So., 31.10.21 | 23:35 Uhr
Das Erste
Svenja Flaßpöhler: "Sensibel" (Klett-Cotta Verlag)
Wir sind wachsam geworden: für Diskriminierung und Rollenklischees, für seelische und sprachliche Gewalt, für Ausgrenzung und Unterdrückung. Das alles markiert zweifellos einen zivilisatorischen Fortschritt. Sensible Menschen achten einander und aufeinander. Aber warum ist gleichzeitig die Gesellschaft so erregt? Warum eskalieren Debatten sofort zu Freund-Feind-Diskursen? Wieso stiftet die erhöhte Sensibilität kein neues Miteinander? Die Philosophin Svenja Flaßpöhler beobachtet, dass eine eigentlich positive Entwicklung gerade ins Gegenteil zu kippen droht. Identität, gendergerechte Sprache, politische Korrektheit – bei solchen Themen stünden auf allen Seiten oft nur noch Gefühle im Vordergrund; man sucht Schutz vor Verletzung, igelt sich ein oder wird aggressiv.
Die Gesellschaft zersplittert, Meinungsblasen werden wichtiger als rationale Auseinandersetzung, der Diskurs fährt sich fest. Wir müssen neu lernen, so Flaßpöhler, Widersprüche auszuhalten und über sie zu streiten. Ohne Resilienz, also besonnene Widerstandskraft, werde uns das nicht gelingen. "Sensibel" ist ein kluges Buch über die Dialektik unseres reizbaren Zeitgeistes und über Wege, seine Blockaden zu überwinden.
Stand: 31.10.2021 23:35 Uhr
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