So., 02.06.24 | 23:20 Uhr
Das Erste
Eine Software, die töten kann – Der Dokumentarfilm über die Firma "Palantir"
Das US-Unternehmen "Palantir" hat die größte Datenanalyse-Software der Welt geschaffen: Sie ermöglicht es Ländern, ihre Bürgerinnen und Bürger umfassend zu überwachen und Verbrechen aufzuklären. Derzeit unterstützt sie die Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland. Hinter "Palantir" stecken Alex Karp und Peter Thiel. Der erste ist laut eigener Aussage Neo-Marxist und Linker, der zweite Unterstützer von Donald Trump und offen rechts. Die Firma im Ganzen verschwiegen und mysteriös. Der Filmemacher Klaus Stern hat sich in seinem Film "Watching You" "Palantir" und Alex Karp genähert.
Eine Software zur Terrorbekämpfung und zur Kriegsführung
Vor rund 20 Jahren fing alles an - mit einem Start Up. Das Produkt: die Datenanalyse-Software "Gotham". Die ist bis heute umstritten: einerseits hilft sie Staaten bei der Überwachung, andererseits unterstützt sie Polizei, Militärs, Geheimdienste. "Palantir ist sicher das verschwiegendste Softwareunternehmen der Welt", erklärt Regisseur Klaus Stern. "Es hat durch den Krieg in der Ukraine und durch viele Kriegshandlungen in der Welt an Bedeutung gewonnen. Sie sind, wenn man so sagen will, Kriegsgewinnler. Und sie sind auf jeden Fall auf dem Weg dazu, sicher eines der gefürchtetsten Softwareunternehmen der Welt zu werden."
"Palantir"-Chef Alex Karp gründet die Firma mit Peter Thiel - Milliardär und Investor - beide kennen sich von der Elite-Uni Stanford: "Ich bin das Kind von Hippies und kannte Washington nur von Demos", erklärt CEO Karp. "Meine Mitgründer und ich haben uns verliebt - in den Datenschutz und in den Kampf gegen Terrorismus."
Thiel ist ein rechts stehender Trump-Unterstützer, im Widerspruch dazu bezeichnet sich Karp als Neomarxisten – wie passt das zusammen? "Palantir" arbeitet von Anfang an mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA zusammen. Ein Gerücht hält sich hartnäckig, dass "Palantir" geholfen hat, Osama bin Laden zu finden. Uneindeutig positioniert sich Alex Karp zu dieser These: "Selbstverständlich reden wir nicht über unsere Erfolge oder Misserfolge."
Karp pflegt eine Doppelmoral
Stern erklärt: "Der Algorithmus von "Palantir" ist nur so gut, weil er schon sehr lange die Daten von den Polizeibehörden sammelt und die ganzen Erkenntnisse nehmen sie ja auch mit, um ihren Algorithmus zu trainieren. Kaum ein Unternehmen hat das so lange trainiert, deswegen ist die Software zum Teil so gut.
In einem Interview wird Karp von der Moderatorin gefragt: "Wir sollten nicht um den heißen Brei herumreden. Tatsache ist, dass Ihr Unternehmen als geheimnisvoll beschrieben wurde. Es gibt Menschen, die echte Bedenken haben, wie diese Macht, Daten zu analysieren benutzt werden kann." Karp ergänzt: "…und missbraucht!“ Die Software wird auch eingesetzt, um Einwanderer ohne Papiere an der mexikanischen Grenze aufzuspüren – darunter auch Kinder. "Wir verabscheuen, was 'Palantir' tut", sagt eine Demonstrantin. "Dieser CEO, Alex Karp sagt, es sei eine patriotische Sache, das US-Militär zu unterstützen." Er habe keine Skrupel, erklärt die ältere Dame am Straßenrand.
Alex Karp: "Es haben Leute gegen mich protestiert, von denen einige berechtigte Fragen stellten", erklärt Karp. "Ich habe mich auch gefragt, ob ich nicht gegen mich protestieren würde, wenn ich jünger wäre." "Das ist natürlich ein herrlicher Satz", findet Regisseur Stern. Das sage viel über den CEO und seine Rolle in der Firma aus. "Dass er immer sagt, ah, ich finde es nicht gut, was wir hier machen, aber einer muss es ja auch machen und wir machen es gut." Stern erkennt hier einen Widerspruch: "Er sagt dann, ich finde die Dinge nicht gut, die wir als Firma tun, aber im Endeffekt ist es doch besser, wir tun das verantwortungsvoll, als irgendjemand dem man da nicht trauen kann."
Auch deutsche Behörden arbeiten mit "Palantir"
Immer wieder versucht der Filmemacher Alex Karp persönlich vor die Kamera zu bekommen – ohne Erfolg. Der Überwachungs-Experte will sich nicht filmen lassen: "Jetzt dreht er einen Film über mich, obgleich ich das nicht will, das ist der Wahnsinn." Karp, der in Deutschland promoviert hat, trifft gerne die Wichtigen auf der Weltbühne von Politik und Wirtschaft. Er war bereits im Aufsichtsrat von Springer und BASF. Die Öffentlichkeit dagegen scheut er.
"Alle Entscheider der Welt bekommen sie an den Tisch. Jeder will Alex Karp sprechen, will mit ihm fotografiert werden", erklärt der Regisseur. Auch Friede Springer und Angela Merkel schüttelte er schon die Hand. "Viele denken, er ist zwar exzentrisch und auch etwas bizarr, aber er ist ein wahnsinnig kluger, intelligenter, charmanter Gesprächspartner, der ein tolles Produkt hat", sagt Stern.
Im September 2020 geht das Unternehmen an die Börse - zwanzig Jahre lang macht "Palantir" keine Gewinne - wenige Monate später ist es 60 Milliarden Dollar wert. Auch in Deutschland wird die Software inzwischen eingesetzt - von der Polizei in Hessen, unter anderem für Terrorismusfahndung. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr ein wegweisendes Urteil verkündet - mit einer deutlichen Einschränkung für den Einsatz von "Palantir". Stern sieht das kritisch: "Ich gebe keine endgültigen Antworten und hebe den Zeigefinger und sage Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht, sondern mein Beitrag wäre, dass man da genau hinschaut und fragt als Staat und Gesellschaft: Wollen wir, dass eine privatwirtschaftliche Firma unseren Polizeiapparat oder unsere Rüstung, so weit da eindringt und auch für uns mitentscheidet?"
Klaus Stern hat über mehrere Jahre versucht mit Alex Karp zu sprechen, aber der CEO lässt sich nicht in die Karten schauen – bis heute. Mit Humor kaschiert Karp seine Grenzziehung: "Schön, dass ihr da seid, ich bin tatsächlich zu spät. Ich gehe euch gerne aus dem Weg."
Auf offener Straße konfrontiert Stern Karp: "Kein Weg, dass wir zusammen den Film machen?" Karp entgegnet: "Ich hoffe, ich arbeite dran, ich arbeite dran."
(Beitrag: Barbara Block)
Stand: 03.06.2024 18:40 Uhr
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