Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 26.02.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Carlo Masala, Gabor Steingart, Julie Kurz, Jörg Pilawa, Wolfgang Bosbach
Die Gäste (v.l.n.r.): Carlo Masala, Gabor Steingart, Julie Kurz, Jörg Pilawa, Wolfgang Bosbach | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Hat Dänemarks strenge Migrationspolitik dort zur Schwächung der Rechtspopulisten geführt?

Hat Dänemarks strenge Migrationspolitik dort zur Schwächung der Rechtspopulisten geführt?

Unsere Kommentatoren diskutierten in der Sendung u.a. über Deutschlands Kurs in der Migrationspolitik und die Frage, wie sich dieser auf die Zustimmungswerte der AfD auswirkt. Gabor Steingart verwies in diesem Zusammenhang auf Dänemark, wo es der sozialdemokratischen Regierungschefin mit ihrer Migrationspolitik gelungen sei, die Rechtspopulisten deutlich einzudämmen.

Migrationspolitik: Kann Dänemark ein Vorbild für Deutschland sein? | Video verfügbar bis 26.02.2026

Steingart: "Vor der letzten Patrone würde ich eine Reise machen gemeinsam, ich fahre auch gern mit, ich bezahle die auch, nach Dänemark. Mit der SPD und Herrn Merz nach Dänemark. Wie hat es eine tapfere Sozialdemokratin dort geschafft? Die Rechtspopulisten, was schätzt ihr, wo liegen die heute, Stand heute, die Rechtspopulisten?"

Maischberger: "Drei Prozent."

Steingart: "Exakt. Zwischen drei und vier Prozent geht das in den Umfragen. Es waren 20 Prozent, genau wie die AfD. Und das hat die Frau hingekriegt. Ich würde also empfehlen, nach Dänemark zu reisen. Nicht mit der letzten Patrone, sondern zur Wir-Bildung und um zu gucken, wie andere das hinkriegen. Und die Frau ist, wie gesagt, die ist nicht Faschistin, die ist auch nicht das freundliche Gesicht von irgendwas. Sie ist eine Sozialdemokratin. Also, will sagen: Es ist möglich."

Hintergrund: Hat Dänemarks strenge Migrationspolitik dort zur Schwächung der Rechtspopulisten geführt?

Tatsächlich sind die Zustimmungswerte der als nationalkonservativ-rechtspopulistisch geltenden Dansk Folkeparti (dt. Dänische Volkspartei) innerhalb der letzten zehn Jahre deutlich gesunken. Erreichte sie bei den Parlamentswahlen im Jahr 2015 noch 21,1 Prozent der Stimmen, waren es 2019 nur noch 8,7 Prozent. Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2022 stürzte die Partei schließlich auf 2,6 Prozent ab. Aktuellen Umfragen zufolge steht sie zwischen 4 und 5 Prozent.

Dänemarks Sozialdemokraten verschärften Migrationsrecht

Als wesentlicher Faktor für diesen Abwärtstrend der Rechtspopulisten in Dänemark gilt gemeinhin der restriktive Migrationskurs, den die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen seit 2019 verfolgt. Mit dem Verweis, das Sozialsystem schützen zu wollen, nimmt das skandinavische Land kaum Geflüchtete auf, Frederiksen kündigte vor einigen Jahren sogar an, die Zahlen "auf Null" reduzieren zu wollen. Zudem leben Asylbewerber bis zur finalen Entscheidung über ihren Asylantrag in gefängnisähnlichen Lagern. Der Staat darf ihnen sogar Schmuck abnehmen, wenn dieser einen bestimmten Wert übersteigt. Ein sogenanntes "Ghettogesetz" regelt außerdem, dass nicht mehr als 30 Prozent "nicht-westliche Ausländer" in einem Stadtteil leben dürfen. Auch der Familiennachzug wurde erschwert. Dieser kann in Dänemark erst nach drei Jahren beantragt werden.

Diese restriktiven Maßnahmen schlagen sich in vergleichsweise niedrigen Asylzahlen nieder. Laut Eurostat wurden im Jahr 2023 insgesamt 2.300 Erstanträge in Dänemark gestellt. Das sind 388 Erstanträge pro 1 Million Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im selben Jahr knapp 329.000 Erstanträge, bzw. 3.900 pro 1 Million Einwohner.

Angesichts dieser Zahlen wird Dänemark in der öffentlichen Debatte über Deutschlands Migrationspolitik immer wieder als Positivbeispiel genannt. So sagte CDU-Chef Friedrich Merz am 20.2.25 beim TV-Sender "Welt": "Dänemark, eine sozialdemokratisch geführte Regierung, hat das Problem weitgehend gelöst, mit einer sehr harten Migrationspolitik. Und da sind die Rechtspopulisten praktisch verschwunden."

