Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 18.02.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Wie wirken sich die Steuerkonzepte der Parteien konkret auf das Einkommen der Bevölkerung aus?
Wie wirken sich die Steuerkonzepte der Parteien konkret auf das Einkommen der Bevölkerung aus?
SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte in der Sendung die Steuerkonzepte ihrer politischen Mitbewerber. Sie sagte, von den Plänen der CDU, FDP und AfD würden vor allem Besserverdienende profitieren. Die konkreten Zahlen schauen wir uns hier noch einmal genauer an.
Esken: "Ich will sehr klar sagen, dass es zumindest mit mir als SPD-Parteivorsitzende ganz bestimmt keine Politik gibt, die in diesem Land den Sozialstaat rasiert, die in diesem Land wieder auf Menschen herabblickt, die mit geringen Einkommen jeden Tag ihr Leben versuchen zu stemmen. Und ganz bestimmt auch keine Politik, die nach den Steuerkonzepten von CDU, FDP und übrigens auch AfD den Reichsten im Land zugutekommt und bei den Armen spart. Das machen wir nicht mit, das ist vollkommen klar. Das ist vollkommen klar. Ein Steuerkonzept, das jetzt im kommenden Jahr nach der Bundestagswahl nach Willen der FDP den Staat um 140 Milliarden Euro ärmer macht, und alleine 40 Milliarden davon gehen an das oberste Prozent dieses Landes – das ist für mich als SPD-Parteivorsitzende vollkommen inakzeptabel."
Hintergrund: Wie wirken sich die Steuerkonzepte der Parteien konkret auf das Einkommen der Bevölkerung aus?
Mit dieser Fragestellung haben sich im Vorfeld der Bundestagswahl diverse Wirtschaftsforschungsinstitute auseinandergesetzt. Das ZEW (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung), DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), IW (Institut der deutschen Wirtschaft) und ifo Institut haben die Wahlprogramme der großen Parteien analysiert und berechnet, wie sich die jeweiligen Steuerkonzepte konkret für den Steuerzahler auswirken würden.
Alle vier der oben genannten Institute kommen zu dem Ergebnis, dass es in den Wahlprogrammen von Union, FDP und AfD die Besserverdienenden sind, die am stärksten von steuerlichen Entlastungen profitieren würden. SPD und Grüne setzen dagegen tendenziell auf eine stärkere Belastung hoher Einkommen. Im Detail unterscheiden sich die Berechnungen der Ökonomen aber teilweise. Ein Überblick:
Union
Laut ZEW würden von den Plänen der Union am meisten die Haushalte mit den höchsten Jahresbruttoeinkommen (250.000 Euro bis 2 Millionen Euro) profitieren. Ihr Nettoeinkommen würde laut Analyse um 5,1 Prozent wachsen. Am geringsten würden die Entlastungen im Einkommensbereich bis 20.000 Euro ausfallen (0,1 Prozent). Insgesamt zeigt sich: Je höher das jährliche Bruttoeinkommen, desto höher sind laut ZEW-Berechnungen die steuerlichen Entlastungen, die das Konzept der Union bereithält.
Die Berechnungen von DIW und ifo Institut bestätigen diesen Trend. Während die unteren 50 Prozent der Bruttoverdiener laut DIW lediglich um 1,5 Prozent entlastet werden würden, steigt dieser Wert auf bis zu 6,9 Prozent bei den Bestverdienenden. In der Analyse des ifo Instituts reicht die Spanne von 1,8 Prozent bis 5,07 Prozent.
Das IW rechnet mit konkreten Fallbeispielen: Ein Single mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 30.000 Euro würde durch die Union um 1,4 Prozent entlastet. Bei einem Einkommen von 130.000 Euro wäre die Entlastung mehr als doppelt so groß (3,1 Prozent). Ähnlich wäre es laut IW im Fall einer vierköpfigen Familie. Bei einem Bruttoeinkommen von 42.000 Euro würde die Familie um 1 Prozent entlastet werden, während es bei 130.000 Euro bereits 2,2 Prozent wären.
FDP
Die Liberalen würden Geringverdiener laut ZEW-Analyse sogar zusätzlich belasten. Haushalte mit einem jährlichen Brutto bis 10.000 Euro müssten demnach auf 2,1 Prozent ihres Nettoeinkommens verzichten. Am stärksten profitieren würden laut ZEW hingegen die Einkommen zwischen 150.000 und 250.000 Euro, und zwar mit einem Plus von 9,8 Prozent. Wer mehr als 250.000 Euro verdient, hätte 8,1 Prozent mehr Netto zur Verfügung als bislang.
Das ifo Institut bewertet die Einbußen für Geringverdienende deutlich kleiner (0,11 Prozent). Die Entlastung nimmt aber auch in dieser Analyse mit steigendem Einkommen zu und erreicht bei 8,69 Prozent den Spitzenwert.
