So., 12.09.21 | 23:40 Uhr
Das Erste
Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch
Platz 10) Dr. med Anne Fleck: "Energy!"
Wie die großen Pharmafirmen sind auch Autoren medizinischer Ratgeber stets auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Die Medizinierin Anne Fleck hatte die brillante Idee zu der Passepartout-Diagnose "Energiemangel", denn wer fühlt sich nicht mal, Zitat, "schlapp und angeschlagen"? Zwar sind Flecks Tipps zur gesunden Lebensführung in diesem Buch sicher nicht falsch, dennoch entstammt der Trick mit der Therapie erfundener Krankheiten dem Repertoire der Quacksalber vergangener Jahrhunderte.
Platz 9) Ralph Bollmann: "Angela Merkel"
Diese grundsolide recherchierte und sauber gearbeitete Biographie der scheidenden Kanzlerin wirft einige exemplarische Fragen auf. Wie nahe kann man als Biograph der Gegenwart kommen? Entzieht sich da nicht der Gegenstand durch Unschärfe? Gewiss, man kann aus Angela Merkel keinen Winston Churchill machen. Aber Angela Merkel kann unmöglich so langweilig sein, wie sich diese fast 800 Seiten lange Biographie liest.
Platz 8) Ferdinand von Schirach: "Jeder Mensch"
Wie der Globalisierung, der Macht der Algorithmen, der künstlichen Intelligenz und dem Klimawandel auf EU-Ebene begegnen? Sechs neue Grundrechte, so die Forderung des Juristen Ferdiand von Schirach, sollen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union von 2009 ergänzen. Eine Utopie – genau wie die Erklärung der Menschenrechte 1798. Und eine gute Sache.
Platz 7) Mai Thi Nguyen-Kim "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit"
Denken Frauen anders als Männer? Was bedeutet Erblichkeit hinsichtlich unserer Intelligenz? Welches Minimum an Konsens benötigt eine Gesellschaft, um handlungsfähig zu bleiben? Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim erläutert in mitunter etwas zu flapsigem Ton, aber wohltuend unaufgeregt am Beispiel von acht kontrovers diskutierten Fragen den Unterschied zwischen Wahrheit, Lüge, Fakten und Ideologie.
Platz 6) Frank Schätzing: "Was, wenn wir einfach die Welt retten?"
Warum wir unser Leben ändern müssen, um den Klimawandel zu stoppen, wie das geht und weshalb wir zudem mit "Hochdruck an Asteroiden-Abwehr-Systemen" forschen sollten: das erklärt Frank Schätzing wunderbar anschaulich in diesem "Sciene-Faction"- Sachbuch, das nichts verharmlost und doch aus der Lethargie der Überforderung führt.
Platz 5) Sahra Wagenknecht: "Die Selbstgerechten"
Sahra Wagenknecht diagnostiziert, dass, Zitat, "an die Stelle demokratischen Meinungsstreits emotionalisierte Empörungsrituale, moralische Diffamierungen und offener Hass getreten sind." Statt in Gesellschaftsanalyse übten sich die Lifestyle-Linken? lieber in der Denunziation der Vergangenheit, entsolidarisierten sich mit dem unteren Drittel unserer Gesellschaft durch ihr Beharren auf Diversität, Antirassismus, Cancel Culture und eine lockere Einwanderungspolitik und führten durch solche Kulturkämpfe "mindestens in gleichem Maß zur Spaltung unserer Gesellschaft bei wie die Hetzreden der Rechten." Selten fand ich eine politische Gegenwartsanalyse treffender.
Platz 4) Peter Wohlleben: "Der lange Atem der Bäume"
Deutschlands Nationalförster erklärt gewohnt faktensatt den Zusammenhang zwischen Wald und Klimawandel an konkreten Beispielen: warum Rosskastanien in der Eifel plötzlich im September zu blühen beginnen, warum es in heißen Sommern in menschengemachte Kiefern-Monokulturen im Vergleich zu alten Laubwälder bis zu acht Grad Celsius wärmer ist oder weshalb sich die Ruhezeit für Pflanzen in den letzten Jahrzehnten um zwei Wochen verkürzt hat. Ein gutes Buch.
Platz 3) Eckhart von Hirschhausen: "Mensch Erde! Wir könnten es so schön haben"
Nichts, was in diesem Buch steht, ist falsch. Man muss den witzelnden Stil Eckhart von Hirschhausens nicht mögen, um ihm in der Sache recht zu geben. Aber ob zur Bewältigung der Klimakrise Bilder von Fernsehmoderatoren in Blümchenwiesen einen relevanten Beitrag leisten, hat sich mir nicht erschlossen.
Platz 2) Dr. med Marianne Koch: "Alt werde ich später"
"Wer in der Arztpraxis auf dem Ergometer mindestens 75 Watt über einige Minuten schafft und der Blutdruck dabei nicht über 180 zu 110 steigt, ist ‚fit for Sex‘." Die Tipps für ein gutes Altwerden der Schauspielerin und Ärztin Marianne Koch machen gute Laune – nicht zuletzt, weil die inzwischen 90-jährige Autorin ersichtlich weiß, wovon sie spricht.
Platz 1) Hape Kerkeling: "Pfoten vom Tisch!"
Schnurrige Anekdoten über die Katzen seines Lebens, Tipps für die Haltung dieser Haustiere, eine Charakterisierung verschiedener Katzenrassen und schließlich eine Nacherzählung des Märchens vom Gestiefelten Kater … Spätere Generationen werden sich wundern, was man in der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2021 so alles als Buch verkaufen kann. Falls Sie ein wirklich gutes Katzenbuch lesen möchten, empfehle ich Ihnen Michael Köhlmeiers "Matou".
Stand: 12.09.2021 18:00 Uhr
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