SENDETERMIN So., 18.08.24 | 23:50 Uhr

„WILD GOD“

Nick Cave über sein neues Album, den Tod seines Sohnes und das Überleben

Nick Cave über sein neues Album | Video verfügbar bis 18.08.2025 | Bild: IMAGO / GlobalImagens

Nick Cave über Glauben

Das Schöne und das Grausame. Nick Cave besingt den unberechenbaren, den wilden Gott: in Schmerz, Hohn – und Liebe.

„Für mich ist Gott tief verwurzelt in der Welt, in allen Dingen, im Guten wie im Schlechten. Und dieser Gott verändert sich. Er wächst, genau wie wir Menschen. Wir sind Spiegelungen dessen, was Gott ist. Und: dieser Gott leidet auch“, sagt Nick Cave.

Aus dem Song „Wild God“:
„Und die Menschen auf dem Boden riefen: ‚Wann endet es?‘
Und der wilde Gott sagt: ‚Naja, kommt darauf an, aber meistens endet es nie.
Denn ich bin ein wilder Gott, der fliegt und ein wilder Gott, der schwimmt.
Und ich bin ein alter, kranker Gott, der stirbt und weint.‘“

„And the people on the ground cried ‚When does it end?‘
And the wild God says, ‚Well, it depends, but it mostly never ends
'Cause I'm a wild God flying and a wild God swimming
And I'm an old, sick God dying and crying.’“

„Dieses Album ist im Grunde voller Zweifel. Aber gleichzeitig strebt jedes Lied nach oben, hin zu Gott. In diesen Zwischenraum vor dem Glauben entstehen die meisten meiner Lieder“, so Nick Cave.

Nick Cave ist Ekstatiker. Groß anfangen und immer größer werden. Den Himmel wegstoßen. Und gleichzeitig ist er demütig geworden: will glauben können.

„Wenn ich von der Tyrannei des Rationalen spreche, meine ich damit, dass auch mein Verstand rational ist. Zu Glauben heißt also, sich davon abzustoßen, wie dir dein Leben lang beigebracht wurde, zu denken. Sich dem Rationalen zu entziehen – das ist für mich der Moment, in dem Kreativität entsteht“, sagt Nick Cave.

Über Trauer und Freude

Gewalt und Katharsis. Zweifeln. Leiden. Themen, die sich seit jeher durch seine Lieder ziehen. Doch jetzt ist da auch: Der Glaube.
2015 passiert Nick Cave das Schlimmste: Einer seiner Söhne, Arthur, stirbt mit 15 Jahren bei einem Unfall.

„Das ganze Leben wird in absolutes Chaos gestürzt. Nichts ergibt überhaupt noch Sinn. Körperlich fühlt es sich an wie eine Detonation deiner selbst“, erzählt der Musiker. „Von allem. Du fühlst dich vollgestopft mit Trauer. Bis in die Fingerspitzen drückt diese Art von Kummer und Verzweiflung. Als ob man gleich explodieren würde.“

„Darin liegt eine Totalität, die unmöglich zu begreifen ist. Das passierte auch meiner Frau Susie, aber ihr noch auf einer ganz anderen Ebene, denn sie war die Mutter dieses Kindes. Doch ich konnte dann sehen, wie sie, die mir am nächsten stand, aus diesem Horror heraustrat.“, erzählt Nick Cave weiter.

„Die Beziehung zu meiner Frau wurde tiefer, stärker, bedeutungsvoller und letztendlich: freudiger“, erinnert sich der Musiker. „Das ist eine der schrecklichen Wahrheiten über Trauer: dass daraus irgendwann auch große Freude entstehen kann.“

Sich dem Leben wieder zuwenden, das macht Nick Cave auch mit „The Red Hand Files“: Ein Blog, auf dem ihm Menschen Fragen stellen können. Hunderte erhält er pro Woche. Einige beantwortet er – immer voll Ehrlichkeit und Trost. Menschen vertrauen sich ihm an.

„Es brachte mich dazu, andere Menschen verstehen zu lernen – meine Beziehung zu anderen Menschen und zur Welt. Ich glaube, dass die Files mir sehr helfen und ich habe das Gefühl, dass sie auch anderen helfen“, so Nick Cave.

Über Demut und die Magie des Augenblicks

Im Studio mit den Bad Seeds:
„Ist das eine der Stellen, die wir gut fanden?“, fragt Nick Cave.
„Klingt, als käme ein Verrückter durch die Tür.“
„Da ist dieser wunderschöne Refrain, den Warren singt… es ist so ein winziger Moment“, so Nick Cave.  „Es ist ein winziger Moment, der die Dimensionen sprengt – und zu etwas Epischem wird.“

Für Nick Cave ist die Welt – und das Leben – noch kostbarer geworden.

„Wenn jemand etwas niederreißen will, ist heute mein erster Reflex, genau zu prüfen, was wir da eigentlich niederreißen“, sagt Nick Cave. „Denn Menschen mit einem konservativen Temperament, wie ich, haben ein tiefes Verständnis davon, dass die Natur der Welt sowieso schon Verlust bedeutet.“

„Nimm die Waffe aus deiner Hand“, singt er heute. „Denn alles wird gut.“


Bericht: Andreas Krieger

Nick Cave & The Bad Seeds: „Wild God“, Audio CD 17,99 Euro.

Stand: 18.08.2024 20:37 Uhr

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Hessischer Rundfunk
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