So., 13.04.25 | 23:05 Uhr
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Kulturkampf in Washington - Wie sich Trump die Kunst zu eigen macht

Nun zwingt er auch noch die Kunst in seine Dienste: Präsident Trump hat sich jüngst an die Spitze des Boards vom Kennedy Center gesetzt, einem national bedeutenden Zentrum der darstellenden Künste in Washington. Es ist das einzige, das die Regierung der USA finanziell mitträgt. Bei seinem Antrittsbesuch inszeniert er sich dort als Alleinherrscher und sagt der Diversität in der Kunst den Kampf an. Ebenso verfügt er per Dekret, dass die 21 Nationalmuseen der Smithonian Institution künftig die Bevölkerung "stolz" machen sollen und nicht etwa die eigene Geschichte kritisch hinterfragen. Es geht ihm darum, "unangebrachte Ideologie" in den Standorten des Smithonian zu entfernen. "ttt" über den Kulturkampf in Washington, der rasant Fahrt aufnimmt.
"Un-amerikanisch und unangebracht": Geschichten von Armut, Rassismus und Korruption

26 Jahre lang saß Damon Donaldson Bay wegen Mordes im Gefängnis. Dort hat er gelernt, Gedichte zu schreiben. In einer Gruppe, die sich "Free Minds" nennt - Freigeister. "Es motiviert mich, es inspiriert mich. Es ist befreiend für mich," sagt Bay. "Diese Freiheit zu haben, sich auszudrücken, ist lebenswichtig, denn Worte sind Macht und mit Worten kann man Dinge erschaffen - und zerstören.“ Bei einer Art Poetry Slam im Kennedy Center gibt er seine Werke zum Besten. Doch solche Auftritte wird es hier ab sofort nicht mehr geben. Geschichten von Armut, Rassismus und Korruption seien un-amerikanisch, meint Donald Trump, und hat der Diversität in der Kunst den Kampf angesagt.
Alleinherrschaft: Trump übernimmt Leitung des Kennedy Centers

Das Kennedy Center ist ein Kulturzentrum von nationaler Bedeutung - mit mehr als zwei Millionen Besuchern im Jahr. Viele von ihnen sind weiß, genauso wie viele Künstler, die hier auftreten. Damon ist eine Ausnahme, dank eines Förderprogramms für Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Das hat Donald Trump kurz nach Amtsantritt gestrichen. Der US-Präsident hat die Kontrolle über das Kennedy Center übernommen und der Kultur den Kampf angesagt. Er inszeniert sich als Alleinherrscher über die altehrwürdige Institution. Deren Leitung hat er abgesetzt und den Vorsitz ihres Kuratoriums gleich selbst übernommen.
Neuer Präsident des Kennedy Centers: Richard Grenell

"Wir werden das Kennedy Center wieder in Ordnung bringen. Es ist ein sehr wichtiger Teil der Hauptstadt. Wir bringen die Hauptstadt zurück. Wir bringen unser Land zurück“, rechtfertigt er seine Maßnahme. Bislang hat kein US-Präsident Einfluss auf das Programm des Kennedy Centers genommen. Trump will das ändern. Der Republikaner hat alle Demokraten im bislang paritätisch besetzten Aufsichtsrat gefeuert - und seinen Vertrauten Richard Grenell zum Präsidenten des Centers gemacht. Der frühere US-Botschafter in Deutschland will Personal abbauen, wo immer möglich. Seine ersten Opfer sind sieben Mitarbeiter eines Anti-Rassismus-Teams, das Damon und Free Minds eingeladen hatte.
Die Zensur der Kunst nach historischem Vorbild

Jonathan Katz ist der leitende Direktor der Brookings Institution, einer unabhängigen US-amerikanischen Denkfabrik für "Forschung, Bildung und Publikation mit Fokus auf öffentliche Politik in den Gebieten Wirtschaft, Auslandspolitik und Staatsführung". Katz hält das Vorgehen der Trump-Regierung für autokratisch und vergleichbar mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte: "Die Entscheidung von Präsident Trump, diese Schritte zu gehen, war wirklich ein Signal an viele Amerikaner, dass die Meinungsfreiheit und der künstlerische Ausdruck zensiert werden. Trump sieht dies als eine Gelegenheit, seine eigenen politischen Interessen auf Kosten anderer durchzusetzen. Er will auf jeden Fall abweichende Stimmen unterdrücken. Im Rückblick auf die Taktiken der Nazi-Regierung war es für Joseph Goebbels und andere wichtig, Kunst und Kultur zu kontrollieren. Wir sagen nicht, dass sie genau das Gleiche tun, aber es gibt eine Menge Ähnlichkeiten.“
Auch das National Museum of American Art und weitere Museen im Visier des Präsidenten

Auch die Museen sind ins Visier des Präsidenten geraten - insbesondere das American Art Museum und dessen Ausstellung "The Shape of Power". Es ist eine Spurensuche nach Rassismus, die dem weißen Amerika den Spiegel vorhält - für Trump "unangemessen“ und "spalterisch“, für Kunstkritiker eine gelungene Darstellung ethnischer Stereotype in Skulpturen. "Das Museum setzt sich mit der schwierigen Vergangenheit der Nation auseinander", ordnet Nika Elder von der American University ein, "nicht um darin zu schwelgen, sondern um dieses Unrecht wiedergutzumachen und sich davon zu lösen. Und so wird natürlich auch über die Sklaverei und die Vertreibung der Ureinwohner gesprochen.“
Nika Elder: Ein Versuch, die Geschichte umzuschreiben

Ebenso ist das Nationalmuseum für Afro-Amerikanische Geschichte Trump ein Dorn im Auge. Dessen Blick auf die Vergangenheit der Vereinigten Staaten sei zu negativ. Vermeintlich "antiamerikanische“ Ausstellungen sollen nicht mehr finanziert werden. Für Nika Elder ist dies ein Versuch, die Geschichte der USA umzuschreiben: "Wenn diese Anordnung des Präsidenten buchstabengetreu umgesetzt würde, wäre es eine Rückkehr zu einer Idee von Kunst und einer Idee von Amerika, die es vor mehr als 100 Jahren gab. Das lässt uns nicht nur konservativ und schwach aussehen, es lässt uns tatsächlich wie Lügner aussehen.“
Trumps Kulturkampf: Kunst gegen Autokratie

Eigenlob statt Selbstkritik - das ist das Kulturverständnis der Trump-Regierung. Ihr Eingriff in die Kunstfreiheit droht, Stimmen mundtot zu machen, die schon immer um Gehör kämpfen mussten - so wie die "Free Minds“. Drei Mal sollten sie noch im Kennedy Center auftreten. Alles abgesagt, nach Trumps Machtübernahme. Doch Damon Donaldson Bay wird weiter dichten: "Kunst ist nicht demokratisch oder republikanisch, sie ist nicht schwarz oder weiß, nicht christlich oder muslimisch. Sie wird eine Regierung überdauern, die gegen die Kunst als eine Form der Kreativität ist, die sich in der Öffentlichkeit ausdrückt.“ In seinem Gedicht drückt er es so aus: "Es ist unsere Stadt, unser Vibe liegt in der Luft, denn wir haben sie aufgebaut, wir lassen uns nicht vertreiben!"
(Beitrag: Torben Börgers)
Stand: 13.04.2025 21:29 Uhr
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