Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 05.03.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Könnte das von Union und SPD angestrebte Schuldenpaket juristisch gekippt werden?
Könnte das von Union und SPD angestrebte Schuldenpaket juristisch gekippt werden?
SPD-Chef Lars Klingbeil äußerte sich in der Sendung zum geplanten Schuldenpaket, auf das sich seine Partei zusammen mit der Union geeinigt hat. Dabei ging es auch um die Frage, ob das Vorhaben von den anderen Parteien auf juristischem Wege gestoppt werden könnte. Welche Szenarien denkbar sind, schauen wir uns hier noch einmal genauer an.
Maischberger: "Die zweite Hürde ist, ob das, was Sie sich da ausgedacht haben, ob das sozusagen verfassungsfest ist. Also, es wird Klagen wahrscheinlich geben von den Linken, von der AfD. Es gibt die FDP, die überlegt, ob es eine einstweilige Anordnung geben kann, die das noch stoppt. Das hat schon einmal funktioniert bei der CDU, als es kurz vor der Sommerpause um das GEG (Gebäudeenergiegesetz, Anm. d. Red.) ging."
(…)
Klingbeil: "Ich glaube, niemand stellt in Frage, dass es gerade eine Dringlichkeit gibt, Entscheidungen auch von solcher Tragweite zu treffen. Wir sehen die Situation, wie sie sich in den USA entwickelt. Gestern gab es den ganzen Tag – was, Gott sei Dank, nicht eingetreten ist – Signale, dass Donald Trump in seiner 'State of the Union' den Austritt aus der NATO verkünden könnte."
Maischberger: "Ja, umso wichtiger ist es aber, dass das durchgeht."
Klingbeil: "Sie glauben gar nicht, welche besorgten Anrufe wir aus der Ukraine bekommen von denen, die hoffen, dass wir weiter an ihrer Seite stehen, dass wir auch mithelfen, dass sie sich verteidigen können. Also, es ist eine dramatische Lage, in der wir uns befinden, und ich glaube, niemand stellt in Frage, dass es eine Eilbedürftigkeit gibt…"
Maischberger: "Auch nicht die Gerichte?"
Klingbeil: "…und dass die Entscheidungen getroffen werden. Und alle Juristen, die es überprüft haben, sagen uns, ihr könnt das sehr klar machen. Und noch mal: Der Bundestag ist handlungsfähig, es gibt gewählte Abgeordnete in dieser Legislatur, die können Entscheidungen treffen, und das werden wir jetzt tun."
Hintergrund: Könnte das von Union und SPD angestrebte Schuldenpaket juristisch gekippt werden?
Union und SPD haben sich bei ihren Sondierungsgesprächen auf weitreichende Änderungen in der Haushaltspolitik geeinigt. Der Plan: Alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollen künftig von den Beschränkungen der Schuldenbremse ausgenommen werden – und zwar ohne Limit. "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes", erklärte CDU-Chef Friedrich Merz und reagierte damit auf die sicherheitspolitischen Entwicklungen seit der Amtsübernahme durch US-Präsident Donald Trump. Eine so erhebliche Neuverschuldung sei jedoch nur zu verkraften, wenn die Wirtschaft binnen kürzester Zeit wieder auf einen stabilen Wachstumskurs zurückkomme. Deshalb einigte man sich zusätzlich auf ein kreditfinanziertes Sondervermögen für den Ausbau der Infrastruktur. Dieses soll 500 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren umfassen.
Bundestag soll in bisheriger Zusammensetzung über Schuldenpaket entscheiden
Zur Umsetzung dieser Pläne wären Änderungen im Grundgesetz notwendig, die nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat beschlossen werden können. Im neu gewählten Bundestag, der erstmals am 25. März 2025 zusammenkommen wird, haben AfD und Linke mehr als ein Drittel der Sitze und könnten das Vorhaben somit problemlos blockieren. Wie der Ältestenrat des Deutschen Bundestages am heutigen Donnerstag (6.3.2025) mitteilte, soll aber der Bundestag in seiner bisherigen Zusammensetzung über die geplanten Gesetzesänderungen entscheiden. Am 13. März wird demnach die erste Lesung stattfinden, am 18. März soll dann abgestimmt werden – eine Woche bevor sich der neue Bundestag konstituiert. Im bisherigen Bundestag sind Union und SPD lediglich auf die Unterstützung der Grünen-Fraktion angewiesen.
Kritiker des milliardenschweren Schuldenpakets äußerten zuletzt deutliche Zweifel, ob ein solch weitreichender Beschluss mit der alten Bundestagsmehrheit überhaupt verfassungskonform ist. Sowohl die AfD-Fraktion als auch die Fraktion der Linken im Bundestag prüfen rechtliche Schritte gegen dieses Vorgehen. Wie hoch hier die Erfolgschancen sind, ist jedoch umstritten.
