So., 06.10.24 | 23:20 Uhr
Das Erste
Neustart nach über 50 Jahren – Der neue Ballettintendant Demis Volpi in Hamburg
So eine Zäsur ist selten in der Kultur: Über 50 Jahre lang war John Neumeier Ballettchef in Hamburg. Jetzt übernimmt sein Nachfolger Demis Volpi. Wie will er den Neuanfang nach der Neumeier-Ära gestalten? Kompletter Bruch oder sanfter Übergang? Für seine erste Premiere in Hamburg "The Times Are Racing" wählt Volpi einen interessanten Weg, zeigt vier Werke von ganz unterschiedlichen Choreograph*innen an einem Abend und präsentiert damit eine künstlerische Bandbreite, die es in Hamburg in den letzten Jahren nur selten gab.
Auf den Schultern einer Hamburger Legende
"Ich höre immer vom Publikum: Wir sind gespannt. Und ich muss jetzt auch sagen, ich bin auch gespannt auf das Publikum" erklärt Volpi. Schon vor der Premiere war klar: Eine perfekte Show würde nicht reichen. Eine Vision sollte es sein, für das "Hamburg Ballett", nach 51 Jahren John Neumeier. Und dann ist es, als würde dem ganzen Saal ein Stein vom Herzen fallen. Allen voran dem neuen Ballett-Chef Demis Volpi, der sich aufmacht, in die Fußstapfen eines Publikumslieblings zu treten und - zumindest in Hamburg - einer Legende.
Zwischen Tradition und Neuanfang beim Hamburg Ballett
"Das, was jetzt kommt, ist natürlich auch eine Weiterführung. Wir bauen auf Neumeiers Werk auf. Aber es ist ja auch etwas Neues und ich kann mich nicht verstellen, ich muss das tun, was ich fühle und was ich für richtig halte." Der 38-Jährige hat selbst als Tänzer angefangen. Später schuf der gebürtige Argentinier Choreografien und führte Opern-Regie. Bis zum Sommer war er Ballett-Direktor in Düsseldorf. In Hamburg hatte er fünf Wochen, um für seinen Einstand zu proben. "Ich will Welten kreieren. Das ist für mich, was am Theater passiert. Ich will Welten kreieren, die den Menschen erlauben, sich in andere Menschen hineinzudenken und hinein zu fühlen."
Ballett im Wandel der Zeit
Demis Volpi zeigt eine Reise durch die Welt des Balletts: Ein 50 Jahre nicht gezeigtes Stück von Pina Bausch, minimalistische Paartänze von Altmeister Hans van Manen und: Zeitgeist aus New York. "Es wird in Turnschuhen getanzt und trotzdem wird hoch virtuos die Ballett-Sprache zur Geltung kommen", erklärt der 38-Jährige.
Überraschend: Nur eine der vier Choreografien des Abends stammt von Volpi selbst. "Ich denke, dass eine Compagnie heute eine Vielfalt an Stimmen braucht. Ich bin ein vielfältiger Künstler, der immer wieder versucht, andere Welten, auch andere Sprachen auszuprobieren. Und trotzdem habe ich nur meine Sicht auf die Welt."
Mit Selbstbewusstsein und charmanter Zurückhaltung trifft der neue Ballettchef in Hamburg voll ins Schwarze.
(Beitrag: Lennart Herberhold, Stefan Mühlenhoff)
Stand: 17.10.2024 15:11 Uhr
Kommentare