Dänemark und Deutschland nur schwer vergleichbar

Experten weisen jedoch darauf hin, dass die Situation in Dänemark kaum mit Deutschland vergleichbar sei. Neben den offensichtlichen geografischen Unterschieden (Dänemark hat nur eine Landgrenze, im Gegensatz zu Deutschland mit neun Nachbarländern) gibt es einige rechtliche Faktoren, die beachtet werden müssen, wie der Rechtsexperte Maximilian Pichl gegenüber t-online erklärt. "Als die EU sich Anfang der 1990er-Jahre entschieden hat, Migrationspolitik zu einer europäischen Gesamtaufgabe zu machen, hat sich Dänemark ein sogenanntes Opt-out vorbehalten", so Pichl. Das bedeutet: Dänemark muss nicht bei allen Regeln mitmachen und darf sich bestimmte Rechte vorbehalten. "Dänemark hat einen großen Sonderstatus, Deutschland hat sich den schlicht vertraglich nicht zugesichert." Zwar müsse sich Dänemark auch an grundsätzliche Regeln halten, kann aber etwa bei Fragen des Familiennachzugs und der Anerkennung von Geflüchteten andere Maßstäbe anlegen. Auch das sogenannte "Ghettogesetz", mit dem die dänische Regierung den Anteil "nicht-westlicher Ausländer" in einem Stadtteil reguliert, sei in Deutschland kaum denkbar, erklärt Rechtsexperte Pichl weiter. "In Deutschland gilt die Gleichheit vor dem Gesetz. Und ein solches Gesetz hätte starke verfassungsrechtliche Probleme."

Rechtspopulisten in Dänemark immer noch zweistellig

Einige Politikwissenschaftler weisen außerdem darauf hin, dass die rechte Wählerschaft in Dänemark zwar geschrumpft ist, aber nicht so stark, wie es die niedrigen Zustimmungswerte der Dänischen Volkspartei zu zeigen scheinen. So haben die als gemäßigt rechtspopulistisch geltenden Dänemark Demokraten bei ihrer ersten Parlamentswahl 2022 aus dem Stand 8,1 Prozent der Stimmen erreicht. Auch die Neue Bürgerliche wurde in den letzten Jahren kontinuierlich stärker und zog zuletzt mit 3,7 Prozent ins Parlament ein. Anfang 2024 gab Parteichefin Pernille Vermund jedoch überraschend die Auflösung der Fraktion bekannt. Als Grund nannte sie, dass es zu viele "konservative Parteien" im Parlament gebe. "Wenn wir das konservative Dänemark wieder aufbauen wollen, müssen wir alle guten Kräfte bündeln, aber in einer geringeren Anzahl konservativer Parteien", sagte Vermund. Die Dänemark Demokraten konnten dadurch weiter zulegen. In aktuellen Umfragen liegen sie zwischen 10 und 11 Prozent.

Der Politologe Frederik Georg Hjorth von der Universität Kopenhagen erklärte in einem "Spiegel"-Interview, dass in Dänemark das gesamte Parteienspektrum beim Thema Migration nach rechts gerückt sei. So hätten die Sozialdemokraten viele Wähler, die sie über Jahre an die Rechtspopulisten verloren hatten, zurückgeholt. Jedoch: "Sie haben gleichzeitig Wähler an andere linke Parteien verloren, die mit den Verschärfungen nicht einverstanden waren. Die Sozialdemokraten sind also selbst nicht gewachsen, aber sie haben die Dänische Volkspartei geschwächt."

Ob ein solches Manöver auch in Deutschland funktionieren würde, könne man nicht sicher sagen, so Hjorth. Schließlich gebe es große Unterschiede zwischen Dänemark und Deutschland. "Wir haben hier in Dänemark ein fragmentierteres Parteiensystem und geringere Hürden für Parteien, ins Parlament einzuziehen. Das führt dazu, dass Wähler, die von der harten Einwanderungspolitik der Sozialdemokraten abgeschreckt sind, leicht mehrere linke Alternativen finden. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Strategie der Sozialdemokraten in der Einwanderungspolitik aufgegangen ist. Sie konnten damit rechnen, dass der rechte Block verliert und der linke stärker wird, sie aber weiter grundsätzlich stützt." Zuletzt habe auch die persönliche Glaubwürdigkeit von Premierministerin Mette Frederiksen eine wesentliche Rolle gespielt.

Der vergleichende Politikwissenschaftler Werner Krause von der Universität Potsdam betonte gegenüber dem rbb, dass der Zusammenhang – eine strengere Migrationspolitik führt zu einer Schwächung der Rechtspopulisten – nicht so eindeutig sei, wie oft dargestellt. So verwies er u.a. auf parteiinterne Streitigkeiten, die wesentlich zum Absturz der Dänischen Volkspartei beigetragen hätten. Auch erinnerte Krause – wie oben bereits beschrieben – an die übrigen Parteien des rechtspopulistischen Blocks, der in Dänemark trotz Verschärfung des Migrationsrechts mehr als 15 Prozent ausmache.

Fazit: Tatsächlich sind die Zustimmungswerte der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei stark gesunken, nachdem die sozialdemokratische Regierung um Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ihre Migrationspolitik verschärfte. Unter Politikexperten ist jedoch umstritten, inwieweit dieser restriktive Kurs als zentrale Ursache für den Absturz der Partei zu sehen ist. Schließlich konnten andere Parteien aus dem rechten Spektrum in den vergangenen Jahren an Zustimmung gewinnen. Zusammen machen sie immer noch mehr als 15 Prozent aus. Ob Dänemark in Sachen Migrationspolitik als Vorbild für Deutschland dienen kann, ist unter Politikwissenschaftlern und Juristen wegen der schwierigen Vergleichbarkeit der beiden Länder ebenfalls umstritten.

Stand: 27.02.2025

Autor: Tim Berressem