So., 01.09.24 | 23:40 Uhr
Das Erste
"The Forest Is The Path" – Neues Album von Snow Patrol
Die bekannteste unbekannte Band der Welt ist zurück
Sie ist die wohl bekannteste unbekannte Band der Welt: Snow Patrol, die dritte große britische Überwältigungs-Pop-Rock-Band neben Coldplay und Muse.
Anders als Coldplay und Muse
Aber obwohl Snow Patrol mit über 20 Millionen verkauften Alben, mit ausverkauften Stadien, weitreichender Radio-Präsenz und internationalen Erfolgen aufwarten, fliegt die Band bis heute leicht unterhalb des Radars der Massenwahrnehmung.
Vielleicht liegt es daran, dass ihre beiden bislang größten Hits "Chasing Cars" und "Run" Balladen sind. Songs, so subtil, so unauffällig wie kraftvoll geschrieben und arrangiert, dass man eher ihren Puls als ihre Melodien wahrnimmt. Ihre Lieder werden bei Geburten, auf Hochzeiten und Beerdigungen gespielt. Weil sie Trost geben in trostlosen Zeiten.
"Es ist okay, sich zu verlieren"
"The Forest Is The Path" heißt das neue Album von Snow Patrol, der Band aus Glasgow und Belfast. Soll heißen: Der Wald ist der Weg. Das Undurchdringliche als das Gegebene hinnehmen – und sich trotzdem hindurchwagen. Die Ausweglosigkeit erkennen und trotzdem den nächsten Schritt gehen. Das finden jedenfalls Snow Patrol.
Auf ihrem neuen Album reflektieren sie in zwölf selbst geschriebenen Tracks die Widrigkeiten und undurchsichtigsten Momente des Lebens. "Für mich steht der Titel des Albums für das Gefühl, sich im Leben verlaufen zu haben", erklärt Leadsänger Gary Lightbody, der außerdem meint: "Aber manchmal ist es völlig okay, sich zu verlieren. Der Wald, das Gewirr, die Bäume, die Wurzeln sind alle auch eine Art Weg. Manchmal suchen wir nach einem Ausweg, obwohl wir nur im Hier und Jetzt sein müssten."
Das Unmögliche wagen. Eine Lebenseinstellung, die schon in einem ihrer größten Hits "Chasing Cars" (2006) deutlich wird. Gary Lightbody sagt, er habe sie von seinem Vater: "Er war ein lustiger Typ. Leider ist er vor ein paar Jahren gestorben. Insofern macht mich das Lied traurig, weil es Erinnerungen an meinen Vater weckt, der für alles einen fröhlichen Spruch auf Lager hatte. Ich vermisse ihn."
Songs für die schönen und schweren Momente im Leben
Snow Patrol – die Schnee-Patrouille. Die Band, die dich rauszieht und rettet, wenn die Lawine des Lebens über dir zusammenbricht. Entgegen vieler Gründungsmythen – bei Gary Lightbody war nicht abzusehen, dass er einmal professionell Musik machen würde: "Meine Familie war gar nicht musikalisch. Meine Mutter und mein Vater besaßen zusammen vielleicht sieben Vinyl-Platten, sechs davon Country. Die einzige Nicht-Country-Platte war die mit Songs von Lennon und McCartney, gespielt vom London Philharmonic Orchestra. Wir hatten also eine Art Beatles-Platte im Haus, aber selbst die nur in einer Cover-Version."
Die ungefilterte Rauheit des Country. Die orchestrale Größe selbst im ruhigsten Song. Beides findet sich bis heute in der DNA von Snow Patrol. Lieder, so fein geschrieben und arrangiert, dass man eher ihren Puls als ihre Melodien wahrnimmt. Lieder fürs Leben.
Schon ihr erster Hit "Run" (2003) hat Millionen Menschen begleitet, Leben gerettet und Trost gespendet – gewissermaßen auch Snow Patrol selbst, wie Lightbody erzählt: "Wir haben 'Run' geschrieben, als wir nichts hatten. Uns wurde buchstäblich der Strom abgeschaltet. Ich habe mir in dem Lied ein Leben vorgestellt, in dem ich die Menschen, die ich liebe, beschützen kann."
Auf ihren Konzerten, so berichtet Lightbody, würde jeder dieses Lied mitsingen. Einigen habe es bei schweren Verlusten geholfen, andere hätten es auf ihrer Hochzeit gespielt, bei der Geburt ihres Kindes. In großen Momenten im Leben.
Persönliche Bilanz und Mutmacher: "Es wird wieder besser"
Immer da sein. Für alle. Ein Druck, den Gary Lightbody irgendwann nur noch schwer ertragen konnte. Er spricht offen über Schreibblockaden, über seine frühere Alkoholsucht, die Jahre der Erinnerung ausgelöscht hat. Ins Rampenlicht ist er reingerutscht, bei einem Schulauftritt, mit einem Lied von R.E.M.: "Ich hatte bis dahin nie in der Öffentlichkeit gesungen und meine Freunde waren ganz überrascht: 'Verdammt, wir wussten nicht, dass du singen kannst. Du hast ja eine tolle Stimme.' Es war so, dass ich jemanden brauchte, der mir das sagt."
Oft in seinem Leben überkam ihn Panik, weil er glaubte, noch nicht dort angelangt zu sein, wo er längst sein müsste. "Uns wird immer weis gemacht, dass die Zeit geradlinig verläuft. Aber in unseren Herzen fühlen wir, dass das nicht stimmt. Sie beschleunigt oder verlangsamt sich, je nachdem, ob wir glücklich oder unglücklich sind, ob wir trauern, etwas genießen oder durchs Leben rasen und uns fragen: 'Wo zum Teufel ist das letzte Jahr geblieben?'"
Für Lightbody gehört das Gefühl, den Anschluss im Leben zu verlieren dazu – solange man sich selbst nicht verliert. Er sagt: "Verbinde dich wieder fest mit dem Boden unter deinen Füßen und es wird wieder besser."
Autor TV-Beitrag: Andreas Krieger
Stand: 01.09.2024 23:23 Uhr
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