So., 15.09.24 | 23:05 Uhr
„Alles außer Kartoffeln“
Wie sechs außergewöhnliche Köch:innen mit ihrer Heimatküche die kulinarische Vielfalt Deutschlands bereichern
Die beste Nudelsuppe
Hier in Taiwan wird es entschieden: Das Schicksal eines Berliner Restaurants.
„Ich werde gleich Gott fragen, ob ich den Laden übernehmen soll. Beziehungsweise ob es ein Erfolg wird“, sagt Ido Ting.
Von Taipeh nach Berlin, in die Kantstraße. Hier kocht Familie Ting seit 20 Jahren ihre original asiatischen Gerichte.
„Ich war immer ein Liebhaber der heißen Nudelsuppe. Damals haben wir in Berlin nirgendwo eine Möglichkeit, eine Nudelsuppe zu bekommen. Da habe ich meiner Frau gesagt, machen wir doch mal einen Laden auf und verkaufen Nudelsuppe. Sie sagt, ja, warum nicht? So haben wir angefangen“, erzählt Hsien-Kuo Ting.
Ein kulinarischer Blick auf deutsche Migrationsgeschichte. Die sechsteiligeARD-Dokureihe „Alles außer Kartoffeln“ porträtiert Menschen, die sich hierzulande mit ihrer Heimatküche einen Platz erkämpft haben – wie Bubacarr Sissoho, Streetfood-Koch aus Gambia. Prateek Reen aus Indien, die sich als „Madame Chutney“ in München in einer Männerdomäne durchgesetzt hat. Der Gastronom: Nir Rosenfeld aus Israel, der in Frankfurt vegane Gerichte kocht und Natia Torchinava aus Georgien, die als Au-pair nach Deutschland kam und heute mit ihren Khinkalis Düsseldorf verzaubert.
Familie Tings Erfolg beruht auch auf dem geheimen Nudelsuppenrezept von Frau Ting, das sie bis heute nicht weitergibt.
„Das ist die Seele des Ladens“, sagt Hsien-Kuo Ting.
Lon Men’s Noodle House ist ein Hotspot. Von außerhalb Berlins reisen sie an und auch Prominente, wie der Schauspieler Lars Eidinger, sind hier Stammgast.
„Ich glaube, dass man das spürt, dass die Familie Ting eine Familie ist, die so eine der ersten waren in Berlin, die überhaupt asiatische Küche etabliert haben. Und die lassen ja auch nicht los“, sagt Lars Eidinger.
Tradition und Heimweh: Die älteste Tajinerie Deutschlands
Auch im marokkanischen Restaurant in Darmstadt steht ein Generationenwechsel an. Es ist die älteste Tajinerie Deutschlands, gegründet von Souad Rais El Kertoubi.
„Ich war 18 Jahre alt und in einem fremden Land. Ich wollte kochen, aber es gab kein Gemüse, das ich zubereiten konnte. Es fehlt viel Gemüse, es gibt nur Kartoffeln, Karotten. Und dann habe ich unser Gemüse vermisst, weil in Marokko gibt es viel Gemüse“, erzählt Souad Rais El Kertoubi.
Tanger, die Hafenstadt im Norden Marokkos. Auch Souad Rais El Kertoubi hat ein Geheimrezept, dafür reist sie mit ihrer Familie immer wieder in die alte Heimat.
„Salam aleikum“, sagt Anas El Kertoubi
„Salam aleikum, Abdeltif“, sagt Souad Rais El Kertoubi.
Beim Gewürzhändler Abdeltif bezieht die Familie seit Generationen ihre besondere Gewürzmixtur aus 17 Zutaten.
„Bei uns ist das Wichtigste so die Gewürzmischung von der Mama, das macht das Essen auch einfach unique. Es macht es einzigartig, weil diese Gewürzmischung einzigartig ist. Die Mama hat es bestimmt irgendwo aufgeschrieben. Aber tatsächlich hätten wir, glaube ich, ein größeres Problem, wenn unser Gewürzmischer verstirbt. Weil er weiß es. Der kennt das Rezept von der Hadja aus Deutschland und der produziert das für Sie“, erzählt Anas El Kertoubi.
Das Kochen: Für Souad Rais ein Weg mit dem Heimweh umzugehen. Als junge Frau ist sie in den 70er Jahren ihrem Mann gefolgt, der als Gastarbeiter nach Deutschland kam.
„Mein Mann hat auch mir viel geholfen, hat auch gekocht als die Kinder noch kleiner waren“, sagt Souad Rais El Kertoubi.
Gemeinsam haben sie sich mit der Tajinerie eine Existenz aufgebaut.
Streetfood aus Gambia
„Der Mann hat Feuer gemacht“, sagt Ton Bubacarr Sissoho.
In seiner Heimat Gambia ist Kochen Frauensache. Bubacarr Sissoho ist damit eine Ausnahme. Für seine Streetfoodküche in Saarbrücken will er künftig ein traditionelles Gericht mit Okraschoten kochen.
„Ich koche Supa Kanja. Das ist Okra-Suppen-Sauce. Sehr bekannt in Gambia, sowas wie ein Nationalgericht in Gambia. Ich koche das afrikanisch, hochkarätig in deutschen Standards“, erzählt Bubacarr Sissoho.
Eigentlich wollte er im Saarland in seinem Beruf als Goldschmied arbeiten. Doch seine Qualifikation wurde hier nicht anerkannt.
„Ich bin der Liebe wegen nach Deutschland gekommen. Ich hab gehört, in Deutschland gibt es so viel Arbeit, so viel Arbeit, so viel Arbeit. Ich hab Arbeit überall gesucht – am Ende ich hab nichts gefunden“, sagt Ton Bubacarr Sissoho weiter.
Er hat als DJ gearbeitet und als Krankenpfleger, bis er schließlich im Kochen seine Berufung gefunden hat. Ein Botschafter für die Afrikanische Küche.
„Die werden das lieben. Kebab hat in Deutschland geschafft, Pizza hat geschafft, von daher bitte, ich schaff das!“, sagt Bubacarr Sissoho.
Wird es auch Ido, der Sohn der Familie Ting schaffen? Viermal schon haben die Götter in Taiwan nein gesagt.
„Die Götter sind mir gewillt. Die haben endlich, nach meiner fünften Frage haben sie endlich meine Frage positiv beantwortet, bejaht“, erzählt Ido Ting. Jetzt muss nur noch Mutter Ting das Geheimrezept für die Nudelsuppe weitergeben.
„ttt“ gibt einen Vorgeschmack auf die ARD-Reihe, die jetzt in der Mediathek zu sehen ist.
Bericht: Wero Jägersberg
Stand: 15.09.2024 20:24 Uhr
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