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Auf der Suche nach der Zukunft der Landwirtschaft

Warum ein Kriegsfotograf einen "Feldversuch" startet

Die Zukunft der Landwirtschaft | Video verfügbar bis 07.04.2025 | Bild: hr

Zahra Zarwari am Strand von Lesbos. Jemenitische Kämpfer. Hazrat Ali aus Afghanistan.

"Ich habe angefangen, weil ich Kriegsjournalist werden wollte, weil ich in Kriegen arbeiten wollte. Weil ich dieses romantische Ideal hatte, dass man dort hingeht, fotografiert, es zeigt, darüber kommuniziert und damit positive Veränderungen anstößt", sagt Daniel Etter.

Daniel Etter ist Fotojournalist und Autor. Für internationale Medien ist er in den Kriegs- und Krisengebieten der Welt unterwegs. Im Sommer 2015 reist er für die New York Times nach Kos, macht dieses Bild einer irakischen Flüchtlingsfamilie und erhält dafür den Pulitzer-Preis.

Im gleichen Jahr kauft er eine verfallene Finca in Katalonien und renoviert sie. Es wird sein Rückzugsort, er verlegt seinen Lebensmittelpunkt von Berlin hierher.

"Ich arbeite halt immer noch viel in krisenhaften Regionen. Das ist psychisch und physisch anstrengend. Und dann tut es einfach gut, an einen Ort zurückzukommen, wo man das Ganze nicht mehr hat, wo man kaum Menschen ausgesetzt ist, vor allem. Und hier komme ich wieder zur Ruhe", sagt Etter.

In der Stille von Sant Aniol de Finestres verwirklicht er seinen Traum vom Landleben, findet Selbstwirksamkeit im Bewirtschaften seines eigenen Landes. Und entdeckt wieder, was vielen von uns abhandengekommen ist.

"Wir haben verlernt, wie sehr wir den Kräften der Natur ausgesetzt sind, glaube ich", so Etter. "Als Städter geht man in den Supermarkt, um sein Gemüse zu kaufen und kriegt Wasser aus dem Hahn.  Und die ganzen Systeme, die Prozesse, die dahinter laufen und wie sehr das abhängig ist von der Natur, vom Klima vor allem, das verstehen wir oft nicht."

Er beschließt, ein Buch über Landwirtschaft zu schreiben. Er besucht dafür kleine und große Betriebe in ganz Europa, trifft Neueinsteiger und alteingesessene Bauern, Pioniere und Visionäre, die eine andere, eine regenerative Landwirtschaft betreiben. 

Wie Martin Crawford: In Devon, im Südwesten Englands, hat er den Waldgarten mitentwickelt: ein vertikales Anbausystem. In die Höhe wachsend, versorgen sich essbare Pflanzen gegenseitig mit Nährstoffen. Einmal gepflanzt, werfen sie jahrelang Ernte ab.

"Ich war da, als in England gerade der heißeste Sommer ever war, und eine krasse Dürre dort war. Und es war halt alles grün und gesund. Und er meinte, er geht gar nicht mehr in den Supermarkt, sondern ernährt sich eigentlich komplett aus diesem Waldgarten, wo halt unglaublich viele verschiedene Pflanzenarten wachsen", sagt Daniel Etter.

Im Sommer 2022 spürt Daniel Etter den Klimawandel in seiner unmittelbaren Umgebung. Sein Garten verdorrt, die Tomaten verkochen am Strauch und der Fluss im Tal trocknet aus, hat sich seither nicht wieder erholt.

"Ich glaube, für viele Menschen ist die Klimakrise noch so etwas Abstraktes", so Etter. "Ok, es wird im Sommer ein bisschen heißer, das ist ein bisschen unangenehm, und dann ist es aber wieder vorbei, und das war's dann. Der Kern unserer Landwirtschaft, dass unsere Nahrungsmittelproduktionsysteme funktionieren, ist, dass wir stabiles Wetter haben. Das Problem am Klimawandel ist halt auch der Wandel an sich, dass man gar nicht mehr planen kann, wann eine Regenzeit kommt, wann es kalt wird, wann es heiß wird, wann es trocken ist und so was."

