u.a. über die europapolitische Ausrichtung der AfD. Amthor sagte, die Partei habe sich im EU-Parlament zuletzt stark isoliert. Er verwies dabei auf Äußerungen anderer europäischer Rechtsaußenparteien, die sich von der AfD distanziert hätten, so Amthor. Baumann widersprach und erklärte, bei diesen Äußerungen habe es sich lediglich um vorübergehende Irritationen gehandelt, die inzwischen ausgeräumt seien.

Europapolitik: Hat sich die AfD im EU-Parlament isoliert? | Video verfügbar bis 12.02.2026

Amthor: "Die AfD ist ja vielen ihrer europäischen Partnerparteien selbst zu radikal, zu peinlich…"

Baumann: "Überhaupt nicht."

Amthor: "…dass Sie zum Teil nicht mal in die Fraktion im Europäischen Parlament aufgenommen wurden."

Baumann: "Wir arbeiten mit allen zusammen."

Amthor: "Maximilian Krah und andere von denen. Sie isolieren sich da."

(…)

Maischberger: "Die AfD wurde letztes Jahr aus der EU-Fraktion ausgeschlossen, wo Viktor Orbán drin ist, Marine Le Pen drin ist, Frau Meloni und Herr Wilders und Herr Kickl aus Österreich. Frau Le Pen hat verlangt, dass Sie 'Remigration' streichen und nicht in die AfD-Programme aufnehmen. Das haben Sie jetzt getan. Frau Meloni hat vor einem Jahr noch gesagt: 'Es scheint mir heute offensichtlich zu sein, dass es unüberwindbare Distanzen zur AfD gibt.' Sie sind den anderen zu rechts, das sagen die. Warum haben Sie das jetzt noch forciert, indem Sie dieses Reizwort für die anderen, Remigration, extra noch mal ins Wahlprogramm geschrieben haben?"

Baumann: "Frau Maischberger, ich darf Ihnen sagen, das ist ein Jahr her. Diese Irritationen sind vorbei, die Fraktionen haben sich neu aufgestellt. Und unsere Fraktion arbeitet eng zusammen mit EKR von Meloni."

Maischberger: "Sie sind nicht Teil dieser Fraktion."

Baumann: "Wir arbeiten heute eng zusammen."

Maischberger: "Aber sind Sie Teil der Fraktionsgemeinschaft? Ja oder nein."

Baumann: "Es geht darum, dass wir gemeinsame Anträge machen."

Maischberger: "Sind Sie Teil der Fraktion? Ja oder nein."

Baumann: "Wir haben eine eigene Fraktion, natürlich. Wir sind das größte Land Europas. Wir haben eine eigene Fraktion. Und wir machen gemeinsame Anträge, Frau Maischberger, mit EKR von Meloni, mit Le Pen. Und Herr Orbán hat heute Frau Weidel persönlich eingeladen nach Ungarn. Sie sehen, davon ist nichts übrig geblieben."

Maischberger: "Also, Herr Orbán hat Sie auch nicht kritisiert, sondern Frau Le Pen und Frau Meloni. Und bisher gibt es dafür kein Dementi. Sie sind nicht Teil der Fraktion, das halten wir fest."

Baumann: "Wir haben eine eigene Fraktion, ja."

Maischberger: "Nicht Teil dieser Fraktion."

Hintergrund: Hat sich die AfD von ihren europäischen Schwesterparteien isoliert?

Tatsächlich kam es im Vorfeld der Europawahl 2024 zu erheblichen Verwerfungen zwischen der AfD und anderen europäischen Rechtsaußenparteien. Auslöser waren vor allem öffentliche Äußerungen des damaligen AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, mit denen er die Verbrechen der SS relativierte. Die Folge: Wenige Wochen vor der Wahl, im Mai 2024, wurde die AfD aus ihrer Europa-Fraktion Identität und Demokratie (ID) ausgeschlossen. Dieser Fraktion gehörten neben dem Rassamblement National (RN) von Marine Le Pen u.a. auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) von Herbert Kickl sowie die italienische Lega an. Letztere erklärte damals zum AfD-Ausschluss: "Die ID-Gruppe will nicht länger im Zusammenhang mit den Vorfällen um Maximilian Krah, dem Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, stehen."

Mehrheit der ID-Fraktion stimmte für AfD-Ausschluss

Die AfD-Delegation hatte zuvor vergeblich versucht, die Entscheidung noch abzuwenden und gefordert, lediglich ihren Spitzenkandidaten Krah auszuschließen. Eine Mehrheit der ID-Fraktion stimmte jedoch für den vollständigen Ausschluss der AfD. Informationen der Nachrichtenagentur dpa zufolge votierten Lega, RN, der belgische Vlaams Belang, die Dänische Volkspartei sowie die tschechische Partei Freiheit und direkte Demokratie dafür. Die FPÖ und die Estnische Konservative Volkspartei stimmten gegen einen Ausschluss der AfD.

Marine Le Pen war bereits im Januar 2024 auf Distanz zur AfD gegangen, nachdem das Treffen extrem Rechter in Potsdam durch das Recherchenetzwerk "Correctiv" bekannt gemacht worden war. An diesem Treffen hatten einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der WerteUnion teilgenommen. Zentraler Diskussionsgegenstand des Treffens waren laut Medienberichten Pläne zur sogenannten "Remigration", also zur Zwangsausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund. In einem Positionspapier vom 29.1.2024 dementierte die AfD, dass sie die Ausweisung deutscher Staatsbürger mit Migrationsgeschichte befürworte. Demnach gehe es der Partei ausschließlich um die Abschiebung "ausreisepflichtiger Ausländer".