Anders als die vorgenannten Institute hat das DIW keine zusätzlichen Belastungen im unteren Einkommenssegment festgestellt, was allerdings methodische Gründe haben könnte. Denn während ZEW und ifo Institut die zu Grunde liegenden Bruttoeinkommen in zehn Stufen unterteilen, sind es in den Berechnungen des DIW nur vier Stufen. Demnach werden die unteren 50 Prozent der Einkommensverteilung durch die FDP um 2,5 Prozent entlastet. Jedoch: Beim obersten Prozent der Bestverdienenden sind es fast 10 Prozent, also das Vierfache.
Der Single mit 30.000 Euro Jahresbruttoeinkommen aus dem Rechenbeispiel des IW würde durch die FDP 2,7 Prozent mehr im Portemonnaie haben. Mit zunehmendem Einkommen steigt aber auch hier die Entlastung auf bis zu 6,4 Prozent. Ähnliches gilt für die vierköpfige Familie: Hier beginnt die Ersparnis bei 1,3 Prozent und steigt auf bis zu 4,9 Prozent.
AfD
Auch das Steuerkonzept der AfD sieht laut ZEW Entlastungen vor, die mit zunehmendem Einkommen ansteigen. Während für Haushalte mit bis zu 10.000 Euro im Jahr alles beim Alten bliebe, sie also weder ent- noch belastet werden, seien Besserverdienende ab 150.000 Euro mit 7,7 Prozent begünstigt, so das ZEW.
Im Gegensatz dazu sieht das ifo Institut eine leichte Entlastung bei den Geringverdienenden um 1,5 Prozent. Der oben beschriebene Trend bei zunehmendem Einkommen setzt sich aber auch hier fort.
Laut DIW (Berechnung mit nur vier Einkommensklassen) profitieren die unteren 50 Prozent stärker als der Rest (5,1 Prozent gegenüber 4 Prozent). Mit einer Ausnahme: Das oberste Prozent der Bestverdienenden wird laut DIW mit 8,1 Prozent entlastet.
Das IW-Fallbeispiel zeigt eine etwas ausgeglichenere Struktur als bei Union und FDP. Bei einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro kann ein Single demnach um 3,2 Prozent profitieren. Im Bereich zwischen 50.000 und 100.000 Euro sinkt der Wert leicht (2,5 bzw. 2,8 Prozent), bevor er im oberen Segment auf 3,8 Prozent ansteigt. Im Fall der vierköpfigen Familie steigt die Entlastung mit zunehmendem Einkommen – von 2,7 Prozent schrittweise auf 5,9 Prozent.
SPD
Die Sozialdemokraten entlasten laut ZEW vor allem die kleinen und mittleren Einkommen. Der Höchstwert von 3,1 Prozent gilt demnach bei einem jährlichen Bruttoeinkommen von 20.000 bis 30.000 Euro. Anders als die vorgenannten Parteien setzt die SPD auf eine stärkere Belastung der Besserverdienenden. Ab 250.000 Euro pro Jahr berechnet das ZEW Einbußen von 3,4 Prozent. Das ifo Institut rechnet etwas moderater mit einem Minus von 1,63 Prozent.
Laut DIW würde die Belastung für das obere Prozent der Bestverdienenden bei 4,5 Prozent liegen.
Im konkreten Fallbeispiel des IW sinkt die Entlastung mit zunehmendem Einkommen. Profitiert der Single mit 30.000 Euro um 0,6 Prozent, sind es bei 100.000 Euro nur noch 0,2 Prozent. Ab 130.000 Euro rechnet das IW sogar mit einer Belastung von 0,6 Prozent. Ähnliches gilt für die vierköpfige Familie, wobei hier in der oberen Einkommensklasse keine Belastung anfällt, sondern eine Entlastung um 0,3 Prozent stattfindet.
Bündnis 90/Die Grünen
Im Fall der Grünen ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei der SPD. Laut ZEW gelten auch hier die größten Entlastungen (3,9 Prozent) bei einem Einkommen zwischen 20.000 und 30.000 Euro. Wer jährlich mehr als 250.000 Euro brutto verdient, muss laut ZEW mit Einbußen um 3,8 Prozent rechnen.
Die Berechnungen des ifo Instituts sind insgesamt zurückhaltender. Die maximalen Entlastungen betragen demnach 0,84 Prozent im Bereich der mittleren Einkommen. Die oberen zehn Prozent der Besserverdienenden werden in dieser Berechnung mit 1,1 Prozent belastet. Das DIW sieht diese Belastungen lediglich bei 0,1 Prozent.
