So., 26.01.20 | 23:35 Uhr
Das Erste
"druckfrisch"-Musiker des Monats: Martin Heidegger
Ein Philosoph holt den Titel
Der erste Musiker des Monats im Jahre 2020 ist der als Philosoph nicht unumstrittene Martin Heidegger, dessen Hölderlin-Lesungen unser hörspielender Regisseur zu Musiken arrangiert hat, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Aber sowohl das Blues-Harmonika-Solo von Heideggers Zeitgenossen Sonny Boy Williamson II. (das Monika Helfer präludiert) als auch der abschließende Minimal-Techno-Track von Acid Pauli („Dancing In The Trunk“ im Ed Ed Remix) harmonieren mit Martin Heideggers kehlig verruchter Lesung der heiligen Zeilen ("Was ist Gott’?“ und "In Hütten Wohnet“) des größten deutschen Dichters so perfekt, als hätte Heidegger selbst den Blues gehabt oder gestern Nacht erst zu Techno getanzt. Was für eine Vokalperformance. Aber vielleicht liegt es auch am Text, sodaß der eigentliche Musiker des Monats Januar Friedrich Hölderlin wäre.
Eine perfektionistische Minute Musik von Niklas Natt och Dag
Hölderlins Zeitgenosse Carl Michael Bellman wird von dem schwedischen Beststellerautoren Niklas Natt och Dag so gefühlvoll vorgetragen, als ob dieser sein Geld weltweit mit Gitarre und Gesang und nicht mit der schriftlichen Schilderung von Grausamkeiten aus dem Stockholm des 18. Jahrhunderts verdienen würde. Unseren Wunsch, musikalisch eine Minute zu druckfrisch beizutragen, erfüllte Niklas Natt och Dag mit der klinischen Akkuratesse eines künstlerischen Perfektionisten und einer Trauer-Ballade ("Epistel Nu.o 81“) in a-moll.
John Lee Hooker für den Dancefloor
Bellmann, Hölderlin, Heidegger… John Lee Hooker kann sich in dieser illustren Reihe durchaus behaupten. Sein ursprünglich von ihm allein vorgetragener Blues-Evergreen "It Serves You Right To Suffer“ hat der französische DJ Avener mit ein paar fetten Bässen und lockeren Handclaps fast dancefloor-tauglich gemacht (und dabei doch den wohligen Schauer des Originals erhalten). In jeder Sendung in der nicht Heidegger aufgetreten wäre, ein sicherer Kandidat für den Musiker des Monats. So reichte es nur für den ehrenvollen Platz im Intro zur Sendung.
Der alten Madonna huldigen
Wahrscheinlich druckfrisch-Premiere (ganz sicher erinnern wir uns allerdings nicht an alle siebzehn (17!) zurück liegenden Jahre) darf Madonna feiern. Natürlich mit einem Track aus ihrem mit Abstand besten, mit William Orbit produzierten Album "Ray of Light“, das ähnlich alt ist wie unsere kleine literaturkritische Familiensendung. Ihr sublimes "Substitute for Love“ besingt ausgerechnet die Silhouette von Tel Aviv, wo sie letztes Jahr mit einen weltweit bemitleideten Auftritt im Eurovision Song Contest ihren Ruf als Vokalistin endgültig ruineit hat. In unserem inneren Archiv der großen Pop-Momente lebt sei trotzdem weiter.
Heidegger neu zusammengesetzt
Bleiben noch die Heidegger-Weggefährten Sonny Boy Williamson und Acid Pauli (aka Martin Gretschman, aka Console); letzterer langjähriger Freund der Sendung als Lieferant der druckfrisch-Titelmelodie (bevor wir dazu übergingen jedes Mal einen ganz neuen Vorspann zu produzieren). Die Konfrontation mit Heidegger ist ihm nicht ganz neu, hat er als Console doch schon einmal als Hörspiel ein "Heidegger-Bootleg“ veröffentlicht.
Text: Andy Ammer
Im Bild: Martin Heidegger (links) ist der Musiker des Monats Januar. Die Aufnahme zeigt Heidegger in seinem Haus in Freiburg im Breisgau mit dem Wiener Psychiater VIktor Frankl um 1960.
Playlist der Sendung:
Titel | Interpret |
---|---|
Ir serves You Right To Suffer | John Lee Hooker |
Blues | Sonny Boy Williamson II. |
Fredmans Epistel No. 81 | Carl Michael Bellmannn/Niklas Natt och Dag |
Drowned World / Substitute for Love | William Orbit / Madonna |
Dancing In The Trunk (Ed Ed Remix) | Acid Pauli |
Was ist Gott? | Friedrich Hölderlin, gelesen v. Martin Heidegger |
Aber in Hütten wohnet | Friedrich Hölderlin, gelesen v. Martin Heidegger |
Stand: 27.01.2020 00:05 Uhr
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