Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 26.03.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Yasmine M’Barek, Daniel Friedrich Sturm, Amelie Fried, Eckart von Hirschhausen
Die Gäste (v.l.n.r.): Yasmine M’Barek, Daniel Friedrich Sturm, Amelie Fried, Eckart von Hirschhausen | Bild: WDR / Melanie Grande

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie wirken sich Kürzungen bei der Entwicklungshilfe auf den Kampf gegen HIV aus?

Wie wirken sich Kürzungen bei der Entwicklungshilfe auf den Kampf gegen HIV aus?

Der Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen warnte in der Sendung vor der Einsparung öffentlicher Gelder, die in globale Gesundheitsorganisationen fließen. Er verwies auf eine aktuelle Studie, wonach die Kürzungen, die derzeit z.B. von der US-Regierung vorgenommen werden, die Zahl der weltweiten HIV-Todesfälle massiv in die Höhe treiben könnten. Die Ergebnisse der Studie schauen wir uns hier genauer an.

Entwicklungshilfe: Welche Folgen hätten Kürzungen im Kampf gegen HIV? | Video verfügbar bis 26.03.2026

von Hirschhausen: "Morgen erscheint eine Studie im 'Lancet', einem der wichtigsten Journals der Medizinerwelt, die ausrechnet, dass das, was gerade an internationalen Geldern gestrichen wird, was an fähigen, kompetenten Institutionen zerstört wird, zwei bis vier Millionen Menschenleben kostet. (…) Wir haben jetzt eine so brenzlige Situation, dass HIV, was unsere Jugend in den Achtzigern plötzlich als erste Pandemie so im Bewusstsein – wahrscheinlich auch bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern – ausgemacht hat, da haben wir riesige Erfolge gehabt. Jetzt werden wieder doppelt so viele Kinder sich infizieren, weil kein Zugang zu medizinischer Versorgung da ist, und, und, und. Und das ist so kurzfristig gedacht, weil alle Krankheiten kehren ja auf einer globalen Welt zu uns zurück. Alles, was wir jetzt nicht auch an globale Gesundheitssysteme abgeben von unserem Reichtum, fällt uns selbst auf die Füße. Das heißt, es ist nicht nur Altruismus und Gutmenschentum, es ist globale Gesundheit."

Hintergrund: Wie wirken sich Kürzungen bei der Entwicklungshilfe auf den Kampf gegen HIV aus?

Die Studie, auf die sich Eckart von Hirschhausen in der Sendung bezog, ist am gestrigen Mittwoch (26.3.2025) auf der Website der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" erschienen. Am heutigen Donnerstag erscheint sie auch in der Printausgabe von "The Lancet HIV". Die Autoren um Debra ten Brink und Rowan Martin-Hughes vom Burnet Institute, einer Forschungseinrichtung in Melbourne, haben modelliert, welche Folgen finanzielle Kürzungen in der Entwicklungshilfe für den globalen Kampf gegen HIV haben könnten.

USA haben Entwicklungshilfe größtenteils ausgesetzt

Als Grundlage ihrer Berechnungen untersuchten die Wissenschaftler insgesamt 26 Länder, die besonders stark von HIV betroffen sind. Darunter sind unter anderem Malawi, Südafrika, Mosambik, Sri Lanka, die Dominikanische Republik und Moldau. Für diese Länder sei die internationale Hilfe im Kampf gegen HIV elementar wichtig, so die Autoren. Wörtlich heißt es in der Studie: "Seit 2015 haben internationale Geldgeber etwa 40 Prozent der Finanzierung der Mittel gegen HIV/Aids in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) bereitgestellt, weshalb ihre Unterstützung für die weltweiten Bemühungen zur Behandlung und Prävention von HIV von entscheidender Bedeutung ist." Alleine die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande decken demnach zusammen mehr als 90 Prozent der internationalen Gelder ab. Doch in allen dieser fünf Länder werden gegenwärtig Kürzungen bei der Entwicklungshilfe diskutiert. Für weltweites Aufsehen hat die Debatte in den USA gesorgt: Kurz nach Amtsantritt von Präsident Donald Trump wurden die Hilfsgelder der Vereinigten Staaten durch die Entwicklungshilfebehörde USAID mindestens für 90 Tage ausgesetzt. Die USA blockieren damit ihren Anteil von fast 73 Prozent an den Entwicklungshilfegeldern weltweit. Davon betroffen ist auch der sogenannte President’s Emergency Plan for Aids Relief (PEPFAR), der in den USA seit 2003 für die Finanzierung der globalen Aids-Hilfe zuständig ist. US-Außenminister Marco Rubio betonte zwar, dass das Programm weiterlaufen solle, aber Berichten zufolge ist es derzeit weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Zukunft von USAID und PEPFAR gilt als unklar.