Erst vor zwei Monaten musste Katalonien den Wassernotstand ausrufen. Die Stauseen sind nur noch zu knapp 16 Prozent gefüllt. Es ist die schlimmste Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen vor hundert Jahren.

"Wir hatten auch in Spanien Bauernproteste. Die haben sich gegen die Dürre gerichtet. Und die haben an die Politik appelliert, irgendwie Maßnahmen gegen diese Dürre zu ergreifen. Und das ist natürlich auch wie so eine Verzweiflungstat fast schon", sagt der Autor Daniel Etter.

Dabei sind es die spanischen Bauern selbst, die durch ihre exzessiven Anbaumethoden mitverantwortlich sind für diese Krise. Ebenso wie wir Verbraucher in Nordeuropa: Industrielle Landwirtschaft damit wir auch im Winter frischen Salat und Erdbeeren kaufen können.

"Das Grundproblem bei der Landwirtschaft ist, dass wir lange darauf gesetzt haben, dass wir billige Energie haben. Und mit dieser billigen Energie kann man Dünger produzieren. Man kann Pestizide, Herbizide, Fungizide produzieren. Das war immer Grundlage unserer industrialisierten Landwirtschaft. Und das ist eine sehr simple Form zu produzieren, schnell zu produzieren, weil man einfach dem Land die Ernten aufdrücken kann", so Etter.

Daniel Etter pflanzt seine Olivenbäume entlang der Höhenlinien, so wie er es auf seiner Reise in Südspanien sah, um jeden Tropfen Regenwasser abzufangen. Doch nicht jede regenerative Methode passt auch zu jeder Landschaft. Es gilt, das Land zu beobachten, es zu nutzen, ohne es zu zerstören.   

"Die größte Herausforderung, die Bauern weltweit haben, ist Klimawandel", sagt Etter. "Und wenn man das nicht in Griff bekommen, können wir so viel protestieren, wie wir wollen. Das wird das Problem nicht kleiner machen."

Doch bei den Bauernprotesten in Deutschland ist der Klimawandel kaum Thema.

"In Deutschland ist es auch noch so, dass diese Proteste oft vom Bauernverband angeführt werden. Dieser Bauernverband klingt romantisch, aber das sind halt alles Großbetriebe. Je mehr Hektar man hat, je mehr Geld man da reinschießt, desto mehr Einfluss hat man. Und dann ist es natürlich auch die Politik, die man vorantreibt", sagt Etter.

Die Proteste der Großbetriebe haben es geschafft, die EU baut ihre eigenen Öko-Standards ab. Wissend, dass der Verzicht auf Naturschutz die Nahrungsproduktion gefährden wird.

In Katalonien freut sich Daniel Etter über den Regen. Inspiriert von Martin Crawford aus England, hat er einen Waldgarten angelegt, hat Obstbäume, Sträucher und mehrjähriges Gemüse vertikal angebaut.

"Also das Ganze, wenn es mal groß geworden ist, wenn es mal erwachsen ist, sozusagen, ist es ein System, was sich selber düngt und selber instand hält, und selber schützt halt auch vor Klimaschwankungen", erklärt Etter.

Er wollte ein leichtes Buch über alternative Landwirtschaft schreiben mit Kochrezepten. Es wurde ein ernster "Feldversuch", der die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft und Klimawandel beschreibt. Daniel Etter hat es Mut gemacht .

 "Ich habe mit der Recherche und mit dem Leben auf dem Land eine Demut für Natur und natürliche Prozesse entwickelt. Es ist relevant, dass wir erkennen, was für ein abgefahrenes Wunder das eigentlich ist, dass wir überhaupt hier sind und wahrnehmen können, Pflanzen wachsen sehen können. Und das ist, glaube ich, das, was ich mitgeben will", sagt Etter.



Beitrag: Carola Wittrock

"Feldversuch – Mein Hof und die Suche nach der Zukunft der Landwirtschaft"
Daniel Etter
Penguin Verlag, März 2024
28,00 Euro, 256 Seiten

Stand: 07.04.2024 20:00 Uhr

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