Mo., 12.10.20 | 00:05 Uhr
Das Erste
Denis Scheck empfiehlt Zaia Alexander
Ich möchte Ihnen heute den Roman einer seit langem in Deutschland lebenden Amerikanerin vorstellen. Zaia Alexander heißt diese Schriftstellerin, die bislang Literatur aus dem Deutschen ins Englische übersetzte, nun aber den Spieß umgedreht hat und ihren Roman "Erdbebenwetter" auf Deutsch schreibt. Wenn die Erzählerin einen alten Mitschüler trifft, eröffnet der einen Dialog schon mal mit dem Satz: "Ich steh nich’ mehr so aufs Ficken." Zaia Alexander erzählt ironiegesättigt, präzis und zugleich urban, mitunter schmerzhaft einsichtsreich.
"Erdebenwetter" spielt in Los Angeles, aber es ist ein anderes L.A., als wir es bisher aus der reichen kalifornischen Literatur kennen. Das beginnt schon mit einer heißgeliebten Hauskatze, die umherstreunenden hungrigen Coyoten zum Opfer fällt. Lou ist eine alleinerziehende Mutter und arbeitet als freie Projektentwicklerin für Hollywood, bis der alte Freund aus der Schule, der inzwischen ein bekannter Regisseur ist, sie mit einem geheimnisvollen Kreis von Hexern in Kontakt bringt. Deren Mentor sagt so kluge Sachen wie: "Man muss sich verändern, um man selbst zu bleiben", warnt aber auch davor, sich die Hexerei zu leicht vorzustellen: "Hast du geglaubt, Hexer sind Heilige? Sie sind Ungeheuer. … Hexer erreichen das, was sie wollen, nicht, indem sie in himmlischer Ruhe vor sich hin schlendern oder Vegetarier sind … "Es gibt also Hoffnung", sagte ich. "Scheiß auf die Hoffnung", sagte er. "Hoffnung ist für Bettler. Es gibt nur Entschlossenheit.""
Endlich: ein durch und durch moderner Hexenroman! Zaia Alexander erzählt ebenso mitreißend wie reflektiert von Hexern in L.A., Müttern und Töchtern sowie der Begegnung mit Menschen, deren Worte einen so ins Zentrum der Existenz treffen, als hätten wir unser Leben lang darauf gewartet. Ein Roman für alle, denen Gundel Gaukeley wichtiger war als Daniel Düsentrieb. Also vertrauen Sie mir, ich weiß was ich tue, und lesen Sie Zaia Alexanders "Erdbebenwetter", erschienen im Tropen Verlag.
Stand: 11.10.2020 19:38 Uhr
Kommentare