So., 25.08.24 | 23:20 Uhr
Das Erste
Traditionelles Brauchtum, neue Kunst – Die Malerin Hella Stoletzki
Das Dieselkraftwerk Cottbus ist die Adresse für Zeitgenössisches in Brandenburg. Und sie ist eine der Jüngsten, die man hier aktuell präsentiert: Hella Stoletzki, gerade mal 28 Jahre alt, aber schon jetzt eine Lokalmatadorin mit großem Zukunftspotential. Seit ihrem Studium in Leipzig und Wien gehts Hella Stoletzki immer wieder um Heimat. Also, die Lausitz, den Tagebau, veränderte, teils verlassene Räume. Aber vor Allem geht es ihr um die Menschen darin, die Sorben und ihre Identität: "Ich bin ja eine sorbische Künstlerin. Und das ist etwas, was ich mit der Zeit einfach auch gemerkt habe, dass bestimmte Teile einer Identität, bestimmte Erfahrungen, die ich persönlich mache, bei anderen Leuten in den Bildern räsonieren. Wenn sie sich die Bilder anschauen, dass die merken: Hey, das hat irgendwie auch etwas mit mir zu tun."
Was prägt uns? Was geben wir weiter?
Die Bildende Künstlerin denkt das Alte in ihrer Kunst neu, verknüpft Tradition und sorbisches Brauchtum mit der Lebenswirklichkeit heutiger Menschen. Die Gemälde von Hella Stoletzki zeigen keine heile Welt, sondern sich veränderndes Leben, oft alltägliche Situationen, Menschen im urbanen Raum, aber auch in Landschaften, die durch den Tagebau zerstört sind. Ein Porträt ihrer Mutter beim Sticken ist typisch für Hella Stoletzki: Was prägt uns, was geben wir weiter? - Solch universellen Fragen gibt sie in ihren Bildern Raum. Modern. Mehrschichtig. Immer mit Leerstellen drin. Und auffällig anders als die Bilder, die man sonst von der wasser- und traditionsreichen Region kennt. "Die Tracht ist ja auch etwas, was halt nur zu bestimmten Anlässen im Jahr getragen wird. Aber dieses Sorbischsein, das ist etwas, was man halt die ganze Zeit ist“, erklärt sie. "Und das findet auch andere Formen. Das finde ich spannend, draufzuschauen, wie sehen die Dinge aus? Und was ist an diesem subkulturellen Jungen Kreis, in dem ich mich bewege, zu finden."
Sorbischsein zwischen Tradition und Moderne
Hella Stoletzki kam erst mit 5 in die Lausitz, wurde in der Cottbuser Platte groß. Sie bekennt sich zum Sorbischsein, hadert aber mit mancher Konvention und schafft kraftvolle Bilder einer jungen Sorben-Generation. Einer Community, die sich nicht als Minderheit versteht. Und die sich selbstbewusst zeigt, trotz ihres fragmentierten Seins. Im Sorbischen gibts dafür sogar ein Wort, sagt Stoletzki: „Dokusow, das heißt kaputt. Man kann aber ganz wunderbar ableiten, woher es kommt. Do-ku-sow, in Stücken, also in Stücke zerfallen. Und ich finde dieses Bild eigentlich ganz gut für diese Lücken, Dinge zu finden, die da gut reinpassen.“ Lustvoll Lücken füllen zwischen Gestern und Heute, das ist Hella Stoletzkis Mission. Seit Jahren engagiert sie sich mit Freunden vom „kollektiw wakuum“ für ein Sorbischsein jenseits der Tradition. Es entstehen Kurzfilme, die Brauchtum in Pop übersetzen, Identität neu verhandeln. Da kann es passieren, dass das Ritual des Osterei-Bemalens zur Tattoosession umgedeutet wird. “Es gibt so gewisse Parallelen, die ich sehe und irgendwie merke, die Sachen sind gar nicht mal so weit auseinander. Oder auch die Stickerei, wo man auch ein Bild aufträgt, eigentlich mit Nadel und Faden und auch wieder mit Nadeln arbeitet und eben auch so um dieses punktuelle Eindringen in Material, also in dem Fall in Textil oder hat eben unter die Haut. Und das finde ich und wie spannend.“
Neueste Lausitzer Schule: ein humorvoller Blick auf sorbische Lebenswelten
Ob Trachtentattoo oder TV Show: kein Medium ist ihr fremd: "Und bei dem Bild, was hier zu sehen ist, sind auf den Nägeln bestimmte Motive abgebildet. Das Bild bezieht sich auf eine Art sorbische TV Wahrsage Show, in der wir als zwei Frauen Wahrsagerinnen die Zukunft aus Nägeln lesen und letztendlich dann auch das Sorbische bei uns anruft und sich nach seiner Zukunft erkundigt, weil eben diese Dystopie, dass es etwas Verschwindendes ist, so überpräsent ist."
Immer wieder galt das Sorbische als vorm Aussterben bedroht. Bei Hella Stoletzki sprüht es vor Leben. Ist voller Bilder. Ein bisschen Neue Leipziger – aber vor allem Neueste Lausitzer Schule!
(Beitrag: T. Mack / C. Gerberding)
Stand: 26.08.2024 10:51 Uhr
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