So., 23.03.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Die politische Dimension des Spielens
Woran erinnern Sie sich, wenn sie an Ihre Kindheit denken? An einen Bach, kleine Käfer, den Wald? Kindheit findet heute vor allem zwischen Wohnblöcken, Kreuzungen und Baumärkten statt. Auf Spielplätzen. Bernhard Hanel baut sie. So kindgerecht wie möglich.
Mit Sand, Wasser und Steinen fing alles an

"Gerade diese Situation hier gefällt mir", sagt Bernhard Hanel und steigt auf einen großen Spielstein. "Dieses Urgestein, der Granit. Da entstehen schon Nischen und Ecken und Kanten. Es müsste halt viel mehr eingewachsen sein und noch mehr Raum außen herum. Aber man sieht die Bäume sind noch jung und neu."
Seinen ersten Spielplatz baute Bernhard Hanel vor 30 Jahren in Metzingen. Der Bürgermeister wollte damals etwas Spannendes, Aufregendes. Was anderes als Schaukeln und Wippen und sprach den frisch fertigstudierten Kunstvermittler an. Hanel hatte keine Ahnung von Spielplätzen und hat einfach losgelegt. "Sand und Wasser und Steine und das, wo man am meisten und am längsten spielt als Kind", sagt Hanel.
Spielplätze entstehen auf sogenannten Restflächen

Spielplätze entstehen auf sogenannten Restflächen. Zwischen Häusern und Wohnblocks. Räume für Kindheit zu schaffen ist nicht einfach. "Diese Frage, was brauchen Kinder für Orte, damit sie gesund und gut und aufwachsen können, hat mich sofort fasziniert."
Bernhard Hanel stammt aus Stuttgart. Die Eltern beide Lehrer, an Förder- oder Waldorfschulen. Auch er geht auf eine Waldorfschule. Fünf Geschwister. Zieht um die Blöcke, spielt auf Baustellen, studiert Kunstvermittlung. Heute lebt er mit seinen sechs Kindern auf einem Bauernhof bei Freiburg. Freies Gelände und Tiere sind wichtig für eine gute Kindheit. Von der Kunst allein konnte er nicht leben. Er arbeitet als DJ, Reiseleiter und Tanzlehrer. Baut weiter Spielplätze, denn die Nachbargemeinde wollte auch so etwas Tolles.
Seine Vision: Kinder sollen überall spielen können

"Meine Vision in der Zwischenzeit wäre ja, dass man überall spielen kann", sagt Hanel. "Also dass eigentlich die Städte und urbanen Räume so ausgestattet sein müssen, dass die Kinder raus können und die Straße bevölkern können, dass das nicht gefährlich ist und dass die Kinder auch ihre eigenen Grenzen verschieben können."
Und dann: Sarajevo. 1991 zerbricht mitten in Europa der Traum der Völkergemeinschaft von Christen, Orthodoxen, Juden und Muslimen. Hanel engagiert sich zusammen mit einem bosnischen Ehepaar beim Wiederaufbau des ersten multiethnischen Kindergartens. Mit Freiwilligen und Schülern fährt er immer wieder hin, um Spielplätze zu bauen. Viele Jahre lang. "Die haben es dann geschafft, dass wieder kroatische Kinder mit serbischen Kindern und so weiter einfach zusammen in diesem Kindergarten spielen", sagt Hanel. "In der Kindheit, am Anfang, im Spiel ist das alles möglich."
Hanel arbeitet in Rumänien, Albanien, Georgien

Mit seinem Verein KuKuk Kultur e.V. macht er weltweit mit Schülern und Freiwilligen Projekte für Kinder. Eine Kindertagesstätte der Roma Community in Aiud, Rumänien. In Burrel, Albanien für einen Kindergarten mit kleineren Kindern. Für eine freie Schule in Saguramo, in der Nähe von Tiflis, Georgien. Im fernen und gebirgigen Kirgisistan probieren sie zum ersten Mal eine Lösung mit Spielcontainern aus und schaffen Bewegungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung. In Beirut, da wird der Spielplatz auf einem Dach gebaut.
Und dann kommt ein Hilferuf ausgerechnet aus Deutschland. Hier bei Köln leben über 4000 Menschen aus 70 Nationen. In der Grundschule lernen die Kinder, dass sie das Recht auf Gesundheit, Spielen und Erholung haben. Aber einen Ort dafür haben sie nicht. Die Kinder schreiben dem Bürgermeister einen Brief. 2019 ist das. Und die Stadt reagiert. Mit dem Engagement vom Jugendzentrum, der Kommune, Stiftungen und KuKuk Kultur e.V. werden drei Spielplätze gebaut. Seit letztem Jahr sind sie fertig. Wünsche gäbe es schon noch welche. Eine Seilbahn zum Beispiel.
Sein nächstes Projekt: ein Spielplatz in Bethlehem
Eine High End Wohnanlage im Münchner Westen. Freiräume für Kindheit in Kreise bauen, das war die Vorgabe. Es ist eine Gratwanderung zwischen Design und Lebendigkeit. Eine Hütte aus Brettern, die den Look bricht. Nur das Unperfekte, der Widerspruch reizt zum Spiel, sagt Hanel.
Sein Herzensprojekt ist das Kinderforum in Davos. Analog zum berühmten Wirtschaftsgipfel im Januar werden seit drei Jahren Kinder und Jugendliche aus der ganzen Welt im Sommer eingeladen. "Was und wie wollen wir zusammen hier leben", fragt Hanel. "Und wie gehen wir mit diesem gemeinsamen Lebensraum Erde gut und sinnvoll und so um, dass sie enkelfähig ist?"
Sein nächstes Projekt ist ein Spielplatz im SOS Kinderdorf Bethlehem. Für Kinder aus Gaza. Für alle Kinder.
Autorin: Elena Alvarez Lutz
Stand: 24.03.2025 11:32 Uhr
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