Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 18.03.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Paul Ronzheimer, Sarah Frühauf, Thomas de Maizière, Urban Priol, Ralf Stegner, Christian Dürr
Die Gäste (v.l.n.r.): Paul Ronzheimer, Sarah Frühauf, Thomas de Maizière, Urban Priol, Ralf Stegner, Christian Dürr | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Welche Maßnahmen empfiehlt die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat"?

Welche Maßnahmen empfiehlt die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat"?

Der ehemalige Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich in der Sendung zu seinen Reformvorschlägen, die zu einer besseren Handlungsfähigkeit des Staates beitragen sollen. Welche konkreten Maßnahmen seine Initiative vorschlägt, schauen wir uns hier genauer an.

Reformvorschläge: Wie will die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" die Bundesrepublik effizienter machen? | Video verfügbar bis 18.03.2026

Maischberger: "Wenn man sich anschaut, 70 Prozent, das war mal eine Umfrage letztes Jahr, 70 Prozent der Befragten in dieser Umfrage halten den Staat für nicht handlungsfähig."

de Maizière: "Für überfordert."

Maischberger: "Sie halten ihn für überfordert, und bei AfD-Wählern sind es 90 Prozent. Und das ist offensichtlich dann doch mehr als ein Gefühl."

de Maizière: "Ja, und das ist auch besorgniserregend. Da wird nicht gesagt, der Staat macht was falsch, das gibt’s auch, sondern er kann es nicht mehr. Und da ist in der Tat ein Problem. Wir sind zu sorglos bei der Sicherheit, das haben wir diskutiert. Wir sind zu kompliziert bei den Entscheidungen. Und wir sind zu langsam insbesondere bei der Digitalisierung und Verwaltung. Und wir haben nun mit einer Initiative – Julia Jäkel, Peer Steinbrück, Andreas Voßkuhle und ich, dankenswerterweise unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten – gesagt, wir hören jetzt mal auf zu jammern, diese Lage ist oft beschrieben worden, wir machen Empfehlungen, wie es besser wird."

Hintergrund: Welche Maßnahmen empfiehlt die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat"?

Am 12. März 2025 legte die sogenannte "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" 30 konkrete Vorschläge vor, wie die Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen künftig effizienter gestaltet werden könnte. Angeschoben wurde die Initiative von den früheren Bundesministern Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), der Medienmanagerin Julia Jäkel sowie dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle. Das vierköpfige Gremium warnt vor einem Schaden für die Demokratie, sollte der Staat nicht handlungsfähiger werden. "Es geht darum: wie bekommen wir eine andere Mentalität hin, dass etwas gelingen kann, und nicht, dass die Bedenkenträger Oberhand gewinnen", sagte de Maizière bei der Vorstellung des Zwischenberichts in Berlin. Voßkuhle sprach sogar von einer "Schicksalsfrage für unser Land".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist Schirmherr der Initiative, die von mehreren Stiftungen unterstützt wird. Bei der Auftaktveranstaltung im November 2024 hatte auch er gefordert, den deutschen Staat durch eine grundlegende Reform handlungsfähiger zu machen, um Schaden von der Demokratie abzuwenden.

Zwischenbericht enthält 30 Vorschläge

Der jüngst vorgelegte Zwischenbericht enthält 30 Vorschläge zu verschiedenen Bereichen. Ein zentraler Punkt bezieht sich dabei auf die Gesetzgebung. So heißt es in dem Bericht: "Auf gute Gesetze kommt es an", denn ein gutes Gesetz sei entscheidend für eine schnelle und effiziente Verwaltung. Doch während sich die Zeit für die Erarbeitung von Gesetzen im Laufe der vergangenen Jahre halbiert habe, sei die Zahl der verabschiedeten Gesetze stark gestiegen. Die Initiative fordert daher: Weniger, aber dafür bessere Gesetze. Ein konkreter Vorschlag ist, sogenannte "Praxistauglichkeitstests" bereits während der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durchzuführen – nicht erst danach, wie es bisher der Fall ist.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Digitalisierung. So fordert die Initiative die Errichtung eines neuen Bundesministeriums für Digitales und Verwaltung, das den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland maßgeblich vorantreiben soll. Durch das neue Ministerium sollen die aktuell mehr als 10.000 unterschiedlichen Software-Lösungen in Bund, Ländern und Kommunen vereinheitlicht werden. Die üblichen Behördengänge, wie sie bislang z.B. zur Anmeldung eines Fahrzeugs oder zur Beantragung eines Führerscheins nötig sind, sollen so in Zukunft deutschlandweit online zu erledigen sein.

Auch im Sozialbereich setzt die Initiative darauf, die Zuständigkeit für alle Leistungen in einem Ministerium zu bündeln, einzelne Sozialleistungen zusammenzufassen und alle Leistungen über eine zentrale digitale Plattform bereitzustellen. Laut Mit-Initiator Peer Steinbrück habe beispielsweise eine alleinerziehende Frau mit einem pflegebedürftigen Vater "Anspruch auf ungefähr zwölf Sozialleistungen, denen vier verschiedene Einkommensbegriffe zugrunde liegen und sie muss sich mit acht Bewilligungsstellen befassen." Dies soll durch die angestrebte Staatsreform deutlich vereinfacht werden.

