So., 01.09.24 | 23:40 Uhr
Das Erste
Caspar David Friedrich in Dresden: "Wo alles begann"
Drei Ausstellungen zum 250. Geburtstag des Romantikers
Jetzt hat sie begonnen, die große Caspar David Friedrich-Ausstellung in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). In Hamburg und Berlin waren schon große Präsentationen zu sehen.
Drei Ausstellungen beleuchten Friedrich und seine Zeit
Unter dem Titel "Wo alles begann" bieten die SKD nun kurz vor dem 250. Geburtstag am 5. September gleich drei Expositionen in der Stadt, wo der Romantiker seine Karriere startete und bis zu seinem Tod lebte. Im Albertinum, im Kupferstich-Kabinett und im Münzkabinett können Friedrich-Fans in die Spur gehen. Und beispielsweise seine Landschaftsgemälde von der Sächsischen Schweiz bewundern.
Sehnsuchtsort Dresden: Alle Gemälde sind hier entstanden
Romantische Erhabenheit fand Caspar David Friedrich im Blick von der Kaiserkrone. Der zerklüftete Tafelberg in der Sächsischen Schweiz vor den Toren Dresdens war nur einer seiner Sehnsuchtsorte. Hier erlebte er ein Natur-Gefühl hoch über der Elbe und fern messbarer Ordnung.
Denn die Welt, seine Welt, war durcheinander: Französische Revolution, Napoleon-Kriege. Die Natur – die Schöpfung! Längst klassifiziert. Jetzt soll das Gefühl die Wunden heilen, die der Verstand schlägt. Die Romantiker treiben die Emotion in Hymnus und Schmerz. Der radikalste von ihnen war Caspar David Friedrich, ein Greifswalder in Sachsen. Hier verbrachte er vierzig Jahre seines Lebens.
Und alle seine Gemälde sind in Dresden entstanden, wie Hilke Wagner als Direktorin des Albertinums betont: "Caspar David Friedrich hat sehr spät angefangen zu malen, erst in seinen Dreißigern. Zuvor ist er Zeichner gewesen. Aber all diese Werke sind hier entstanden, was kaum jemand weiß. Deshalb kann man mit Selbstbewusstsein sagen: Hier in Dresden begann alles."
Zeichenkunst im Kupferstich-Kabinett: "Ganz mit der Natur verbunden"
Das Kupferstich-Kabinett zeigt die Basis Friedrichs, seine Zeichnungen. Umgehend nach seiner Ankunft 1798 in Dresden zieht er in die Umgebung, bald auch in die Sächsische Schweiz. Er meidet die schon existierenden Touristenwege und nimmt das Große und das Kleine auf, alles ist ihm Schöpfung. Sein Naturerlebnis scheint Friedrich geradezu zu trainieren:
"Er hat sich ganz mit der Natur verbunden", so beschreibt Stephanie Buck, Direktorin des Kupferstich-Kabinetts, Friedrichs Gabe. "Er sagte einmal: 'Um sie betrachten und fühlen zu können, muss ich mich mit ihr vereinigen, mit meinen Felsen und mit meinen Wolken, mit dem Leichten und dem Festen, um dann überhaupt das zu werden, was ich selbst bin.'"
Feierlich inszeniert: Karlsruher Skizzenbuch
Feierlich inszeniert wird das kürzlich spektakulär von drei Museen erworbene "Karlsruher Skizzenbuch" mit Studienzeichnungen aus der Umgebung Dresdens, angefertigt zwischen April und Juni 1804. Besucherinnen und Besucher haben im Kabinett die Möglichkeit, in diesem bisher kaum bekannten Kleinod digital zu blättern – und die ein oder andere Vorlage für die späteren Hauptwerke des Künstlers zu entdecken, die als Schlüsselwerke der deutschen Romantik gelten.
"Wer selbst Genie hat, kopiert nicht andere"
Jene finden sich im Albertinum wieder, ebenso wie Werke von Zeitgenossen als Hintergrund. Friedrich studierte die schon berühmten Dresdner Sammlungen – ohne zu kopieren, wie er betont: "Wer selbst Genie hat, kopiert nicht andere."
Freilich wurde Friedrich während seines Studiums an der Akademie in Kopenhagen sehr mit dem Kopieren gequält, wie der Kurator der Ausstellung im Albertinum, Holger Birkholz, verrät. Und er ließ sich von bedeutenden Werken in der Dresdner Gemäldegalerie inspirieren und greift oft noch Jahre später auf bestimmte Motive darin zurück, wie die Lichtstimmung eines Friedhofs mit Ruine eines Jacob van Ruisdael oder eine Rückenfigur wie bei Gerard ter Borch.
