So., 13.04.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Druckfrisch-Musiker des Monats
Zugegebenermaßen tendiert die Musikliste von „druckfrisch“ gelegentlich etwas zum Merkwürdigen. Dem folgt die April-Ausgabe des Jahren 2025 in aller Konsequenz und kürt den schon unter Literaten nicht nur geliebten 70er-Jahre Radikal-Poeten Rolf Dieter Brinkmann zum "Musiker des Monats".
Im Jahr 1973 zog Rolf Dieter Brinkmann, der damals vor lauter Weltpanik sogar das Dichten so gut wie aufgegeben hatte, mit einem Tonband und Mikrophon bewaffnet durch Köln und sprach Texte, Gedichte, Beschimpfungen in den Apparat, die erst in diesem Jahrhundert dann gesammelt als das Hörspiel "Wörter Sex Schnitt" veröffentlicht wurden. Zum 85. Geburtstag des Dichters, den dieser in Unkenntnis des Linksverkehrs in Großbritannien leider nicht mehr erlebt, haben wir aus einer Passage – ergriffen von der Sprachgewalt – ein kleines Lyrik-Video gebastelt. Unser Freund Acid Pauli liefert in der üblich genialischen Weise dazu das musikalische Klangbett.
Begonnen hatte die Sendung (akustisch) vergleichsweise konventionell: mit einer Komposition des Filmmusikers Kavinsky, der – unverholen plagiatorisch – sich bei einem Track seines Vorbildes John Carpenter bediente, um daraus den Soundtrack des Kult-Fahrerfilmes "Drive" zu basteln. Paßt auch ideal zu den künstlich intelligenten Wolkenwelten, mit denen die Sendung beginnt.
Eine echte Entdeckung ist die Musik eines gewissen Joe Tossini, der Yasmina Reza präludieren darf. Nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat sich der gelernte Innenausstatter Joe Tossini bisher verdient. Sein Album "Lady Of Mine" hat er 1977 in einer Lebenskrise komponiert, aber erst 1988 semiprofessionell mit ein paar Freunden aufgenommen. Darauf singt er so naiv mit bebender Stimme von den allergrößten Gefühlen, dass es noch beim Hören wehtut: "Be my lover, be my friend!". Eine wirklich große Platte, die unlängst wieder aufgelegt wurde und die man sofort kaufen sollte, wenn man über sie stolpert.
Nicht vorbei kommen wir natürlich an der vielleicht verrücktesten Neuerscheinung des Jahres: Malakoff Kowalskys eigensinniger Vertonung einiger Allan Ginsberg-Gedichte, die der Pianist – ebenfalls mit brüchigster Stimme – zu klassischen Klaviergassenhauern vorträgt. In unserem Fall eben Chopin gespielt vom Star-Pianisten Igor Levit auf einem alten Klavier. Fast so herzzerreißend wie Tossini, und das will etwas heißen.
Zum Schluss dann die Verneigung vor Mike Hurley, den "Outside-Folkie", der am 1. April mit 83 Jahren verstorben ist und dessen Biographie manches Rätsel aufgibt. Der "Rolling Stone" sinnierte darüber, ob er "ein Genie oder verrückt" sei und gab die Antwort: "er ist beides". Anders als sein Zeitgenosse, der zur Zeit als Querkopf gefeierte Bob Dylan, blieb Hurley Zeit seines Lebens ein solcher. Zeitweise gab er die Musik auf, veröffentlichte aber von 1964 an über 30 Platten, die alle von einer eigenen Lo-Fi-Ästhetik geprägt ganz nah am Ursprung der Musik bleiben. Sein verwackelter Song vom "End Of The Road" ist unser Schlusssong: Selten so geheult. Farewell Mike!
Andy Ammer
Titel | Interpret |
---|---|
Endless | Kavinsky |
If I Should Fall In Love | Joe Tossini |
Edda’s Cumbia | Acid Pauli |
Wörter Sex Schnitt | Rolf Dieter Brinkmann |
When I Died, Love | Malakoff Kowalsky & Igor Levit |
The End Of The Road | Mike Hurley |
Stand: 13.04.2025 13:38 Uhr
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