Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 09.04.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Robin Alexander, Katharina Dröge, Ann-Kathrin Hipp, Hubertus Meyer-Burckhardt, Dieter Nuhr
Die Gäste (v.l.n.r.): Robin Alexander, Katharina Dröge, Ann-Kathrin Hipp, Hubertus Meyer-Burckhardt, Dieter Nuhr | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Was besagt der Koalitionsvertrag zum Thema Klimaschutz?

Was besagt der Koalitionsvertrag zum Thema Klimaschutz?

Unsere Kommentatoren diskutierten in der Sendung über den Koalitionsvertrag, den Union und SPD am gestrigen Mittwoch (9.4.2025) in Berlin vorstellten. Ann-Kathrin Hipp bemängelte, dass in dem 144 Seiten starken Vertrag nur etwa eine halbe Seite dem Klimaschutz gewidmet sei. Robin Alexander widersprach und erklärte, das Thema werde deutlich umfangreicher adressiert. Was konkret im Koalitionsvertrag zum Klimaschutz steht, schauen wir uns hier noch einmal genauer an.

Koalitionsvertrag: Was tun Union und SPD für den Klimaschutz? | Video verfügbar bis 09.04.2026

Hipp: "Wenn wir über Themen sprechen, die überhaupt nicht drin sind: Ich war sehr erstaunt, dass Klima eine halbe Seite ungefähr ausmacht in diesem Kapitel. Das ist was, worüber man irgendwie überhaupt nicht mehr redet. Gleichzeitig hat Raumfahrt auch eine halbe Seite. Wenn man dann irgendwie so ein bisschen zynisch werden will, sagt man, okay, die machen sich schon mal Gedanken, wenn wir es hier auf der Erde nicht mehr aushalten, weil es zu heiß wird, dann haben wir wenigstens eine Möglichkeit, wo wir ausweichen können. Also, da sind ganz viele Zukunftsfragen, die für mich nicht geklärt sind."

(…)

Alexander: "Ich würde gerne was zum Klima sagen. Ich glaube nicht, dass das stimmt mit der halben Seite. Das ist an ganz vielen Stellen drin. Und das Interessante ist, dass sie nicht aus den Klimazielen gehen, was ja andere Regierungen tun. Also sie halten fest an den deutschen Klimazielen, die ambitionierter sind als die europäischen Ziele, um fünf Jahre, was sehr umstritten war intern. Und was sie nicht machen und wo ich finde, dass das noch allen auf die Füße fallen kann, ist: Sie gehen weg vom Klimageld."

Hintergrund: Was besagt der Koalitionsvertrag zum Thema Klimaschutz?

CDU, CSU und SPD haben am gestrigen Mittwoch (9.4.2025) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Unter dem Titel "Verantwortung für Deutschland" formulieren die drei Parteien auf insgesamt 144 Seiten ihren Plan für die kommende Legislaturperiode.

Schwarz-Rot bekennt sich zu Klimazielen

Der Themenkomplex "Klima und Energie" umfasst dabei insgesamt acht Seiten. Demnach will die nächste Bundesregierung grundsätzlich den Kurs ihrer Vorgänger fortführen. Sie bekennt sich zum Pariser Klimaabkommen, wonach der globale Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden soll. Zudem hält Schwarz-Rot an dem Ziel fest, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen – und damit fünf Jahre früher, als es die EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Green Deal festgelegt haben. Insgesamt aber möchte man bei der Klimapolitik künftig stärker den Aspekt der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigen. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: "Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden."

"Heizungsgesetz" soll abgeschafft werden

Laut Medienberichten gab es im Laufe der Koalitionsverhandlungen zahlreiche strittige Punkte im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. In vielen Fragen konnte man sich nun einigen. So soll etwa die landläufig als Heizungsgesetz bezeichnete Reform des Gebäudeenergiegesetzes abgeschafft werden, die die Ampel im Jahr 2024 einführte. Laut Heizungsgesetz soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden. Kritiker bemängeln jedoch die zahlreichen kleinteiligen Regelungen, die oft als bürokratisch und schwer umsetzbar gelten. Was genau die schwarz-rote Koalition stattdessen plant, ist noch nicht klar. Denn das Gebäudeenergiegesetz soll in seinen Grundzügen erhalten bleiben und "technologieoffener, flexibler und einfacher" gemacht werden. Details werden hier nicht genannt. Die finanzielle Förderung klimafreundlicher Heizungen soll in jedem Fall fortgesetzt werden, doch in welcher Höhe, ist noch offen.

