So., 16.06.24 | 23:35 Uhr
Das Erste
Indigenes Empowerment
Renata Flores ist Perus Queen of Quechua Rap
Ayacucho, mitten in den peruanischen Anden. Hier lebt sie: „Perus Queen of Quechua Rap“. So wird Renata Flores inzwischen genannt. Quechua, das ist die indigene Sprache ihrer Vorfahren. Renata Flores nutzt sie als aktivistisches Werkzeug in ihrer Musik.
„Wenn ich auf Quechua singe, dann empowert mich das. Dann fühlt es sich so an, als würden viele Menschen singen, die irgendwann einmal nicht gehört wurden“, erklärt die Musikerin. „Dadurch fühlen wir uns verbunden. Dadurch, dass wir auf Quechua singen, einer Sprache, die lange Zeit marginalisiert wurde, erheben wir uns, wachen wir endlich auf und nutzen gemeinsam unsere Stimmen“, erzählt Flores.
Quechua als Stigma
Quechua gilt in Peru noch immer als Stigma der indigenen Landbevölkerung. Renata Flores lernte die Sprache erst als Teenagerin. Ihre Großmütter brachten sie ihr bei. Heute ist sie Teil ihrer Kunst. Ihre Großmutter Julia ist begeistert von ihrer Enkelin und schwärmt: „Wenn ich dich singen höre, macht mich das glücklich. Du singst so schön.“
Ihre Eltern wollten ihr Quechua nicht beibringen. Eine bewusste Entscheidung. „Sie hatten Angst davor, dass ich diskriminiert werde, wenn ich Quechua spreche“, erklärt Flores. „Denn viele junge Leute in meinem Alter, die Quechua sprechen, auch bei meiner Mutter war es so, spüren diese Blicke, die Diskriminierung, die Ungleichheit“, meint die Sängerin. Sie sei nicht die Einzige. Es gebe viele junge Menschen in ihrem Alter, die Angst davor haben, Quechua zu sprechen.
Sie mixt Trap, Reggaeton und Cumbia mit der traditionellen Musik der peruanischen Anden, ihre Texte verhandeln Klimakrise, Korruption und immer wieder die Rechte Indigener. Flores betont: „Vor allem in den sozialen Netzwerken, habe ich deshalb Diskriminierung erfahren. Als ich anfing meine ersten Lieder zu veröffentlichen, gab es viele rassistische Kommentare unter meinen Videos, die sich auf mich und mein Aussehen bezogen.“ Deshalb habe sie sich sehr schlecht gefühlt.
Der Vorwurf Terroristen zu sein
Die Amtsenthebung und Festnahme des Präsidenten Pedro Castillo Ende 2022 stürzt Perú in eine tiefe Krise, löst landesweite Proteste aus. Vor allem für die indigene und arme Landbevölkerung war er Hoffnungsträger. Auch in Renatas Heimatstadt Ayacucho protestieren sie für seine Freilassung und Neuwahlen. Militär und Polizei reagieren mit brutaler Härte.
Flores erinnert sich: „Als sie unsere unschuldigen Brüder und Schwestern töteten, habe ich das alles hautnah miterlebt. Das war furchtbar. Meine Mutter und meine Großmütter weinen zu sehen und zu sehen, dass die Presse nicht angemessen darüber berichtete.“ Bis heute werde es kaum thematisiert. „Und anstatt, dass Gerechtigkeit waltet, werden wir als Terroristen bezeichnet. Das wollte ich in dem Song ‚Das vergessene Amerika‘ festhalten, weil ich damals das Gefühl hatte, dass uns, den Vergessenen, nicht zugehört wird“, erläutert die Musikerin.
Schon in den achtziger und neunziger Jahren wurden die indigenen Bewohner Ayacuchos beschuldigt, Terroristen zu sein, einer regierungsfeindlichen Guerillaorganisation anzugehören. Damals wurden Zivilisten gefoltert und ermordet.
Flores Großmutter Julia erinnert sich: „Sie drangen in unser Haus ein, durchsuchten und verwüsteten alles. Sie schrien ‚Wo sind hier Terroristen?“ Sie hätten geantwortet, sie seien keine Terroristen. „Damals lebten wir in ständiger Angst“, sagt Flores Großmutter. Das dürfe nicht in Vergessenheit geraten, auch daran müsse ihre Enkelin erinnern.
Und das tut sie! Mit ihren Mitteln. Renata Flores versteht sich als Künstlerin und als Aktivistin. Und sie ist nicht allein.
Autorin: Celine Schäfer
Stand: 16.06.2024 20:00 Uhr
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