Grundsätzlich gilt: Der alte Bundestag ist bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments voll handlungs- und beschlussfähig. So steht es im Grundgesetz. Das betonte auch der Marburger Verfassungsrechtsprofessor Hans-Detlef Horn gegenüber der ARD-Rechtsredaktion: "Es gibt keine parlamentsleere Zeit." Das Grundgesetz sei hier eindeutig und lasse keinen Spielraum für Interpretationen. Zur gleichen Einschätzung kommt der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio. Solange sich der neue Bundestag nicht konstituiert habe, sei der alte in vollem Umfang handlungsfähig, einschließlich von Verfassungsänderungen, sagte di Fabio dem Sender Phoenix.
Anders sieht das der Würzburger Rechtsprofessor Kyrill-Alexander Schwarz. Angesichts der Tragweite des Gesetzesvorhabens betont Schwarz, der alte Bundestag dürfe den neuen nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Im ARD-Brennpunkt vom 4.3.2025 sagte er wörtlich: "Wenn der jetzige Bundestag Maßnahmen ergreift wie ein dreistelliges Milliardenpaket, wofür es ja durchaus sachliche Gründe gibt, dann entfaltet das eine Bindungswirkung gegenüber einem späteren Parlament, das ja bereits gewählt worden ist. Diese Bindungswirkung für die Zukunft empfinde ich als überaus problematisch."
Zwei Wege führen nach Karlsruhe
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu so einem Fall gibt es bislang noch nicht. Fraglich ist auch, ob Kritiker wie die Linke oder die AfD die notwendigen Voraussetzungen erfüllen können, um eine Entscheidung im aktuellen Fall herbeizuführen. Denn für eine sogenannte Normenkontrollklage vor dem Verfassungsgericht ist die Unterstützung von mindestens einem Viertel der Bundestagsabgeordneten notwendig. Diese Marke erreichen aber weder die AfD noch die Linke – und zwar weder im alten noch im neuen Bundestag. Dass beide Fraktion zusammenarbeiten, um eine Klage zu ermöglichen, gilt politisch als ausgeschlossen. Im Rahmen der Normenkontrollklage würde das Gesetzesvorhaben vor allem auf inhaltlicher Ebene betrachtet und die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz untersucht werden. Das Abstimmungsprozedere selbst steht dabei nicht im Fokus.
Eine zweite Variante bietet das sogenannte Organstreitverfahren. Diese Klageart ist unabhängig von bestimmten Quoren möglich. Hier könnte eine Fraktion geltend machen, dass die Rechte der Abgeordneten verletzt werden. Auf diese Weise hatte der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann im Juli 2023 die Abstimmung über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorübergehend gestoppt. Er klagte damals vor allem gegen den engen Zeitplan, mit dem das Gesetz durch das Parlament gebracht werden sollte. Per einstweiliger Anordnung stoppte das Verfassungsgericht daraufhin die Abstimmung, das GEG wurde so erst zwei Monate später als geplant im Bundestag verabschiedet.
Ob die damalige Entscheidung der Karlsruher Richter auf den aktuellen Fall anwendbar ist, gilt als zweifelhaft. Wie der Berliner Verfassungsrechtler Prof. Dr. Alexander Thiele erklärt, sei ein Organstreitverfahren "angesichts der nicht allzu komplexen Angelegenheit und der verbleibenden zwei Wochen" wenig erfolgversprechend.
Zustimmung der Grünen noch ungewiss
Die Prüfung rechtlicher Schritte durch AfD und Linke steht unterdessen noch aus. Ob die Grünen überhaupt bereit wären, Union und SPD zur notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit zu verhelfen, ist aber ebenfalls noch unklar. Die Co-Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge, ließ zuletzt offen, ob ihre Fraktion dem Vorschlag zustimmen werde. "Wir haben eine Reihe von Fragen", sagte Dröge. Die Eilbedürftigkeit der Entscheidung müsse konkretisiert werden. So stellte Dröge eine grundsätzlichere Reform der Schuldenbremse zur Debatte. Außerdem komme aus Grünen-Sicht das Thema Klimaschutz in den Plänen zu kurz. Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann ergänzte: "Wer Mehrheiten braucht, sollte sich nicht hinstellen und so tun, als würde alles so gemacht, wie gerade vorgeschlagen."
Fazit: Das geplante Schuldenpaket von Union und SPD ist politisch umstritten. Vor allem die Entscheidung, den Bundestag in seiner bisherigen Zusammensetzung über die nötigen Grundgesetzänderungen abstimmen zu lassen, sorgte für deutliche Kritik seitens der anderen Parteien. AfD und Linke kündigten die Prüfung rechtlicher Schritte an. Viele Verfassungsrechtler halten eine Abstimmung im alten Bundestag für unproblematisch, da das Parlament so lange beschlussfähig bleibt, bis sich der neue Bundestag konstituiert. So steht es im Grundgesetz. Andere Juristen argumentieren jedoch, das geplante Schuldenpaket habe so große Auswirkungen auf das neue Parlament, dass eine Abstimmung im alten Bundestag nicht rechtmäßig sei. Dass AfD und Linke der Gang nach Karlsruhe gelingt, gilt als unwahrscheinlich, auszuschließen ist es aktuell aber nicht. Die geplante Abstimmung über das Gesetzesvorhaben soll am 18. März stattfinden – eine Woche bevor sich der neue Bundestag konstituiert.
Stand: 06.03.2025
Autor: Tim Berressem