Klimageld kommt nicht

Ein Klimageld zur Kompensation steigender CO2-Preise wird es laut Koalitionsvertrag nicht geben, wie Robin Alexander bereits in der Sendung sagte. Zum Hintergrund: Für jede ausgestoßene Tonne CO2 muss im Rahmen des Emissionshandels ein gewisser Preis bezahlt werden. Dieser Preis ist in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, sodass z.B. das Heizen mit Erdgas oder das Tanken von Benzin immer teurer geworden ist. Auf diese Weise soll für den Verbraucher ein Anreiz geschaffen werden, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen. Diesen Umstieg können sich aber bei Weitem nicht alle Menschen leisten. Deshalb kündigte die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag 2021 die Einführung eines Klimageldes an, mit dem die Bürger direkt entlastet werden sollten. Dabei sollten die staatlichen Mehreinnahmen aus dem Emissionshandel in Form einer Pro-Kopf-Prämie an die Verbraucher zurückfließen. Zur Einführung kam es jedoch nicht. Union und SPD formulieren in ihrem Koalitionsvertrag nun ebenfalls die Absicht, die Einnahmen aus dem Emissionshandel "unbürokratisch und sozial gestaffelt" an die Bevölkerung zurückzugeben. Jedoch soll dies nicht in Form einer Direktzahlung geschehen, sondern "durch eine spürbare Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität".

Strompreise sollen sinken

Unstrittig war unter den Verhandlungspartnern die Senkung der Strompreise durch niedrigere Netzentgelte und das Absenken der Stromsteuer auf EU-Mindestmaß. Zudem soll es einen Industriestrompreis geben, um besonders energieintensive Unternehmen zu entlasten. Die von der Ampel als Sparmaßnahme erst abgeschaffte, dann wieder teilweise eingeführte Subvention für Agrardiesel wird vollständig wiederhergestellt. Unstrittig ist auch die Förderung der Wasserstoffwirtschaft.

Beim Kohleausstieg hält Schwarz-Rot am Datum 2038 fest. Von einem früheren Datum wie in der Ampel ist nicht mehr die Rede. SPD, Grüne und FDP hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag 2021 das Ziel gesetzt, den Ausstieg "idealerweise auf 2030" vorzuziehen. Die neue Koalition aus Union und SPD tritt hier auf die Bremse und will Kohlekraftwerke nur in dem Maße stilllegen, wie steuerbare Gaskraftwerke hinzugebaut werden können. Eine mögliche Reaktivierung abgeschalteter Kernkraftwerke kommt im Koalitionsvertrag nicht vor. Dabei hatte die Union in den Verhandlungen noch auf eine Prüfung gedrängt, ob die alten AKW potentiell wieder ans Netz gehen könnten. Darüber hatte u.a. "Table Media" berichtet.

Kein generelles Tempolimit auf Autobahnen

Auch in anderen Bereichen haben sich Union und SPD auf Ziele geeinigt, die Auswirkungen auf die Klimabilanz haben werden. So wird es z.B. kein generelles Tempolimit auf Autobahnen geben. Das Deutschlandticket im öffentlichen Nahverkehr soll erhalten bleiben, die Luftverkehrssteuer hingegen zurückgenommen und Fliegen günstiger gemacht werden. Die von der SPD geforderte Kaufprämie für Elektroautos findet im Koalitionsvertrag keine Erwähnung. Allerdings sollen "Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen" beim "Umstieg auf klimafreundliche Mobilität" unterstützt werden.

