Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 08.04.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Wer ist das historische Vorbild für Trumps Zollpolitik?
Wer ist das historische Vorbild für Trumps Zollpolitik?
Unsere Kommentatoren diskutierten in der Sendung u.a. über die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. Dagmar Rosenfeld, Herausgeberin von Media Pioneer, erklärte in diesem Zusammenhang, Trump orientiere sich mit seinem Vorstoß am früheren US-Präsidenten McKinley. Wer der Mann war und für welche Wirtschaftspolitik er stand, schauen wir uns hier genauer an.
Rosenfeld: "Wenn man von Ideologie sprechen will: Er (gemeint ist US-Präsident Donald Trump, Anm. d. Red.) hat ja sein Vorbild in einem früheren US-Präsidenten McKinley, der Ende des 19. Jahrhunderts mal als US-Kongressabgeordneter in Ohio die Zölle auf 50 Prozent erhöhte. Und daraufhin blühte das Land auf, es blühte aber vor allem auf, weil dort die Industrialisierung begann und ganz viele Menschen in die USA strömten, ein Einwanderungsland, Menschen, die Kapital brachten. Und damals gab es eben noch keine Einkommensteuer, aus vor allem technischen Gründen. Und die Erzählung von Trump ist ja, es ist doch so ungerecht, dass die Amerikaner das Land finanzieren müssen, anstatt dass das sozusagen vom Ausland, die von den USA profitieren, über Zölle finanziert wird. Und das scheint so eine Vision zu sein."
Hintergrund: Wer ist das historische Vorbild für Trumps Zollpolitik?
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump verhängte zuletzt massive Einfuhrzölle gegen 185 Länder – darunter auch wichtige Handelspartner wie China und die Europäische Union. Die Abgaben belaufen sich dabei auf mindestens 10 Prozent. Gegen China geht die US-Regierung besonders hart vor: Hier betragen die Strafzölle nach einer neuerlichen Erhöhung am heutigen Mittwoch (9.4.2025) insgesamt 125 Prozent auf sämtliche Waren.
Schon jetzt gilt dieser Vorstoß als einer der aggressivsten protektionistischen Akte in der US-Geschichte. Doch überraschend kommt er nicht. Donald Trump hatte sein Zollpaket bereits im Wahlkampf angekündigt. Als historisches Vorbild nannte er dabei immer wieder den früheren US-Präsidenten William McKinley, den er als "Zoll-König" bezeichnete. Bei seiner Antrittsrede am 20. Januar 2025 sprach Trump von einem "großartigen Präsidenten" und kündigte an, den höchsten Berg der USA, der seit 2015 offiziell unter dem indigenen Namen "Denali" geführt wurde, wieder in "Mount McKinley" umzubenennen. Doch was genau hat es mit Trumps Verehrung für McKinley auf sich?
Als republikanischer Kongressabgeordneter initiierte William McKinley im Jahr 1890 den nach ihm benannten "McKinley Tariff", der Importzölle auf ein Rekordniveau hob. Durchschnittlich wurden Zölle von 48 bis 50 Prozent auf verarbeitete Industriegüter erhoben. Auf einige Produkte entfielen sogar noch deutlich höhere Einfuhrabgaben. Es war einer der höchsten Zollstände in der Geschichte der USA. Die Maßnahme verteuerte Konsumgüter und traf auch amerikanische Exporteure, weil andere Länder mit Gegenzöllen antworteten. Bei der darauffolgenden Kongresswahl 1890 verlor McKinley seinen Sitz im Repräsentantenhaus. 1894 schaffte der demokratische Präsident Grover Cleveland den "McKinley Tariff" ab und sorgte einstweilen für geringere Zölle.
McKinleys politische Karriere ging unterdessen weiter. 1891 wurde er Gouverneur von Ohio. 1896 wählte man ihn zum 25. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Als solcher unterstützte er 1897 den "Dingley Tariff Act", der den Zollkurs wieder verschärfte. Dieses Gesetz – benannt nach dem Kongressabgeordneten Nelson Dingley Jr. – erhöhte die Zölle auf viele Produkte deutlich. Trotz der negativen Erfahrungen, die er in der Vergangenheit mit seiner protektionistischen Handelspolitik gemacht hatte, betrachtete McKinley Zölle weiterhin als probates Mittel, um amerikanische Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen. Der "Dingley Tariff Act" blieb über ein Jahrzehnt lang in Kraft und prägte wesentlich McKinleys Präsidentschaft.
