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Kulturkampf um den Widerstandskämpfer

Die evangelikale Rechte in den USA vereinnahmt Bonhoeffer

Die evangelikale Rechte in den USA vereinnahmt Bonhoeffer  | Video verfügbar bis 10.11.2025 | Bild: dpa / Julia Demaree Nikhinson

Auch bei diesen Wahlen haben die Evangelikalen in den Vereinigten Staaten zu 80 Prozent für Donald Trump gestimmt. Für den Präsidentschaftskandidaten wurde gebetet, das Überleben des Attentats als Wunder gefeiert. Evangelikale Rechte setzen Donald Trump mit dem von den Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten Dietrich Bonhoeffer gleich und instrumentalisieren den Widerstandskämpfer für ihre Zwecke. In den USA startet jetzt ein Film über Dietrich Bonhoeffer, der die Propagandamaschine weiter anheizt. Bonhoeffers Familie hat öffentlich gegen den Film protestiert und auch die beteiligten Schauspieler*innen distanzieren sich inzwischen von seiner Vermarktung. ttt hat den Großneffen Bonhoeffers, Tobias Korenke, und die Religionswissenschaftlerin Maren Freudenberg getroffen und mit Stephen R. Haynes gesprochen, der schon länger zur Vereinnahmung Bonhoeffers durch die evangelikale Rechte forscht.

Film mit historischen Fehlern

Mit dem Bonhoeffer im Film "Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin" stimmt was nicht. Ein frömmelnder Kämpfer für das Gute in einem Film voller historischer Fehler, vorgetragen von renommierten deutschen Schauspielern auf Englisch. Der Film wendet sich vor allem an ein amerikanisches Publikum.  Und dieser Bonhoeffer spricht wie Donald Trump vom Feind im Inneren. "My Country was invaded from within", sagt der Bonhoeffer im Film aufgebracht.

Kritik der Bonhoeffer-Nachfahren

Portrait eines grauhaarigen Mannes mit Brille.
Tobias Korenke, Großneffe von Dietrich Bonhoeffer. | Bild: WDR

Tobias Korenke ist ein Großneffe Bonhoeffers. Gegen die Vereinnahmung durch rechte Christen, auch gegen den Film haben sich die Nachfahren jüngst gewehrt. In einem offenen Brief kritisieren sie besonders die Vermarktung, die Bonhoeffer als gewaltbereiten Rächer zeigt. Für Korenke ist diese Entwicklung nicht neu: "Schon seit einigen Jahren versuchen rechte Evangelikale, Bonhoeffer für sich und ihre Ziele zu vereinnahmen, die tatsächlich versuchen Bonhoeffer umzudeuten, als einen Widerstandskämpfer gegen Wokeness, Abtreibung und Zeitgeist."

Das Haus der Eltern Bonhoeffers, in dem er ein Studierzimmer hatte, ist heute eine Begegnungsstätte. Sie erinnert an den Pastor und Denker, der wegen seines Widerstands gegen das NS-Regime umgebracht wurde. Der Tod von Dietrich Bonhoeffer hat laut Korenke die Familie sehr geprägt. "Und aus diesem Geist heraus haben wir schon das Gefühl, dass wir etwas sagen müssen, wir halten diese Umdeutung von Bonhoeffer wirklich für unfassbar zynisch, Bonhoeffer stand genau für das Gegenteil, für Freiheit, Liberalität und auf jeden Fall gegen Ausgrenzungen."

Von Bonhoeffer zu Trump

Die Kritik kam in den USA nicht gut an, die "woken Verwandten" werden gar beschimpft. Eine zentrale Figur im Kulturkampf um Bonhoeffer ist Eric Metaxas. In seiner Talkshow promotet er Trump und die Bibel, seine Bonhoeffer-Biographie ist ein Bestseller. "Metaxas gilt als ausgewiesener Experte für Bonhoeffer und die Geschichte des 20. Jahrhunderts", beschreibt der Religionswissenschaftler Stephen Haynes. "Als er sich massiv für Trump einsetzte, gab er den Christen quasi die Erlaubnis, für jemanden zu stimmen, der für viele aus dem Bauch heraus alles andere als für Christen akzeptabel war."