DIW kritisiert: Abschaffung des Heizungsgesetzes "höchst problematisch"

Kritik an der klimapolitischen Ausrichtung der neuen Koalition kommt u.a. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Claudia Kemfert – Leiterin der DIW-Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt – begrüßt zwar, dass Union und SPD an den grundsätzlichen Klimazielen festhalten. Sie bezweifelt jedoch, dass die Ziele mit den im Koalitionsvertrag aufgeschriebenen Maßnahmen erreichbar seien. Insbesondere die Abschaffung des Heizungsgesetzes sei "höchst problematisch", so Kemfert. "Die angestrebten Maßnahmen lassen befürchten, dass gerade im Gebäudebereich die nötigen Emissionsminderungsziele nicht erreicht werden können". Im Verkehrssektor kritisiert sie umweltschädliche Subventionen, wie z.B. für Agrardiesel, oder die Senkung von Luftverkehrssteuern. "Fliegen sollte nicht billiger, sondern teurer werden. Es fehlt ein dringend benötigtes Tempolimit, das nicht nur Emissionen senkt, sondern auch die Verkehrssicherheit stärkt." Außerdem fordert Kemfert einen früheren Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) äußert scharfe Kritik. "In Sachen Wärmewende ist der Worst Case eingetreten", erklärt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. "Das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden. Das ist fatal für den Klimaschutz und bezahlbares Heizen." Deutschland werde immer mehr zum europäischen Schlusslicht, was den Klimaschutz im Gebäudesektor anbetrifft. Die Deutsche Umwelthilfe kündigte bereits an, "notwendige Klimaschutzmaßnahmen insbesondere in den Bereichen Gebäude und Verkehr notfalls gerichtlich durchzusetzen."

Parteien müssen nun über Koalitionsvertrag abstimmen

Auch wenn sich die an den Verhandlungen beteiligten Parteienvertreter auf den vorliegenden Koalitionsvertrag geeinigt haben, sind bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung noch weitere Schritte notwendig. Zunächst müssen CDU, CSU und SPD jeweils intern entscheiden, ob sie den Vertrag unterzeichnen. Die CSU hat diese Hürde am heutigen Donnerstag (10.4.2025) als erste der drei Parteien genommen. In einer gemeinsamen Schaltkonferenz des Vorstands, der Landesgruppe im Bundestag und der Landtagsfraktion stimmte man dem Koalitionsvertrag zu. Die CDU will ihre Entscheidung auf einer Sitzung des Bundesausschusses fällen. Das auch als kleiner Parteitag bekannte Treffen mit rund 160 Mitgliedern soll am 28. April stattfinden. Bei der SPD stimmen alle Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag ab. Die digitale Abstimmung startet am 13. April und endet am 29. April. Das Ergebnis soll dann am 30. April verkündet werden. Die Namen der künftigen Bundesminister sollen erst danach bekanntgegeben werden.

Der Bundeskanzler wird gesondert von den Abgeordneten des Bundestags gewählt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, könnte CDU-Chef Friedrich Merz am 7. Mai zum Kanzler gewählt und als solcher vereidigt werden. An diesem Tag würden dann auch die neuen Minister ihre Ernennungsurkunden erhalten.

Fazit: In ihrem gemeinsamen Koalitionsvertrag bekennen sich Union und SPD zum Pariser Klimaabkommen und dem Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Im Einzelnen möchte man dieses Ziel aber mit einer anderen Politik erreichen als die Ampel-Regierung. Das sogenannte Heizungsgesetz, das wegen seiner kleinteiligen Regeln schon lange in der Kritik steht, soll grundlegend verändert werden. Details werden hier aber nicht genannt. Auch das von der Ampel geplante Klimageld kommt nicht. Die Koalitionäre einigten sich außerdem auf eine Senkung der Strompreise und den Verzicht auf ein generelles Tempolimit. Das Deutschlandticket soll erhalten bleiben, die Luftverkehrssteuern reduziert werden. Kritiker befürchten jedoch, dass die gesteckten Klimaziele mit den Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag beschrieben werden, nicht zu erreichen seien. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kündigte bereits an, "notwendige Klimaschutzmaßnahmen" notfalls gerichtlich durchzusetzen.

Stand: 10.04.2025

Autor: Tim Berressem