So., 26.04.20 | 23:35 Uhr
Das Erste
T.C. Boyle: "Sind wir nicht Menschen?"
Dass der Amerikaner an sich erst dann froh ist, wenn er sich in eine Hütte im Wald zurückzieht, Fliegenfischen kann und den Füchsen beim Gutnachtgebell zuhört, ist seit Henry David Thoreau bekannt. Dass sich aber ein postmoderner Rockstarliterat wie T.C. Boyle gedanklich in die Waldhütte setzt und der Natur als Kraftort huldigt, ist schon bemerkenswert. "Den Menschen lieb‘ ich, mehr noch die Natur", dieses Zitat von Lord Byron geht den neunzehn Kurzgeschichten in T.C. Boyles neuer Erzählsammlung voran, in denen immer wieder die Kultur gegen die Natur in Stellung gebracht wird. Allerdings auf Boyle-Art: In seiner nahen Zukunft läuft ein kirschroter Pitbull auf fluoreszierendem Rasen herum, da dreht eine Box immer wieder die Zeit zurück, es werden Babys designed und Tiger geärgert, es fällt auch mal Weltraumschrott vom Himmel statt einer Sternschnuppe. Die Natur gewinnt in jeder der Kurzgeschichten. Eine Erfahrung, die wir jetzt grade im Umgang mit dem neuen Virus nicht machen möchten …
Tom Coraghessan Boyle ist mit 27 Romanen und Erzählbänden ein ungemein produktiver Homme de lettres, der eine große Fangemeinde in schöner Regelmäßigkeit mit seinen virtuosen Erzählstücken versorgt. 1948 in Peekskill, N.Y. geboren wohnt er heute bei Santa Barbara in Kalifornien – für “druckfrisch“ begibt er sich von dort aus ins Web und führt mit Denis Scheck die erste Videokonferenz in der Geschichte der Sendung.
T.C. Boyle: "Sind wir nicht Menschen?" Aus dem Englischen von Anette Grube und Dirk van Gunsteren, Hanser.
Stand: 26.04.2020 23:35 Uhr
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