Eine zentrale Rolle spielt auch das Thema Sicherheit. Die Initiative fordert eine abgestimmte Gesamtstrategie der deutschen Sicherheitspolitik und eine bessere Verzahnung zwischen den beteiligten Ressorts. Wörtlich heißt es in dem Zwischenbericht: "Es ist schwer zu glauben, aber bislang gibt es niemanden, der für die Bundesregierung systematisch ein gemeinsames Bild der Bedrohungslagen erstellt. Es gibt auch kein ressortübergreifendes Krisenreaktionszentrum, und die alte Trennung von Katastrophenschutz und Zivilschutz ist überholt. Völlig ungenügend ist der Schutz vor Cyberangriffen." Vor diesem Hintergrund schlägt die Initiative die Schaffung eines nationalen Sicherheitsrats als ständiges, ressortübergreifendes Gremium vor.

Staatliche Investitionen sollen beschleunigt werden

Daran anschließend gibt es auch Reformvorschläge, die die Rüstungspolitik betreffen. Konkret möchte man die Beschaffung von Rüstungsgütern deutlich beschleunigen. Zwischen NATO- bzw. EU-Staaten soll es deshalb in Zukunft ein arbeitsteiliges Zulassungsverfahren geben. Das bedeutet: Sind Rüstungsgüter in einem NATO- bzw. EU-Staat zugelassen, gilt diese Zulassung automatisch auch für die anderen Partnerstaaten. In diesem Zusammenhang spricht die Initiative auch vom "Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens". Speziell auf Deutschland bezogen soll die Beschaffung durch Änderungen im parlamentarischen Prozess beschleunigt werden. So soll der Bundestag zwar wie bisher an der Entscheidung über Neuanschaffungen für die Bundeswehr beteiligt werden, doch soll die Zahl der dafür notwendigen Einzelentscheidungen sinken und der Prozess somit schneller werden. Angesichts des Schuldenpakets, dem der Bundestag am gestrigen Dienstag (18.3.25) mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmte, erscheint dieser Punkt umso zentraler. Denn künftig sollen Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Doch manche Experten befürchten schon jetzt, dass sich die zusätzlichen Milliarden für die Verteidigung aufgrund träger Beschaffungsstrukturen nicht so effizient wie gewünscht einsetzen lassen. An diesem Problem will die Initiative um Thomas de Maizière arbeiten.

Allgemein sollen staatliche Investitionen erleichtert werden. "Unser Staat beschafft zu kompliziert und nicht wirtschaftlich", so die Diagnose des Zwischenberichts. Die Betreuung großer Infrastrukturvorhaben solle deshalb in spezialisierten und mit erfahrenen Kräften besetzten Centern auf Landesebene konzentriert werden. Zudem will man die bisher geltenden Dokumentations- und Nachweispflichten deutlich verringern, um Planungs- und Vergabeprozesse zu beschleunigen.

Für ihre Arbeit haben sich die vier Initiatoren Unterstützung von 50 Experten geholt – darunter Bürgermeister, Schulleiter, Unternehmer und IT-Experten. Der Abschlussbericht der Initiative soll im Juli 2025 vorgelegt werden.

Merz: "Wir werden uns einige der Vorschläge zu eigen machen"

Im politischen Berlin wurden die Reformvorschläge größtenteils positiv aufgenommen. CDU-Chef Friedrich Merz sagte mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen: "Wir werden uns davon einige der Vorschläge zu eigen machen und ich bin fest entschlossen, diese Chance, die wir jetzt haben, auch zu nutzen." SPD-Chef Lars Klingbeil teilte diese Einschätzung und bedankte sich bei der Initiative für "wichtige Impulse".

Inwieweit die Vorschläge von der neuen Bundesregierung tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. In einigen Fällen wären wohl Verfassungsänderungen nötig, die unter den neuen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag nur schwer durchzusetzen wären.

Fazit: Die sogenannte "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" legte unlängst eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Modernisierung der Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen vor. Ausgehend von einer wachsenden Digitalisierung sollen die Abläufe der verschiedenen Ressorts – z.B. im Sozialbereich oder der Verteidigung – effizienter gebündelt werden. Auch sollen staatliche Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur deutlich beschleunigt werden, was vor dem Hintergrund des im Bundestag beschlossenen Schuldenpakets von besonderer Bedeutung ist. Im politischen Berlin stößt die Initiative, die unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht, überwiegend auf positive Reaktionen. Inwieweit die Vorschläge von der neuen Bundesregierung tatsächlich umgesetzt werden, bleibt aber abzuwarten.

Stand: 19.03.2025

Autor: Tim Berressem