Schlüsselwerk der Romantik: Tetschener Altar
Zunächst aber gerät der knapp 30-jährige Künstler in eine Krise. Vielleicht wegen einer vergeblichen Liebe, auch wegen der Konkurrenz. Er flieht in die Heimat, zur Familie und findet auf Rügen seinen Landschaftstyp mit flachem Horizont, wiederholt, nach allen Regeln des Goldenen Schnitts komponiert.
Wenn man seine Werke betrachte, so Albertinum-Direktorin Hilke Wagner, bestünden diese manchmal zu zwei Dritteln aus Himmel, seien manchmal fast schon monochrome Flächen. "Goethe hat sogar einmal bemerkt: 'Man kann Friedrich auch auf den Kopf hängen und niemand würde es bemerken.'" So modern, so radikal sei er gewesen.
Der Tetschener Altar, auch "Das Kreuz im Gebirge", ein 1807/1808 entstandenes Gemälde, machte Skandal – ein Kritiker schrieb, statt der Bibel schleiche Landschaft in die Kirche. Damit wurde er berühmt.
Auf der Höhe der Zeit und durchaus politisch
Auf ein Jenseits beziehen sich seine Bilder fast immer. Hinter dem Horizont, als strahlendes oder verborgenes Licht. Zuweilen wird die religiöse Prägung von Friedrichs Kunst unterschätzt, manchmal auch die politische. Hilke Wagner legt den Fokus auch auf diesen Aspekt seiner Werke: "Friedrich war jemand, der in Zeiten des Umbruchs lebte und sich sehr fürs Freiheitliche, für Bürgerrechte eingesetzt hat. Nehmen wir das Gemälde der 'Zwei Männer bei Betrachtung des Mondes': Das ist ein politisches Bild. Denn genau diese altdeutsche Tracht, die sie tragen, war die Tracht der Studentenbewegung, die eigentlich verboten war zu dieser Zeit."
Caspar David Friedrich setzt seine Symbolbilder oft wie aus Modulen zusammen – das Hünengrab von da, die Eiche von dort. Ziel ist die höchste Intensität, die ihn auch Linien und Perspektiven überdehnen lässt, als blicke man durch ein Weitwinkelobjektiv. Auch Friedrichs extreme Farbigkeit folgt diesem "Willen zum Gefühl". So spiele Violett als Gefühlsträger für ihn eine zentrale Rolle, wie Kurator Holger Birkholz erklärt: "Das ist eine Farbe, die im besonderen Maße auch mit Emotionen assoziiert wird. Manche Kritiker fanden, dass er es damit ein bisschen übertreibt."
Wider das Klischee vom Melancholiker: "Gut vernetzt"
Die Frage ist: Übertreibt er aus tiefem Empfinden, weil er seiner melancholischen Seele folgen muss? Oder hat er Kalkül und Strategie, quasi einen Marketing-Plan? In späteren Jahren malt Friedrich nach Zeichnungen eines Schülers sogar Hochgebirge, obwohl er nie da war. Er, Friedrich, der im legendär-leeren Atelier alles vor dem inneren Auge, in der Seele hatte? Friedrichs Blick hielt schon sein Freund Gerhard von Kügelgen hochdramatisch fest.
Vielleicht war der Maler schwermütiger Friedhofsbilder und einsamer Landschaften aber gar nicht so einsam und melancholisch, wie man vermuten könnte? Ein weiterer Fokus der Ausstellung liegt auf dem Image von Caspar David Friedrich als Melancholiker im Abgleich zur Realität, zu seinem sozialen Umfeld, seinen Anknüpfungspunkten, wie Holger Birkholz erläutert und auf eine überraschende Diskrepanz hinweist:
"Wenn man sich sein Leben anschaut, dann hatte er ein unglaublich großes Netzwerk an Freundschaften, Bekanntschaften, Menschen, die ihn auch eigentlich als umgänglichen, freundlichen Zeitgenossen beschreiben. Bis hin dann eben zu einer Zeit, wo Friedrich sich im Alter auch mehr und mehr, abschottet." Erst ein Schlaganfall fünf Jahre vor seinem Tod im Jahr 1840 ließ ihn schließlich doch vereinsamen. Späte Sepia-Zeichnungen holen noch einmal die Erlebnisse zurück, die er sich lebenslang er-zeichnet hatte – in Dresdens Umgebung, wo alles begann.
Autor TV-Beitrag: Meinhard Michael
Stand: 01.09.2024 23:18 Uhr
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