So., 27.04.25 | 23:35 Uhr
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Trump nimmt die Universitäten ins Visier
US-Gelehrte sehen die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr
Die Trump-Regierung hat die Universitäten als Hort linksextremistischer Indoktrination und "woken" Denkens zum Staatsfeind erklärt. Seit Amtsantritt wurden unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Antisemitismus Gelder in Milliardenhöhe für die Wissenschaft gekürzt, etwa für Gender- und Geschichtsforschung oder für Klima- und Umweltschutz, auch viele Labore für Krebs- oder Alzheimer Forschung mussten dichtmachen. Das Weiße Haus will entscheiden, wer über was forschen darf. Gegen dieses autoritäre Vorgehen der Regierung setzt sich Harvard zur Wehr, hat zu Beginn dieser Woche die Regierung verklagt. In einem öffentlichen Brief haben mehr als 100 Universitäten und Hochschulen die Einflussnahme durch die US-Regierung beklagt. Der Kulturkampf um die Universitäten ist in vollem Gang. US-Gelehrte schlagen Alarm, sehen die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr. ttt hat mit Jason Stanley, Yale-Professor und Faschismusforscher, Steven Pinker, Harvard-Professor und Beststellerautor, Matthew Connelly, Historiker an der New Yorker Columbia Universität und Todd Wolfson, Journalismus-Professor und Präsident der American Association of University Professors (AAUP) gesprochen.
Exil für Professoren

In New York fühlt Jason Stanley sich wohl, eigentlich. Die renommierte Yale Universität ist nicht weit, dort ist er Philosophieprofessor. Aber all das will er aufgeben, ins Exil gehen nach Toronto. "Indem ich Yale und meine Heimat für ein anderes Land verlasse schlage ich Alarm", so Stanley, "die Trump Administration greift alle Säulen der Demokratie an: Schulen und Universitäten, die Justiz und die Medien. Zudem sind meine beiden Kinder schwarz – und wir erleben derzeit wieder eine große Feindseligkeit gegen Schwarze." Jason Stanley ist Faschismusforscher, seine Bücher sind international bekannt. Sein Vater floh als Kind aus Nazi-Deutschland. Die Wissenschaft anzugreifen, das sei typisch für den Faschismus. Und in den USA ist der Angriff seit langem geplant. So sagte der heutige Vizepräsident J.D. Vance bereits 2021 bei der National Conservatism conference: "Wenn wir die Dinge umsetzen wollen, die wir für unser Land und die Menschen hier planen, dann müssen wir sehr aggressiv die Universitäten hierzulande angreifen."
Sehr schnell hat die Trump-Regierung massiv Gelder für die Wissenschaft gekürzt, nicht nur für Gender- und Geschichtswissenschaften, sondern auch für Krebs- oder Alzheimerforschung. Einige Universitäten wurden direkt angegriffen, wie etwa Harvard. "Faschismus zerstört alles, was er berührt. Sie zerstören vielleicht grade die eine Sache, die wir unbestreitbar besser machen als alle anderen in der Welt: Hochschulbildung und Forschung", so Jason Stanley.
Verhaftungen ausländischer Studierender

Steven Pinker ist Professor an der Harvard Universität und Bestseller-Autor. Er kam als Student aus Kanada nach Harvard. Er meint: "Diese Regierung hegt eine große Antipathie gegen Wissenschaft, vor allem gegen das wissenschaftliche Establishment. Das zeigt ihre komplette Leugnung des Klimawandels oder dass sie einem Spinner wie Robert F. Kennedy Junior den wichtigsten Job im Land geben." Die besten Köpfe weltweit zieht es an die amerikanischen Universitäten. Jetzt wurden mehrere ausländische Studierende, die sich für Palästina eingesetzt hatten, etwa in einer Studentenzeitung, ohne Strafverfahren von der Einwanderungsbehörde in Abschiebegefängnisse gebracht. Auch das ein massiver Schlag gegen die Universitäten. "Die Regierung untergräbt die institutionelle Autonomie unserer Universitäten. Sie entführen unsere Studenten von der Straße. Sie widerrufen Hunderte von Visa", ist Todd Wolfson von der Rutgers School of Communication and Information entsetzt.
Tote wegen Wissenschaftsfeindlichkeit

Todd Wolfson vertritt als Präsident der American Association of University Professors die Interessen aller Hochschulangehörigen. Viele sind aufgebracht. Er bekommt hunderte von Emails: Jobs wurden gestrichen, Lebensplanungen zerstört, das Gesundheitswesen ruiniert. "Sie zerstören komplett die Infrastruktur für biomedizinische Forschung in diesem Land", erklärt Todd Wolfson, "Therapien und Medikamente, die wir in einigen Jahren bekämen, wenn die Labore arbeiten würden, werden fehlen. Die Auswirkungen für die USA, aber auch für die ganze Welt, werden verheerend sein." Und der Historiker Matthew Connelly von der Columbia Universität ergänzt: "Es werden Menschen sterben wegen der Angriffe auf die amerikanischen Universitäten und Unikliniken."
Sind Verhandlungen möglich?

Matthew Connelly ist Oral-History-Forscher an der New Yorker Columbia Universität. Sie geriet als eine der ersten Hochschulen ins Visier der Trump-Regierung. Die ließ 400 Millionen Dollar Förderung einfrieren. Angeblich wegen mangelndem Schutz jüdischer Studierender bei propalästinensischen Protesten. Columbia gab der Regierung nach, wollte verhandeln. Für viele war das Einknicken ein Schock. Und es hat nichts gebracht. "Fest steht: die Gelder bleiben eingefroren. Niemand weiß, ob sie jemals wieder freigegeben, ob die Forscher wieder eingestellt werden, ob die Labore wieder öffnen. Aber wir kämpfen weiter und wir brauchen Verbündete. Wir stehen massiv unter Druck, aber wir sind nicht besiegt", so Matthew Connelly.
Klage gegen die Regierung
Von Columbia hat Harvard, gelernt. Der ältesten und reichsten Universität wurden Milliarden Fördergelder gestrichen, die Steuerfreiheit ist bedroht, ausländischen Studierenden soll die Einreise verwehrt werden. Doch Harvard wehrt sich, verklagt die Regierung, was Steven Pinker begrüßt: "Ich bin froh, dass Harvard sich vor Gericht wehrt, denn was die Trump-Regierung tut, ist schlichtweg illegal." Auch für ihre Angriffe auf Harvard nahm die Regierung die Pro-Palästina-Proteste als Vorwand. Es gelte, linksradikales, wokes und antisemitisches Denken zu bekämpfen. "Auch einige von uns fordern strengere Regeln gegen Übergriffe und mehr Vielfalt der Blickwinkel", meint Steven Pinker,"aber das ist etwas völlig anderes, als die Trump-Regierung entscheiden zu lassen, wen wir einstellen, welche Studierende wir zulassen oder wer befördert wird."
Widerstand als Hoffnungszeichen
Harvards Widerstand sehen viele als Zeichen der Hoffnung. Der Kulturkampf um die Universitäten ist in vollem Gange. Jetzt versuchen die Hochschulen, ihre Reihen zu schließen. Sie suchen Unterstützung, weltweit – auch eine Idee von Matthew Connelly: "Allein Columbia hat weltweit rund 400.000 Alumni. Jetzt ist es an der Zeit: wir brauchen eure Hilfe. Das heißt nicht zwingend Geld schicken, sondern meldet euch und zeigt uns, dass wir nicht alleine sind."
Autorin: Claudia Kuhland
Stand: 27.04.2025 16:38 Uhr
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