So., 23.02.25 | 23:45 Uhr
Das Erste
Druckfrisch-Musikerin des Monats
Der Tag der 211. Ausgabe von "Druckfrisch" war ein besonderer Tag, ein Wahltag, sogar der Tag einer besonderen Wahl. Der Ruck, der hier durch Deutschland ging, erfordert eine besondere Musikauswahl, eine die etwas "semantischer" ist als unser sonstiges akustisches Begleitmaterial.
Beginnen wir mit dem Schönen, dass es trotzdem gibt: Die Musikerin des Monats Februar 2025 ist Maria de Val, die in ihrer "Kings of Convenience"-haften, leisen Selbstverständlichkeit so singt, als ob es in der Welt nichts Böses geben könnte. "One Of Us Cannot Be Wrong" heißt das Lied der eigentlich ladinischen Musikerin, die mit Geburtsnamen Maria Moling heißt. Bevor sie sich musikalisch selbstständig gemacht hat, sang und spielte sie mit zwei verwandten Musikerinnen in der Gruppe "Ganes" mit, die einige Berühmtheit erlangt hat, weil dies die vielleicht einzige Band ist, die auf ladinisch singt und auch außerhalb ihres Südtiroler Kulturkreises auftreten kann. Maria de Val versucht es jetzt ohne den Minderheitenbonus: ganz großer Pop ohne Popanz.
Begonnen hatte die Sendung mit dem vielleicht bekanntesten Song über den bevorstehenden Weltuntergang: "Bad Mood Rising" von der amerikanischen Supergroup "Creedence Clearwater Revival". Angeblich hat der Komponist und Sänger John Fogerty erst, als er seiner Band den Song beibrachte, bemerkt, dass im Original von 1967 ein gewisser Widerspruch zwischen dem apokalyptischen Text und der munteren Melodie besteht. So wurde der Weltuntergang zum Mega-Hit. In der Coverversion von "Mourning Ritual" samt der Stimme von Peter Dreimanis wurde dem Song dieser Widerspruch endlich genommen. In aller angebrachten Düsternis eröffnet er jetzt unsere Wahlsondersendung: prophetisch!
Politisch geht es weiter: Der Song "Bella Ciao" gilt als Song der italienischen Partisanen gegen den Faschismus. Als dieser erfreut er sich als antifaschistisches Manifest einer großen Beliebtheit, egal ob ihn türkische Hacker 2020 in Izmir über die Minarette ausstrahlten, ihn die Aktivisten von "Occupy Wall Street" intonierten oder die "Fridays for Future"-Protestierenden ihn umdichteten. Allein der Ursprung des Liedes liegt im Dunkeln. Manche Historiker bezweifeln sogar, dass ihn die antifaschistische Resistenza wirklich viel gesungen hat. Egal, er ist DER Song des Widerstandes - gegen wen auch immer. Interpretiert wird er in "Druckfrisch" von Marc Ribot und einem Sänger, den wir wirklich nur in homoöpatischen Dosen oder zu besonderen Anlässen, quasi im Notfall, der jetzt herrscht, einsetzen: Tom Waits, immer hart an der Totalverzweiflung.
Noch schlimmer kommt es nach der Bestsellerliste. Nie, nie, nie wollten wir in "Druckfrisch" den oft unerträglichen Gutmensch-Hymniker Bono singen lassen. Er steht sozusagen ganz oben auf unserem inneren Index. Aber als wir jetzt jemand brauchten, der in dem Marley-Song "War/No More Trouble" jene Zeilen singt, in denen es darum geht, dass es solange keinen Frieden auf der Welt gibt, bis die Farbe der Haut eines Menschen keine größere Rolle spielt als die Farbe seiner Augen, da griffen wir doch auf den U2-Sänger zurück, weil er den Text als Einziger so verständlich singt, dass ihn jeder verstehen kann, der will (und die anderen werden einfach unbewusst infiltriert). Ausgewählt haben wir die Version aus dem "Playing for Change"-Projekt, bei dem weltweit um den Globus verteilt Musiker/innen zusammen einen Song interpretieren. Weitere, weniger berühmte Mitwirkende aller Hautfarben: Daryl J. Simpson, Choir Director, Jason Tamba, Vocals, Guitar, Jimi Indi Phiri, Electric Bass Guitar, Kevin Moore II.
Zum Schluss dann noch ein aktueller Song, der den Protest etwas feiner formuliert. So fein, dass er im Beisein eines Präsidenten auf dem stockkonservativen Sender Fox gesendet werden durfte. Kendrick Lamars "TV Off", der Schlusssong seiner hochsymbolischen Superbowl-Show, ein Protest und Aufschrei, wie er derzeit in Amerika so gut wie nicht zu hören ist. Hier in diesem Rap-Song und in jener Show lag der Keim der Hoffnung, mit der wir in dem gerade noch nicht faschistisch gewordenen Wien in den trüben Sonnenuntergang hineinmarschieren.
Bella Ciao, Andy Ammer
Titel | Interpret |
---|---|
Bad Moon Rising | Mourning Ritual feat. Peter Dreimanis |
Bella Ciao | Marc Ribot & Tom Waits |
One Of Us Cannot Be Wrong | Maria de Val |
War / No More Trouble | Bono / Playing for Chance / Song around the World |
TV Off | Kendrick Lamar |
Stand: 24.02.2025 08:00 Uhr
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