"Lancet"-Studie: Fast 3 Millionen zusätzliche HIV-Todesfälle möglich

Für den Fall, dass die USA ihre Unterstützung nicht fortsetzen und auch andere wichtige Geberländer ihren Anteil verringern, gehen die Studienautoren von weltweit 10,75 Millionen zusätzlichen HIV-Neuinfektionen bis 2030 aus. Die Todesfälle durch HIV könnten sich im selben Zeitraum um bis zu 2,93 Millionen erhöhen. Das ist das Worst-Case-Szenario, das in der Studie beschrieben wird. Unter der moderateren Annahme, dass die Entwicklungshilfe zwar teilweise gekürzt wird, PEPFAR aber grundsätzlich weiter bestehen bleibt, erwarten die Studienautoren bis zu 850.000 zusätzliche Neuinfektionen und 30.000 zusätzliche Todesfälle.

Die Vereinten Nationen (UN) befürchten indes noch deutlich höhere Zahlen. Nach Berechnungen des UN-Hilfsprogramms UNAIDS seien ohne die US-Gelder in den kommenden vier Jahren 6,3 Millionen zusätzliche Todesfälle möglich. Nach eigenen Angaben betrug das UNAIDS-Budget im Jahr 2024 rund 220 Millionen Dollar und wurde gut zur Hälfte von den USA finanziert. Die Exekutivdirektorin von UNAIDS Winnie Byanyima äußerte zwar zuletzt Verständnis dafür, dass die USA ihre Finanzierung von Hilfsprojekten in aller Welt zurückfahren wollen. Gleichzeitig betonte sie aber, dass ein abrupter Rückzug verheerende Folgen habe. Sie appellierte an die US-Regierung, die Finanzierung möglichst umfangreich wieder aufzunehmen. Sollte diese Lücke nicht gefüllt werden, "werden wir erleben, dass die Aids-Pandemie langfristig wiederkommt“, warnte Byanyima.

Dieser Warnung schließen sich auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen an. So übte etwa die Deutschland-Chefin der Entwicklungsorganisation One, Lisa Ditlmann, scharfe Kritik: "Die beschlossenen und geplanten Kürzungen in den westlichen Geberländern drohen uns in kurzer Zeit wieder um 30 Jahre zurückzukatapultieren. Das müssen wir mit aller Kraft verhindern."

Tatsächlich sind sowohl die HIV-Neuinfektionen als auch die HIV-bedingten Todesfälle seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2023 steckten sich laut UNAIDS weltweit 1,3 Millionen mit dem Virus an – 38 Prozent weniger als im Jahr 2010. Die Zahl der Todesfälle sank im selben Zeitraum um 52 Prozent, von 1,3 Millionen auf 630.000.

Unionsführung fordert weniger Entwicklungshilfe – Kritik aus eigenen Reihen

Über die Frage der Entwicklungshilfe wird auch bei den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD gerungen. Während die Union für eine Absenkung der Entwicklungsausgaben plädiert, ohne dies näher zu beziffern, fordert die SPD, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung zu veranschlagen. Damit würde man dem offiziellen Ziel der OECD-Länder entsprechen. Im Jahr 2023 lag Deutschland mit 0,82 Prozent über dem Ziel, wie das Bundesentwicklungsministerium mitteilte.

Frühere Spitzenpolitiker von CDU und CSU appellieren jetzt an die eigenen Verhandler bei den Koalitionsverhandlungen, die Forderung nach Kürzungen bei der Entwicklungshilfe zurückzunehmen. "Wer bei der Entwicklung spart, schwächt nicht nur unsere internationalen Partnerschaften, sondern auch die Werte und Interessen, für die Deutschland steht", heißt es in dem Aufruf, über den das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am heutigen Donnerstag (27.3.2025) berichtete. Unterschrieben wurde der Appell demnach vom ehemaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), vom früheren Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und dem Ex-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU). Auch der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und die frühere Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sollen sich der Forderung laut RND angeschlossen haben.

Fazit: Eine aktuelle Studie australischer Forscher kommt zu dem Ergebnis, dass Kürzungen in der Entwicklungshilfe die Zahl der HIV-Infektionen und der mit dem Virus verbundenen Todesfälle in Zukunft massiv steigern könnten. Im schlimmsten Fall gehen die Studienautoren von fast 3 Millionen zusätzlichen Todesfällen in den nächsten sechs Jahren aus. Nach Berechnungen des UN-Hilfsprogramms UNAIDS seien sogar noch höhere Zahlen zu befürchten. Die USA, das weltweit größte Geberland, blockieren derzeit einen Großteil der Hilfszahlungen an internationale Entwicklungsorganisationen. Ob die Trump-Regierung diesen Kurs auch in Zukunft fortsetzen wird, ist unklar. In Deutschland forderte die Union zuletzt eine Absenkung der Entwicklungshilfe, die SPD jedoch widerspricht. Ob sich die Parteien in den Koalitionsverhandlungen einigen können, bleibt ebenfalls abzuwarten.

Stand: 27.03.2025

Autor: Tim Berressem