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Ein chilenischer Western über die Kolonisierung Feuerlands – „Colonos“ von Felipe Gálvez

„Colonos“ von Felipe Gálvez | Video verfügbar bis 04.02.2025 | Bild: hr / Verleih: Mubi

Weite Landschaften, verwegene Reiter in mörderischer Mission: Ein Western aus Chile erzählt von der Kolonisierung Feuerlands.

„Die Indianer sind das Problem. In Porvenir haben sie die Zäune durchtrennt und alle meine Tiere gegessen. Alle meine Schafe. Wie die Bestien“, heißt es im Film „Colonos“. „Wie die Bestien, die sie sind. Ich möchte, dass du für meine Schafe eine Route zum Atlantik findest. Eine sichere und schnelle Route, Leutnant. Dazu muss diese Insel gesäubert werden.“

Der Auftrag des Großgrundbesitzers José Menéndez lautet: Ausrottung. Der schottische Kriegsveteran Alexander McLennan, der Halb-Indigene Segundo und der texanische Söldner Bill werden eine Spur blutiger Verwüstung hinterlassen.

Der Genozid an den indigenen Selk'nam

Felipe Gálvez beschränkt sich in „Colonos“ auf wenige und oft nur angedeutete Gewaltszenen, um das Grauen zu vermitteln. Der Genozid an den indigenen Selk'nam in Feuerland ist eines der dunkelsten Kapitel chilenischer Geschichte, mit dessen Aufarbeitung das Land gerade erst begonnen hat.

„Sich dieses Kapitel anzuschauen, hilft zu verstehen, was passiert, wenn Teile der Geschichte einfach ausradiert werden. Es ist in gewisser Weise ein Film, der über die Vergangenheit spricht, aber in die Gegenwart reicht und über Dinge reflektiert, die heute passieren”, sagt Felipe Gálvez.

„Colonos“ verwebt Realität mit Fiktion. Die Existenz des spanischen Geschäftsmannes José Menéndez und seines Gutsverwalters Alexander McLennan ist historisch belegt, ebenso wie ihre Beteiligung an der Vernichtung der Selk’nam.

Western-typische Szenen und Klischees

„Die Selk'nam sind als Graffiti auf riesige Gebäude gesprüht, es gibt sie als Plüschtiere und in Schokoladenform, aber die Mehrheit des Landes wusste lange nicht, wer die Selk'nam waren“, sagt Felipe Gálvez. „Es ist brutal, wenn man sich das Bild eines Volkes aneignet, das man ermordet hat und es an einem Flughafen wie Punta Arenas zum Willkommensgruß wird, als wären sie ein Wahrzeichen der Stadt und gleichzeitig sind alle Straßen nach der Familie Menéndez benannt.“

Gálvez setzt die raue Landschaft in Western-typischen Totalen in Szene und bedient sich auch für die Charaktere bei den Klischees des Genres. Trotz der unbewohnten Weite war seine Auswahl der Drehorte eingeschränkt. 

„Große Teile Feuerlands gehören heute noch immer der Familie Menéndez. Es war also sehr schwierig, Drehorte für den Film zu finden. Wir haben deshalb auf dem Flughafen und auf einer Mülldeponie gedreht, an öffentlichen Orten, an denen wir drehen durften“, erklärt Felipe Gálvez. „Eine weitere Herausforderung war das Wetter. Während einer einstündigen Fahrt können alle vier Jahreszeiten vorkommen. Es kann schneien, es kann regnen, es kann heiß sein, es kann windig sein: Diese Unvorhersehbarkeit hat die Dreharbeiten auch erschwert."

Und dann zeigt Gálvez doch noch explizite Gewalt. „Ich denke, die Gewalt löst etwas in dir aus, sie ruft tiefgründige Fragen hervor, manchmal erzeugt sie Ablehnung. Vielleicht schämt man sich. Sie erzeugt Wut. Es ist also eine Gewalt, die beim Zuschauer Emotionen hervorruft, und es ist schwierig, einen Film über die Kolonisierung zu machen, ohne Gewalt. Ich sah es als meine ethische Verantwortung, einige der gewaltvollen Ereignisse zu zeigen, die passiert sind.“

Western als „extrem rassistisches Kino“

Es gehört zur Erzählung des klassischen Westerns, dass bei der Landnahme für die „Zivilisation“ die ursprüngliche „wilde“ Ordnung mit Gewalt zerstört werden muss. Gálvez bedient sich beim Genrekino, um es zu dekonstruieren.

„Ich denke, dass das Kino im 20. Jahrhundert ein aktiver Komplize der Kolonisierungsprozesse in Amerika war. Und, dass der Western ein Propaganda-Genre war, das das Abschlachten der indigenen Bevölkerung rechtfertigte“, sagt Felipe Gálvez. „Er trug dazu bei, das Töten in Unterhaltungskino zu verwandeln, den ‚Indianer‘ als Bösewicht darzustellen. Es war ein extrem rassistisches Kino. ‚Colonos‘ macht den Anschein, ein Western zu sein, ist aber keiner. Es ist ein Film, der viele Dinge in Frage stellt, unter anderem auch das Kino.“


Bericht: Celine Schäfer

„Colonos“
Regie: Felipe Gálvez
Drehbuch: Felipe Gálvez, Antonia Girardi
ab 15. Februar 2024 im Kino

Stand: 04.02.2024 23:05 Uhr

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