Im IW-Fallbeispiel der vierköpfigen Familie sinken die Entlastungen mit zunehmendem Einkommen – von 1,7 Prozent auf 0,7 Prozent. Ähnlich sieht es auch beim Singlehaushalt aus. Hier sinkt der Wert von 1,3 Prozent schrittweise auf 0,3 Prozent. Ab einem Jahreseinkommen von 130.000 Euro steigt er dann jedoch wieder leicht auf 0,6 Prozent an. Eine Belastung hat das IW in beiden Fallbeispielen nicht festgestellt.
Studien nur bedingt aussagekräftig
Wie oben gezeigt, unterscheiden sich die Zahlen der verschiedenen Institute in Teilen. In der Gesamtschau legen sie jedoch nahe, dass es in den Wahlprogrammen von Union, FDP und AfD die Besserverdienenden sind, die am stärksten von steuerlichen Entlastungen profitieren würden. SPD und Grüne setzen dagegen tendenziell auf eine stärkere Belastung hoher Einkommen, so der allgemeine Befund. Alle Institute weisen in ihren Analysen allerdings darauf hin, dass es sich bei den Resultaten allenfalls um Näherungswerte handeln könne. Bei Betrachtung der unterschiedlichen Wahlprogramme seien dezidiert nur jene steuerpolitischen Maßnahmen berücksichtigt worden, die sich konkret in Zahlen übersetzen lassen. Das ZEW schreibt wörtlich:
Es geht also vor allem um jene Passagen in den Wahlprogrammen, die sich auf steuerpolitische Themen, wie z.B. Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Vermögensteuer, Bürgergeld oder Mindestlohn beziehen. Zudem komme man dabei nicht umhin, mit Schätzungen zu arbeiten, heißt es seitens der Forscher.
FDP kritisiert ZEW-Studie: "Irreführende Ergebnisse"
So sind die Analysen der Institute immer wieder Gegenstand der Kritik. Insbesondere die ZEW-Studie sorgte zuletzt für Aufsehen. Kurz nach ihrer Veröffentlichung erhob die FDP den Vorwurf, die Studie enthalte fehlerhafte Berechnungen und komme zu "irreführenden Ergebnissen", wie FDP-Generalsekretär Marco Buschmann Ende Januar in einem Brief an das ZEW schrieb. Die Partei wehrte sich gegen den Eindruck, kleinere Einkommen zu benachteiligen.
Buschmann kritisierte, die ZEW-Studie habe fälschlich angenommen, seine Partei plane, das Wohngeld abzuschaffen. "Die FDP fordert jedoch weder im Wahlprogramm noch an anderer Stelle die Abschaffung des Wohngelds. Vielmehr fordern wir die Bündelung steuerfinanzierter Sozialleistungen in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle", schrieb Buschmann. Außerdem greifen die ZEW-Berechnungen seiner Ansicht nach zu kurz, weil nicht berücksichtigt werde, dass das FDP-Programm "Wirtschaftswachstum in Deutschland deutlich und nachhaltig anheben und mehr Menschen in Arbeit bzw. in bessere Beschäftigung bringen" könne.
Das ZEW reagierte auf die Kritik. In der Berechnung habe man die Wohnkosten zwar nicht als separates Wohngeld, aber als gebündelte Leistung im Rahmen des Bürgergelds abgedeckt, erklärte das Institut gegenüber dem ZDF. Zum zweiten Kritikpunkt, dass langfristige Auswirkungen des FDP-Programms auf das Wirtschaftswachstum nicht berücksichtigt worden seien, stellte das ZEW fest, dass im Rahmen der Studie nur kurzfristige Wirkungen zu berücksichtigen waren. Mögliche Folgewirkungen, die sich langfristig aus dem Wahlprogramm entwickeln, könne man nicht in die Berechnungen einbeziehen. Das gelte für jede Partei gleichermaßen, betont das ZEW.
Fazit: Im Vorfeld der Bundestagswahl haben sich diverse Wirtschaftsforschungsinstitute mit der Frage beschäftigt, wie sich die Steuerkonzepte der Parteien konkret auf das Einkommen der Bevölkerung auswirken würden. Die Zahlen gehen dabei teilweise deutlich auseinander, insgesamt zeigt sich aber, dass es in den Wahlprogrammen von Union, FDP und AfD die Besserverdienenden sind, die am stärksten von steuerlichen Entlastungen profitieren würden. SPD und Grüne setzen dagegen tendenziell auf eine stärkere Belastung hoher Einkommen, so der allgemeine Befund. Die Institute weisen jedoch darauf hin, dass ihre Resultate nur als Näherungswerte zu verstehen sind. So können etwa längerfristige Effekte der Wahlprogramme, z.B. auf die Konjunktur, in den Berechnungen nicht berücksichtigt werden. Auch habe man teilweise mit Schätzungen arbeiten müssen. Aus diesem Grund sind die Analysen der Institute immer wieder Gegenstand der Kritik.
Stand: 19.02.2025
Autor: Tim Berressem