So., 11.08.24 | 23:35 Uhr
"Hoffmanns Erzählungen"
Tiefpunkt. Maximale Künstlerkrise. Hoffmann ist ein abgehalfterter Filmregisseur, dem Kreativität und Liebe abhanden gekommen sind. Das "tragische Genie" blickt zurück. Und wir erleben eine fulminante Genie-Dekonstruktion.
Großartige Bilder für Angst und innere Leere
Ein Rückblick auf Hoffmanns ersten Film: Barbarella Trash. Es geht vor allem darum, die Hauptdarstellerin rumzukriegen. Was ihm aber nicht gelingt. "Blond, langes Haar, tolle Beine. Das ist das körperliche Ideal wie Hoffmann sich eine Frau vorstellt", sagt Sängerin Kathryn Lewek. "Sein erster billiger Film handelt davon, dass eine verführerische Ausserirdische die Erde erobert, weil sie so sexy ist. Natürlich ein totales Machwerk, das er am besten sofort wegwerfen sollte."
Hinter den billigen Filmkulissen bleibt der Künstler allein mit seinen Dämonen. Es sind großartige Bilder für Angst und innere Leere. Hoffmanns Blick auf die Welt: egozentrisch, Immer liebloser. Eindringlich singt und spielt Benjamin Bernheim diese wachsende Verachtung für Menschen und für eigenwillige Geschichten, die er früher noch gern erzählt hatte.
Hoffmann ist Künstler – aber dann kommt der Alkohol
"Alle Künstler machen schwierige Phasen durch", sagt der Tenor Bernheim. "Durststrecken, in denen das Telefon nicht klingelt. So ist das bei Hoffmann, er ist ein Künstler mit Potential, er hat großes geleistet in der Vergangenheit, aber dann kam Alkohol, eine unglückliche Liebe und plötzlich findet er sich wieder als jemand, der mal ein Künstler war, aber den jetzt keiner mehr ernst nimmt."
Die Liebe, so erfährt es Hoffmann, erleben die anderen. Er nicht. Ein Albtraum beginnt. Hinter den Gerüsten seiner Filmkulissen tauchen sie auf, die Geschöpfe seiner Kunst und seiner Angst. Und er erlebt, einer seltsamen Traumlogik folgend, was er am meisten fürchtet und so sehr erhoffte in diesem Leben. Jeder Mensch ist verletzlich. Aber die, die etwas von sich geben wollen, woran ihr Herz und ihre Seele hängen, vielleicht noch ein bisschen mehr.
"Künstler kämpfen – egal, ob an einem Höhepunkt oder Tiefpunkt."
"Meine Karriere läuft gut. Ich singe Hoffmann in Salzburg", sagt Benjamin Bernheim. "Aber ich bin auch durch solche Momente gegangen in denen ich gezweifelt habe, mich missverstanden fühlte, nicht ernst genommen wurde. Das macht jeder durch. Es ist das, was du jeden Tag überall sehen kannst: Künstler kämpfen, egal, ob sie an einem Höhepunkt oder Tiefpunkt sind. Denn da ist immer die Angst: ob das überhaupt jemand will oder ob es das jetzt vielleicht für immer war."
Große Kunst, das erzählt diese Oper, entsteht nicht durch rücksichtslose Egos, sondern durch die Fähigkeit, verletzlich zu bleiben. Der Regisseurin Mariame Clément und den großartigen Sängern und Musikern gelingt eine intelligente und liebevolle Absage an ein überkommenes Künstler-Klischee. Am Ende - sehen wir Hoffmann: schreibend! Die Welt hat ihn wieder.
Autorin: Angelika Kellhammer
Stand: 11.08.2024 22:12 Uhr
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