Wenige Wochen nach Bekanntwerden des Potsdamer Treffens forderte Marine Le Pen bei einem persönlichen Treffen mit der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel in Paris eine schriftliche Zusage, dass der Begriff "Remigration" niemals Teil des AfD-Programms sein werde. Diese Zusage blieb jedoch aus. Sowohl im Programm zur Europawahl 2024 als auch im Bundestagswahlprogramm 2025 verwendet die AfD den umstrittenen Begriff.

Nach der Europawahl 2024: Rechtsaußenfraktionen ordnen sich neu

Nachdem das EU-Parlament im Juni 2024 turnusgemäß neu gewählt wurde, kam es zu deutlichen Veränderungen bei der Zusammensetzung der Fraktionen, insbesondere im rechten Parteienspektrum. Die ID-Fraktion löste sich auf. Stattdessen schmiedeten RN, FPÖ und Lega ein neues Bündnis unter dem Namen "Patrioten für Europa" (PfE). Dieser Fraktion schlossen sich weitere Parteien an, wie z.B. die zuvor fraktionslose Fidesz von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und die rechtspopulistische Vox aus Spanien. So bilden die PfE derzeit die drittgrößte Fraktion im EU-Parlament.

Eine Beteiligung der AfD an der neuen Gruppierung lehnte man weiterhin ab. Stattdessen gründete die AfD-Delegation ihrerseits eine neue Fraktion und kooperierte dabei mit einer Reihe kleinerer Rechtsparteien im EU-Parlament. Unter dem Namen "Europa Souveräner Nationen" (ESN) versammeln sich insgesamt 26 Abgeordnete aus acht Ländern. Damit ist das ESN aktuell die kleinste der acht Fraktionen. Die neuen Partner der AfD sind u.a. die französische Recônquete, die polnische Konfederacja sowie die bulgarische Wasraschdane. Mit insgesamt 14 Abgeordneten macht die AfD mehr als die Hälfte der Fraktion aus.

Die Partei der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni, Fratelli d’Italia, gehört übrigens keiner der beiden oben genannten Fraktionen an, sondern den "Europäischen Konservativen und Reformern" (EKR). Die EKR gilt im Vergleich zu PfE und ESN als gemäßigter, vertritt jedoch ebenso europaskeptische und zum Teil nationalistische Positionen. In dieser Fraktion arbeitet Meloni u.a. mit den Schwedendemokraten und der polnischen PiS zusammen. Wie in der Sendung bereits dargestellt, distanzierte sich auch Meloni im Januar 2024 von der AfD. "Es scheint mir heute offensichtlich zu sein, dass es unüberwindbare Distanzen zur AfD gibt", sagte sie damals auf die Frage, ob sie sich in Europa ein Bündnis mit der AfD und dem französischen Rassemblement National vorstellen könne. "Ich vergebe keine Noten, aber mit manchen gibt es mehr oder weniger Differenzen, ich arbeite mit der EKR", so die italienische Regierungschefin weiter.

Experte: Enge Zusammenarbeit momentan nicht erkennbar

Nicolai von Ondarza, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Nicolai von Ondarza, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) | Bild: SWP

Bernd Baumann sagte in der Sendung, dass die AfD trotz unterschiedlicher Fraktionszugehörigkeiten eng mit EKR und PfE zusammenarbeite. Diese Aussage sei differenziert zu betrachten, wie der Politologe Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt:

"Bei Abstimmungen gibt es Fälle auf Grund der inhaltlichen Nähe, in denen die ESN wie die 'Patrioten für Europa' abstimmt. Am bekanntesten sind sicherlich drei Fälle, in denen es eine Mehrheit von der EVP (gemeint ist die Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei, Anm. d. Red.) über EKR bis hin zu PfE und ESN gab, an denen sich auch die AfD beteiligt hat. Diese drei Mehrheiten waren in einer Resolution zu Venezuela, zu Migration im Zuge des EU-Haushalts und zur Verschiebung der Entwaldungsverordnung. Einer der Anträge davon kam von der AfD/ESN (Migration), der zu Venezuela von EVP, EKR und PfE, der zur Entwaldungsverordnung von der EVP. Erfolgreiche Anträge von ESN mit EKR und/oder PfE sind mir nicht bekannt."

Von außen auszuschließen sei es zwar nicht, dass es Gespräche seitens der ESN mit den PfE oder dem EKR gibt. "Von einer engen Zusammenarbeit gibt es aber keine Anzeichen, ebenso dass Giorgia Meloni oder Marine Le Pen ihre Distanzierung von der AfD geändert haben", so von Ondarza.

Fazit: Bernd Baumann (AfD) widersprach der Aussage, dass seine Partei sich auf europäischer Ebene zuletzt deutlich von den übrigen Rechtsaußenparteien isoliert habe. Tatsächlich jedoch kam es im Vorfeld der Europawahl 2024 zu erheblichen Verwerfungen, sodass die AfD aus der Rechtsaußenfraktion ID ausgeschlossen wurde. Nach der Wahl ordneten sich die Fraktionen neu. Die ID löste sich auf, stattdessen bildete sich ein neues Bündnis unter dem Namen "Patrioten für Europa" (PfE). Doch auch hier blieb die AfD außen vor und gründete kurz darauf eine eigene Fraktion unter dem Namen "Europa Souveräner Nationen" (ESN), zusammen mit einer Reihe kleinerer Rechtsparteien. In Einzelfällen kam es seither dazu, dass die AfD zusammen mit den anderen Fraktionen abstimmte. Von einer engen Zusammenarbeit könne man aktuell aber nicht sprechen, wie unser Experte erklärt.

Stand: 14.02.2025

Autor: Tim Berressem