So., 18.08.24 | 23:50 Uhr
„Fragile Beauty“
Die fantastische Fotosammlung von Sir Elton John und David Furnish
Fotografien über AIDS, über Sucht, Bilder von Missbrauch
Rapper Tupac in der Badewanne. Marilyn Monroe nachdenklich am Filmset. Miles Davis‘ Hände. Bilder einer einzigartigen Sammlung. Geschossen von Legenden der Fotografie. Der Besitzer der Aufnahmen? Hier porträtiert von David LaChapelle: Elton John! Teile seiner Sammlung sind jetzt in London zu sehen. Unter dem Titel „Fragile Beauty“.
„Elton liebte diesen Titel so sehr, dass er darauf bestand, die ganze Ausstellung so zu nennen. Es ist also wie bei einem Musikalbum, wenn der Name eines Songtitels zum Namen des gesamten Albums wird. Für Elton steckt darin große Bedeutung: Er symbolisiert die Zerbrechlichkeit, die mit dem Menschsein einhergeht. Und die Verletzlichkeit, die oft Kreativität antreibt“, sagt Duncan Forbes, Leiter der Fotografie im Victoria and Albert Museum.
Zusammen mit seinem Mann David Furnish hat Elton John die Bilder über Jahrzehnte gesammelt. Sie spiegeln die Themen ihres Lebens. Und haben auch emotionalen Wert für die Beiden. Besonders: Nan Goldins „Thanksgiving“-Serie, die sie in einem White Cube wie diesem zum ersten Mal sahen.
„Es warf mich zurück in eine frühere Zeit meines Lebens. Fotografien über AIDS, über Sucht, Bilder von Missbrauch. Das gehörte zu den unglaublichsten Dingen, die ich je gesehen hatte – es war das Kraftvollste, was ich je in einer Galerie entdeckt hatte“, so Sir Elton John, Musiker und Besitzer der Sammlung.
Elton Johns Sucht nach Bildern
In den Siebziger- und Achtzigerjahren wird Elton John zur Pop-Ikone. Doch mit dem Ruhm kommen auch Alkohol und Drogen. Nach mehr als zehn Jahren Abhängigkeit macht er einen Entzug. Und findet im Sammeln von Fotografien eine neue, weitaus gesündere Sucht.
„Endlich nüchtern zu werden, war einer der großartigsten Momente in seinem Leben. Und aus diesem Moment entstand diese Sammlung. Er wurde clean, bevor er David kennenlernte. Und als sie ein Paar wurden, erkannten sie ihre gemeinsame Liebe für die Fotografie“, erzählt Newell Harbin, Kuratorin der Sammlung.
Bilder von der Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens
Über 7000 Abzüge haben sie inzwischen gesammelt. Von Fotografen wie Irving Penn, Richard Avedon, Diane Arbus. Newell Harbin ist die Kuratorin der Kollektion. Sie weiß: Das Paar lebt mit seinen Bildern.
„Wir hatten (in Atlanta) den Witz, dass man nie wusste, welche Farbe die Tapete hat. Denn die Bilder hängen vom Boden bis zur Decke eng nebeneinander, Rahmen an Rahmen. So sind sie tägliche Inspiration für die beiden“, erzählt Newell Harbin weiter.
“Fred with Tires“: Dieses Bild hat David Furnish zu seinem Coming Out empowert. Homosexuelles Begehren ist eines der Themen, um die es in der Ausstellung und dem dazugehörigen Bildband geht. Tabubrechende Aufnahmen wie die „Fire Island Pines“ von Tom Bianchi. Ein New Yorker Zufluchtsort für Homosexuelle in den 60er Jahren. Bilder, die 30 Jahre lang nicht gezeigt wurden.
Einer der meistvertretenen Fotografen ist Robert Mapplethorpe. Bekannt für seine Stillleben und Selbstporträts, in denen er die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert. Der Totenkopf als Voraussagung: In diesem Selbstporträt war er bereits an AIDS erkrankt. Die Sammlung zeigt, wie das Virus in den 80er Jahren in der queeren Community viele Opfer forderte. Keith Haring, Robert Mapplethorpe, Peter Hujar. Drei Künstler der New Yorker Szene, alle drei verstarben an AIDS.
„Falling Man“
John und Furnish sammeln auch dokumentarische Arbeiten, Momente der Zeitgeschichte: Der Kampf für Gleichberechtigung in der Bürgerrechtsbewegung der USA. Eine Serie zum 11. September. Bilder, die so noch nie gezeigt wurden. Der „Falling Man“ – Ein Mann stürzt aus dem brennenden World Trade Center. Das Grauen in perfekter Symmetrie.
„Die Art von Schönheit, die in diesem Bild liegt, entsteht einerseits durch die rohen Emotionen, die wir beim Betrachten empfinden. Durch das Erkennen dieses tragischen Moments. Andererseits ist da diese Symmetrie, die David und Elton fesselte. Das sind keine Fotos, die sie an der Wand hängen haben. Aber solche Bilder machen sie zu Hütern der Fotografie, es geht ums Bewahren historischer Momente“, sagt Lydia Caston, Kuratorin der Ausstellung im Victoria and Albert Museum.
Die Schönheit und Zerbrechlichkeit menschlicher Existenz. Sie spricht aus diesen Bildern. Manche davon vergisst man nie.
Bericht: Lilli Janik und Wero Jägersberg
„Fragile Beauty – zerbrechliche Schönheit: Fotografien aus der Sir Elton John and David Furnish Collection“, Knesebeck Verlag, gebundenes Buch, 256 Seiten, 68,00 Euro.
Stand: 18.08.2024 20:37 Uhr
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