Fragwürdige Vermarktung

Portrait eines grauhaarigen Mannes mit Brille vor einer Bücherwand.
Der Religionswissenschaftler Stephen R. Haynes. | Bild: WDR

Stephen R. Haynes hat den Kampf um Bonhoeffer erforscht. Jetzt kritisieren er und andere Experten in einer Petition die Vermarktung des Films, die verkappten Aufrufe zur Gewalt. Und den Missbrauch Bonhoeffers durch christliche Nationalisten. "Vor allem in den Jahren der Obama- und Biden-Administration wurde Bonhoeffer zunehmend als Vorbild für den religiös begründeten Widerstand gesehen. Gegen die Tyrannei, so wie Metaxas und andere diese Präsidenten beschrieben haben", sagt Stephen R. Haynes. Angel Studios hat die weltweiten Rechte an dem Film, eine betont christliche Produktionsfirma, ein Gegenmodell zu Hollywood. Filme werden über Crowdfunding finanziert, die Community entscheidet mit. Der Bonhoeffer-Film wird in christlichen Medien stark beworben. Nach der Wahl befeuern sie den Kulturkampf weiter, stellen Forderungen.

Trump als Messias der rechten Christen

Portrait einer Frau mit rotblonden Locken.
Die Religionswissenschaftlerin Maren Freudenberg. | Bild: WDR

Maren Freudenberg forscht zur christlichen Rechten in den USA, ihrem streng patriarchalen Weltbild, ihrem Einfluss auf die Gesellschaft. Ihre Einschätzung: "Die religiöse Rechte ist sehr gut organisiert in den Vereinigten Staaten und sie wird alles daransetzen, ihre politischen Ziele weiter durchzusetzen. Ich gehe nicht davon aus, dass das mit brutaler Gewalt passieren wird, sondern dass es politisch-strategisch passiert." Rund 80 Prozent der Evangelikalen stimmen für Trump. Je weiter rechts Christen stehen, desto stärker ihr Wunsch, die Demokratie aufzugeben, zugunsten eines Gottesstaates, in dem die Gesellschaft biblischen Prinzipien gehorcht. Maren Freudenberg meint, dass Teile der religiösen Rechten sich einen Neuaufbau der USA auf Grundlage der Bibel wünschen. "Es gibt da durchaus Überschneidungen bei QAnon und der religiösen Rechten, vor allen Dingen, dass Trump als eine fast messianische Figur gesehen wird, als eine Erfüllung biblischer Prophezeiung. Gott arbeitet auf mysteriösen Wegen und hat der amerikanischen Bevölkerung Trump geschenkt."

Deutsche Schauspieler distanzieren sich

Szene aus dem Film "Bonhoeffer": Ein Soldat hält Dietrich Bonhoeffer eine Pistole an die Brust.
Szene aus dem Film "Bonhoeffer. Pastor. Spy. Assassin." | Bild: Angel Studios

In dieses Weltbild passt der Bonhoeffer-Film. Die Frage bleibt: wie haben sich renommierte deutsche Schauspieler dorthin verirrt? Weder Jonas Dassler noch August Diehl oder auch Moritz Bleibtreu hatten Zeit, titel thesen temperamente das zu erklären. Immerhin gibt es jetzt ein Statement – auf Englisch. Darin distanzieren sich die Schauspieler vom möglichen Missbrauch Bonhoeffers durch christliche Nationalisten. Tobias Korenke begrüßt es, dass sich die Schauspieler geäußert haben. "Ich hatte mit Jonas Dassler gesprochen. Ich hatte schon den Eindruck, die fühlen sich eben auch instrumentalisiert, weil sie zumindest mit der Vermarktung dieses Films überhaupt nicht umgehen können", glaubt Korenke. Ob der Film in deutsche Kinos kommt, ist ungewiss. Es gibt noch keinen Verleih.

Autorin: Claudia Kuhland

Stand: 10.11.2024 19:45 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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