Um seine eigene Handelspolitik zu untermauern, verweist Donald Trump gerne auf den wirtschaftlichen Aufschwung, den die USA unter "Zoll-König" McKinley erlebten. Und tatsächlich blühte die US-Wirtschaft in dieser Zeit auf. Experten wie der Wirtschaftshistoriker Douglas Irwin vom Dartmouth College betonen jedoch, dass nicht die Zollpolitik der ausschlaggebende Faktor war, sondern technologische Innovationen und die große Zahl von Einwanderern, die damals neues Kapital nach Amerika brachten. "Das gesamte späte 19. Jahrhundert war eine Zeit der Expansion", erklärte Irwin kürzlich gegenüber CNN. "Die Zölle selbst machten vermutlich keinen großen Unterschied." Seitdem habe sich die Weltwirtschaft aber in einer Weise verändert, die Trumps Politik der hohen Zölle nicht mehr zeitgemäß erscheinen lasse, so Irwin weiter. "Wir haben einen Präsidenten des 20. Jahrhunderts in einer Wirtschaft des 21. Jahrhunderts, der uns ins 19. Jahrhundert zurückführen will."
McKinley selbst sprach sich in seiner zweiten Amtszeit für eine Lockerung der Zollpolitik aus. Am 5. September 1901 sagte er bei der Weltausstellung "Pan-American Exposition" in Buffalo: "Die Zeit der Abschottung ist vorbei. Die Ausweitung unseres Handels und unserer Wirtschaft ist die drängende Aufgabe. Handelskriege sind unrentabel." Umsetzen konnte er den hier skizzierten handelspolitischen Kurswechsel aber nicht, denn einen Tag nach seiner Rede wurde McKinley von einem Attentäter angeschossen. Knapp eine Woche später erlag er seinen Verletzungen. William McKinley wurde 58 Jahre alt.
Sein Vizepräsident Theodore Roosevelt übernahm die Amtsgeschäfte. Er beließ die Zollpolitik jedoch weitgehend unverändert. In den folgenden Jahrzehnten verloren die Zölle in den USA dann immer weiter an Bedeutung. Zwar setzten manche Nachfolger von McKinley und Roosevelt phasenweise auf eine Anhebung der Zölle – etwa Präsident Herbert Hoover im Jahr 1930 oder Richard Nixon in den 1970er-Jahren. Doch insgesamt partizipierten die USA zunehmend an einem weltumspannenden Wirtschaftssystem mit integrierten, kleinteiligen Lieferketten. Der Anteil des Außenhandels an der US-Wirtschaftsleistung hat sich seit McKinleys Zeiten mehr als verdoppelt. Zudem waren die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich am Aufbau dieses multilaterale Handelssystem beteiligt. Viele Wirtschaftsexperten fürchten nun, dass Trump dieses über Jahrzehnte gewachsene System mit seiner Zollpolitik langfristig zerstören könnte.
Fazit: Um seine protektionistische Handelspolitik zu untermauern, verweist Donald Trump immer wieder auf den früheren US-Präsidenten William McKinley. Dieser sorgte Ende des 19. Jahrhunderts für eine deutliche Anhebung der Einfuhrzölle, um amerikanische Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen. Tatsächlich florierte die US-Wirtschaft unter Präsident McKinley, doch Experten betonen, dass vor allem technologische Innovationen und eine zunehmende Einwanderung dafür verantwortlich waren – nicht die hohen Zölle. Angesichts einer immer globaler werdenden Wirtschaft verloren Zölle im 20. Jahrhundert an Bedeutung. Sogar McKinley selbst sprach sich in seiner zweiten Amtszeit für eine offenere Handelspolitik aus. Viele Wirtschaftsexperten befürchten, dass Donald Trump die über Jahrzehnte weltweit gewachsenen Handelsbeziehungen mit seiner Zollpolitik langfristig zerstören könnte.
Stand: 09.04.2025
Autor: Tim Berressem