So., 27.10.24 | 23:35 Uhr
Das Erste
Comeback nach 16 Jahren: The Cure
Neues Album "Songs Of A Lost World" erscheint zu Allerheiligen
16 Jahre hat er uns warten lassen auf neue Lieder. Robert Smith von The Cure, Gefühlslawinen-Retter des Pop. Und dann, wie ein Stich, sind die ersten Worte eines neuen Songs: "Das ist das Ende jedes Liedes, das wir singen."
Eröffnungssong "Alone" inspiriert von englischem Dichter
So klärt er uns auf: "Ich habe ein Gedicht von Ernest Dowson, einem englischen Dichter, wiederentdeckt: Es heißt 'Dregs', 'Bodensatz'. Als ich in Not war, die richtigen Bilder für den Eröffnungssong 'Alone' zu finden, fielen mir diese Zeilen wieder in die Hände. 'Das ist es', dachte ich: Jedes Lied, das wir singen, handelt davon, dass wir eigentlich allein sind."
Kunst aus Angst vor dem Tod oder der Gier danach?
Smith erzählt, wie er es liebt, allein draußen zu sein und mit dem Teleskop in den Himmel zu blicken. "Und dazu brennt normalerweise ein Lagerfeuer. Wenn das Feuer erlischt und auch die Sterne erlöschen und die Morgendämmerung anbricht, bin ich traurig, dass die Nacht vorbei ist."
So empfinde er es seit seiner Kindheit, erzählt er. Dabei sei es für die meisten Leute ganz toll, wenn die Sonne aufgehe. "Für mich heißt das aber: Die Sterne verschwinden. Und davon handeln meine Lieder. Vom Untergang. Von der Angst vor dem Tod. So einfach ist das." Eigentlich entstehe jede Kunst aus Angst vor dem Tod, glaubt er. Oder einer "regelrechten Gier nach dem Tod, der zuweilen die Liebe dazwischen kommt", überlegt er und lacht: "Verdammt, bin ich simpel."
Mit Überschwang in die Neunziger
Nach dem Kalten Krieg tanzen The Cure mit Abzähl-Reim und kindlichem Überschwang in die Neunziger hinein. Dahinter lauert immer noch Melancholie. In ihren manischen Momenten aber sind sie am erfolgreichsten.
"Ich hätte früher nie gedacht, dass ich mal Sänger werden würde", erzählt Smith im "ttt"-Gespräch. "Ich habe am Anfang mal ein Lied gesungen, weil ich wissen wollte wie es ist, bei unserer allerersten Show. Ich habe es gehasst. Und ich wurde schließlich doch der Sänger, weil wir eine Reihe von Sängern hatten, die alle schrecklich waren. Und ich dachte: 'Gut, ich singe, bis wir jemand anderen finden.' Und dann bin ich einfach der Sänger geblieben."
Neu-Neuromantiker in Beton-Britannien
Ende der Siebziger in Crawley südlich von London haben sie sich gegründet: The Cure. Die Heilung. Neu-Neuromantiker in Beton-Britannien. "Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Nichts und dem Schmerz, dann wähle ich den Schmerz", sagt Smith. Zuletzt aber war es zu viel Schmerz, wie er berichtet. In den vergangenen Jahren starben enge Familienmitglieder. Zwar konnte er noch Lieder schreiben, sie aber nicht mehr loslassen:
"Als mein älterer Bruder Richard starb, hat mich das sehr getroffen. Weil er mich quasi erzogen hat. Er hat mir wirklich alles beigebracht, als ich jünger war. Nach seinem Tod folgte ein enormer Ausbruch von Gefühlen, in Worten, in Musik, Malerei. Ich wollte einfach aus mir herausbekommen, was ich fühlte. Auch meine Lieder trugen immer diese Angst vor der Sterblichkeit in sich. Es war schon immer da. Aber als ich jünger war, habe ich das alles romantisiert, ohne es zu wissen."
"Songs Of A Lost World": Eines der düstersten und besten Alben
"Disintegration" ist das Meisterwerk von The Cure aus dem Wende-Jahr 1989, das meistverkaufte Album. Voller Flashbacks zurück in die kindliche Angst: die ungefilterte, nicht zu betäubende Angst. An diese klaustrophobische Stimmung schließ das neue Album an. Es ist eines der düstersten und besten von The Cure geworden.
Den "Endsong", so erzählt es Smith, habe er in nur einer Nacht geschrieben: "Am 50. Jahrestag der Mondlandung von Apollo 11. Ich war nachts draußen und erinnerte mich an das Ereignis, als ich zehn Jahre alt war und mit meinem Vater auf dem Hinterhof stand und zu den Sternen blickte. Es schien damals so, als befände sich die Welt auf dem Weg nach oben und die Mondlandung sei ein Teil davon. Seitdem geht es aber immer weiter bergab. Der Kern, das schlagende Herz von "Songs Of A Lost World" ist eben, dass die Welt verloren ist."
Lieder, die einen wie ein Strudel hinabziehen. Robert Smith singt vom "Ende". Aber eigentlich ist es ein Anfang. Zwei weitere Alben sollen nahezu fertig sein.
Autor TV-Beitrag: Andreas Krieger
Stand: 28.10.2024 14:00 Uhr
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