So., 05.05.24 | 23:05 Uhr
Das Erste
Der Traum vom Tanz
"Dancing Heartbeats" portraitiert drei B-Girls
Jilou, Frieda und Viola beweisen, dass Frauen in der männerdominierten Breakdance-Welt mehr sind, als nur Accessoires. Die drei gehören zu den besten B-Girls und haben sich ihren Platz in der Szene erobert. Der Film "Dancing Heartbeats" portraitiert sie auf ihrem Weg zu Anerkennung und Gleichberechtigung und begleitet sie bei internationalen Battles wie beim harten Training. ttt hat mit der Regisseurin Lisa Wagner auch über die Geschichten hinter den kunstvollen Moves gesprochen.
Kunst und Kampf
Bei einem Breaking-Battle heißt es eins gegen eins. Nur wer gewinnt, kommt eine Runde weiter. Die Konkurrenz ist hart. Regisseurin Lisa Wagner hat da naheliegende Assoziationen: "Ich vergleiche das immer mit einem Boxring. Die Zuschauer sitzen drumherum und man ist relativ nah an den Tänzern dran. Es ist eine wahnsinnige Euphorie, die da rüberkommt. Es gibt viel Akrobatik, man muss sehr spontan auf die Musik tanzen. Man muss einen eigenen Style mitbringen und sie dürfen keinen Move wiederholen, das heißt, sie müssen es wirklich in dem Moment kreieren. Breaking ist eine wahnsinnig tolle Kunstform."
Unterschiedliche Tänzerinnen-Biografien
Der Film: eine Reise von Battle zu Battle rund um die Welt – und ein berührendes Portrait. Über Jilou, die es an die Weltspitze geschafft hat und heute sagt: "Es gab Events, wo ich das Gefühl habe, ich bin durch die Preselection, weil ich eine Frau bin. Aber es gab auch Events, da bin ich nicht durch die Preselection, weil ich eine Frau bin. Beides respektiert meinen Skill nicht, beides ist unfair!"
Über Frieda, ein B-Girl der ersten Stunde, die ihre Anfänge so beschreibt: "Die ersten zehn Jahre habe ich krass gebattlet die ganze Zeit. Da konnte ich mich ausdrücken, meine Energie rauslassen, meine schlechte Stimmung. Davon hatte ich früher echt viel und ich brauchte ein Ventil."
Und über Viola, die vor allem eins ist: unangepasst."Das ist wirklich eine deutsche Geschichte: dieses in Schubladen packen. Und wenn ich von außen gesehen in eine B-Girl Schublade gepackt werde, dann werden mir ganz viele andere Sachen abgesprochen", stellt sie fest.
Kämpferische B-Girls
Drei B-Girls. Drei unterschiedliche Biografien. Sie alle eint der unbedingte Wille nach Unabhängigkeit. "Jilou, Viola und Frieda sind für mich absolute Role Models", sagt Regisseurin Lisa Wagner, "sie haben einfach ihre eigene Meinung, sie gehen in den Widerstand, sie kämpfen für ihr Recht und bis zum bitteren Ende. Es ist mir absolut wichtig, diese Kämpferinnen sichtbar zu machen. Das hat ja schon fast was amazonenhaftes, wenn die da battlen."
Der Film zeigt: Breaken ist viel mehr als ein nur ein Tanzstil. Es ist eine Manifestation der eignen Identität - und Ausdruck des Widerstands gegen die Norm. Dabei sind alle drei auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Frieda sitzt während der Corona-Pandemie monatelang in Marokko fest, und hadert mit einer Knie-Verletzung: "Es ist dein Job, es ist dein Ausgleich, es ist deine Leidenschaft", sagt sie über das Breaken, "wenn die plötzlich von einem Tag auf den anderen gestoppt wird, fällt ein riesiger Teil von deiner Identität weg."
Viola meint: "Wenn ich das, wo ich aufblühen kann, selber erschaffen muss, dann brauche ich mich aber auch nirgendwo anzupassen." Sie fühlt sich in Berlin eingeengt und bricht spontan nach Marseille auf, wo es bereits eine größere B-Girl-Community gibt.
Und Jilou versucht den Spagat einer Fernbeziehung, entscheidet sich aber für die Karriere: "Jetzt lohnt es sich aber mal richtig reinzuhauen, weil, ich weiß nicht, das Leben, das ich führe, kann ich halt auch nur führen, weil ich zur ganz oberen Spitze gehöre." Freiheit und Unabhängigkeit. Ohne Kompromisse!
Suche und Anerkennung
Die eigene Geschichte, die persönliche Entwicklung ist beim Breaken auch immer Grundlage für die Moves. "Dieses sich behaupten, das sieht man zwar im Außen, aber das ist eigentlich gar nicht der spannende Aspekt", meint Lisa Wagner, "der spannende Aspekt ist, was ist passiert im Inneren. Und natürlich entsteht da auch eine gewisse Rastlosigkeit und die Frage: Wo sind meine Wurzeln? Wo ist meine Heimat? Wo bin ich zu Hause? Diese Rastlosigkeit ist irgendwie auch Motor für die Kunst."
Der Kampf um Anerkennung hat sich gelohnt: Als Erste in der Szene überhaupt bekommt Jilou einen großen Sponsorenvertrag und kann es kaum fassen: "Schon krass, wenn man überlegt, man kommt aus einer Familie, wo man so gar nicht das Gefühl hat, dass man irgendwelche Möglichkeiten hat, und dann: plötzlich ist man da…". Nach Platz drei bei der Weltmeisterschaft trainiert Jilou jetzt für Olympia. "Dancing Heartbeats" ist ein Film über den Mut, seine eigenen Träume zu leben.
Autorin: Uta Angenvoort
Stand: 05.05.2024 18:32 Uhr
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