So., 12.09.21 | 23:40 Uhr
Das Erste
"druckfrisch"-Musiker des Monats: "Erdmöbel"
Musiker des Monats September 2021 sind die "Erdmöbel" aus Köln, in derem unterirdischen Studio "druckfrisch" letzte Woche zu Gast sein durfte, um ihren Song von der "Hoffnungsmaschine" noch ein weiteres Mal aufzunehmen. Das Lied hat bereits eine längere Geschichte hinter sich. Es erschien bereits 2018, also mithin in einer anderen Weltepoche.
In diesem Jahr erlebte es in einer durchaus symbolisch gemeinten "Impfversion" mit Stars wie Judith Holofernes, Désirée Nosbusch, Wolfgang Niedecken und Spielern des 1. FC Union Berlin eine Neuauflage, um – so die Band – "in einer Zeit der zunehmenden Pandemiemüdigkeit Hoffnungsbotschaften in die Bevölkerung zu senden". Die gaststarlose Kurzversion mit gleicher Botschaft gibt es jetzt in "druckfrisch".
Begonnen hatte die Sendung mit einem Remix des Songs "Connaisssais de Face" der texanischen Band Khruangbin, die ebenfalls die stete Wandelbarkeit ihrer Songs zum Bandprinzip gemacht hat. Kaum ist eine LP erschienen, häufen sie zahllose Remixversionen zu ihrem Oeuvre hinzu, die die manifestartige Stillosigkeit der Band zum Soundprinzip erheben. So fragil sich Khruangbin durch die Musikgeschichte tasten, so brachial brechen einige Minuten später die Mormonen von "Low" ins bedächtige "druckfrisch"-Sendegeschehen ein.
Früher eher als überlangsame "Slowcore"-Band bekannt, haben sie die Lektionen des aktuellen Hip-Hop gelernt: Autotune Effekte allenthalben, bis zur Unkenntlichkeit komprimierter Gitarrensound und darüber der zweistimmige Gesang der Lebenspartner Alan Sparhawk & seiner Frau Mimi Parker an den Drums. Low klingt immer noch wie keine andere Band auf dem Planeten, so lautet die Reaktion der Musikpresse auf das neue Album … man hört es bereits in den 49 Sekunden, die aus ihrem neuen Werk in "druckfrisch" erklingen.
Einer, der immer klingt wie Frank Zappa, ist Frank Zappa … selbst in dem frühen DooWhop Song "Memories of El Monte". Geschrieben hat er ihn bereits 1963 für eine Band namens "The Pinguins" lange bevor er mit "Mothers of Invention" und plattenlangen Lärm-Eskapaden samt obszönen Texten die Musikwelt für alle Zeiten veränderte.
Ähnliches gilt auch für Lee Scratch Perry, ohne den der Dub nie zu einem weltumspannenden, eigenen Musikgenre geworden wäre, auf dessen hypnotischen Grundbeat sich heute sogar so unterschiedliche Berliner Musiker wie Nils Frahm und F.S. Blumm (von letzterem bald mehr in "druckfrisch") einigen können. Letzten Monat ist Lee – trotz einem nicht ganz gesunden Lebensstil – mit 85 Jahren in seiner Heimat Jamaica verstorben (nachdem er jahrzehntelang ausgerechnet in der Schweiz residiert hatte). Keine bessere Musik gibt es, um verloren auf einem verwaisten Nachsaisonstrand zum Horizont zu marschieren.
Von Andy Ammer
Titel | Interpret |
---|---|
Connaissais de Face (Tiger) | Khruangbin & Ginger Root |
More | Low |
Hoffungsmaschine | Erdmöbel |
Memories of El Monte | The Mothers of Invention |
Run Evil Spirit | Lee Scratch Perry |
Stand: 12.09.2021 18:00 Uhr
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