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Der Idiot

Der Idiot | Bild: BR

Testosteron und Geld. Das hier ist eine Männerwelt, in der Männer Frauen kaufen und Frauen durch Männer sterben. Und mittendrin ist er: Fürst Myschkin. Wie aus einer anderen Welt taucht er auf, von seiner Epilepsie geheilt. Er ist wahrhaftig und naiv und gerät in eine unglückliche Liebe. Ein bedingungslos Liebender in einer Welt, die nur Bedingungen kennt.

"Barmherzigkeit ist das einzige Gesetz der menschlichen Existenz."

Tenor Bogdan Volkov
Tenor Bogdan Volkov | Bild: BR

Dostojekskis großer psychologischer Roman ist hier zu einer Liebesgeschichte geschrumpft, aber Fürst Myschkin, der Idiot, wie ihn alle nennen, bleibt faszinierend. Mit seiner besonderen Gabe, die Menschen anders zu sehen, gibt er ihnen Schönheit und Würde zurück, wenigstens für einen Augenblick. "Myschkin sagt zwei wichtige Sätze: ‚Die Schönheit wird die Welt retten‘ und ‚Barmherzigkeit ist das einzige Gesetz der menschlichen Existenz.‘", sagt der Tenor Bogdan Volkov.

"Vielleicht klingt das hohl, so was ist ja schnell gesagt, man kann es banal oder naiv nennen. Aber diese Worte sind die Botschaft des Komponisten Mieczysław Weinberg, der in seinem Leben mit soviel Verlust, Krieg, dem Holocaust konfrontiert war. Er überlebte wie durch ein Wunder und am Ende seines Lebens sagt er das zu uns: Barmherzigkeit und Schönheit. Das ist unglaublich."

Der Komponist verdiente seinen Lebensunterhalt mit Filmmusik

Szene aus "Der Idiot"
Szene aus "Der Idiot" | Bild: BR

"Der Idiot" ist Mieczysław Weinbergs letzte Oper. Das Vermächtnis eines Außenseiters. Der polnische Jude ist bis heute ein großer Unbekannter. 1939 flieht er als junger Mann vor den Nazis nach Russland. Seine Familie, so erfährt er Jahre später, starb in Konzentrationslagern. Aufgrund seiner Hochbegabung darf er Musik studieren, er heiratet, freundet sich mit Dimitri Shostakovich an, gerät unter Stalin in den Fokus der Geheimpolizei, wird jahrelang überwacht und schließlich inhaftiert. Erst als Stalin stirbt, kommt er frei.

Seine klassischen Werke schreibt er für sich. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Filmmusik. Etwa für die sowjetische Fassung von "Winnie Puh". Weinberg erlaubt sich auch in seinen Opern das Einfache, wenn es zur Geschichte passt. Dann klingt seine Musik wie eine Volksweise.

"Idiot bedeutet vor allem: Da ist jemand anders."

Bühnen- und Kostümbildnerin Małgorzata Szczęśniak
Bühnen- und Kostümbildnerin Małgorzata Szczęśniak | Bild: BR

Nastasja, die von Männern missbrauchte Frau, die sich selbst nicht lieben kann, stösst Myschkin zurück. Der wird zunehmend kränker, je mehr er von der Welt, den Menschen und ihren Verstrickungen erfährt. Holbeins Gemälde des gemarterten Jesus im Grab verweist auf die Brutalität, mit der die Welt reagiert, wenn sie mit ihrer eigenen Bosheit konfrontiert wird. 

"In der russischen Tradition und nicht nur da bedeutet Idiot vor allem: da ist jemand anders", sagt die Bühnen- und Kostümbildnerin Małgorzata Szczęśniak. "Ein Outsider. Jemand, der eine sehr spezielle eigene Haltung an den Tag legt, vielleicht auch Genie hat, der eine andere Energie hat, die spürbar ist wie etwa bei Märtyrern."

Die Welt durch Schönheit retten: Fürst Myschkin gelingt es nicht

Sopranistin Aušrinė Stundytė
Sopranistin Aušrinė Stundytė | Bild: BR

"Ich glaube, wenn wir das nicht hätten, Schönheit und Liebe, wenn diese zwei Zustände nicht in unserem Leben wären, ich weiß nicht, wozu wir dann überhaupt noch da sind", sagt die Sopranistin Aušrinė Stundytė. "Momentan hat man das Gefühl, dass das Schwarze wächst. Und die Schönheit ist fast das Einzige, was dich noch erinnert an die Menschlichkeit." 

Die Welt durch Schönheit retten, Fürst Myschkin gelingt es nicht. Der einsame Komponist Mieczysław Weinberg aber hat der Dunkelheit etwas entgegengesetzt.

Autorin: Angelika Kellhammer

Stand: 11.08.2024 22:14 Uhr

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Produktion

Bayerischer Rundfunk
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